Название: Die großen Geologen
Автор: Bernhard Hubmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Математика
Серия: marixwissen
isbn: 9783843800440
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Auch an den technisch orientierten Lehranstalten wurden im 19. Jahrhundert Lehrstühle für Mineralogie und Geologie geschaffen. Hier sollte den Ingenieuren die Kenntnis von den Baustoffen und dem Baugrund vermittelt werden.
Aber auch andere Institutionen setzten sich im 19. Jahrhundert vermehrt mit den geologischen Fächern wissenschaftlich auseinander. Zu diesen gehören die naturkundlichen Museen, die Akademien, die wissenschaftlichen Gesellschaften und die geologischen Dienste.
1878 fand der erste internationale Geologenkongress in Paris statt, dem alle vier Jahre weitere folgten und somit eine internationale Plattform des Gedankenaustausches ermöglichten.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts sammelten sich an den einzelnen Forschungsstätten erhebliche Mengen an Einzelinformationen an, die zu globalen Ideen synthetisiert wurden. Die geologische Erklärung von Gebirgen wäre eine jener Fragen, die weit über einen regionalen Abschnitt hinausgeht und Einzelinformationen zusammenführt. Die Geologen des frühen 19. Jahrhunderts beschäftigte das Problem, ob das Auftauchen von Festlandmassen aus den Ozeanen auf das Absinken des Meeres oder auf eine echte Hebung der kontinentalen Schollen zurückzuführen sei. Dass gegenseitige relative Bewegungen zwischen Meer und Festland stattfinden können, hat Leopold von Buch (1774–1853) auf seiner Skandinavienreise anhand der Strandlinienverläufe eindeutig festgestellt (siehe S. 106).
Später entwickelte von Buch die Vorstellung der Gebirgserhebung durch »vulkanischen« Druck aus dem Untergrund. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts begann sich Jean-Baptiste Élie de Beaumont (1798–1874), ein französischer Geologe und Professor am Collège de France und an der École des Mines, mit dem Gebirgsbau zu beschäftigen. Im Jahr 1852 erschien sein Hauptwerk »Notice sur les systèmes des montagnes«, in dem er die Idee vertritt, dass die allmähliche Abkühlung der Erde zur Volumenabnahme, verbunden mit horizontaler Kompression ihrer Oberfläche, führte. Wenn man, so folgerte Élie de Beaumont, das Alter der jüngsten schräggestellten Schichten sowie das der ältesten darüber lagernden horizontalen Schichten eines Gebirges ermittelt, könne man das Alter der Berge festlegen.
Élie de Beaumont glaubte an die weltweite Gleichzeitigkeit der gebirgsbildenden Phasen, die man zur Untergliederung der Erdgeschichte heranziehen könne. Seine Deutung der Winkeldiskordanzen (= winkelige Lage von Schichten zueinander) für eine zeitliche Aussage war neu und wurde zu einem Eckpfeiler der Gebirgsbildungstheorien bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Einen weiteren wesentlichen Einfluss auf das Verständnis von Orogenen (= räumlich geschlossene, abgegrenzte Gebirgseinheiten) hatten die Vorstellungen des Amerikaners James Dwight Dana (1813–1895). Er nahm ebenfalls die Schrumpfung der Erde durch die Abkühlung nach ihrer glutflüssigen Entstehungsphase an und rechnete demgemäß mit Senkungen der Erdkruste. Daraus leitete er horizontale Spannungen ab, die durch Seitenschub zu Faltengebirgen führen sollten. Für die Senken, die die räumliche Ausdehnung des späteren Gebirges hatten und die für längere Zeiträume als Sedimentationsbecken fungierten, führte Dana den Begriff »Geosynklinale« ein. Der Wiener Geologe Eduard Sueß (1831–1914) hat diese Vorstellungen auf die alpinen Verhältnisse zur Anwendung gebracht (siehe S. 134).
Im Sinne der Kontraktionstheorie errechnete der Schweizer Albert Heim (1849–1937) im Jahr 1878 das Einengungsausmaß für den alpinen Gebirgskörper und umriss die Theorie der Erdkontraktion mit dem bildlichen Vergleich der »Haut eines eintrocknenden Apfels, die allmählich für denselben zu groß wird und feine Falten bildend auf den schwindenden Kern nachsinkt« (siehe S. 140).
Auf der Basis der Geosynklinaltheorie entwickelte Hans Stille (1876–1966), Professor der Geologie in Göttingen, Berlin und Hannover, um 1920 eine Theorie, die die Ähnlichkeiten im Aufbau der verschieden alten europäischen Gebirge zur Grundlage nahm. Der magmatisch-tektonische »Stille-Zyklus« beeinflusste bis in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts die großtektonischen Vorstellungen, gilt aber mittlerweile durch die allgemeine Akzeptanz der Theorie der Plattentektonik als überholt.
Der »Stille-Zyklus« beschreibt Stadien der Gebirgsbildung, die mit dem Einsinken eines Grabensystems innerhalb der kontinentalen Kruste (vergleichbar dem heutigen ostafrikanischen Grabenbruch) beginnt und sich durch weitere Dehnungsbewegungen, die die kontinentale Kruste zerreißen, fortsetzt. Dadurch entsteht zunächst ein noch schmales Ozeanbecken, das sich zur »Geosynklinale« entwickelt, die von basischem Vulkanismus begleitet wird. Das weiträumige Becken nimmt durch die Absenkung ungeheure Mengen an Sedimenten auf, die sich als mächtige Ablagerungsserien dokumentieren. Schließlich kehrt die Extensionsbewegung um und die beiden Kontinentränder beginnen wieder, sich aufeinander zuzubewegen und die dazwischen angehäuften Sedimente aufgrund der räumlichen Verkürzung zu falten. Danach beginnt ein Stadium der Bruchtektonik, gefolgt von tektonischer Ruhe, die sich als Abschnitt der Einebnung des Reliefs äußert.
Paradigmenwechsel
Um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert führten die wissenschaftlichen Fortschritte in der Physik und Geophysik dazu, dass zwei Grundfragen der Geologie mit neuen Vorstellungen und Methoden in Angriff genommen werden konnten: die Frage nach den absoluten Altersdaten der Gesteine sowie die Kenntnis über den Aufbau des Erdinneren und die Beziehungen zur Erdkruste.
Die Arbeitsweise nach dem Leitfossilprinzip blieb der Historischen Geologie erhalten, sie konnte nun aber auch »fossilfreie« Gesteine in einen größeren genetischen und paläogeographischen Zusammenhang eingliedern.
Durch das inzwischen angehäufte Wissen, erweitert durch die genannten neuen methodischen Ansätze, verstrickten sich die Vorstellungen der weitgehenden Unveränderlichkeit der Kontinentalmassen in Raum und Zeit in unlösbare Widersprüche. Eng verwandte, durch Ozeane getrennte Tier- und Pflanzenarten auf verschiedenen Kontinenten ließen sich durch die Postulierung hebender und senkender Landbrücken nur wenig zufriedenstellend erklären. Diese und auch weitere Probleme führten zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem neuen, »mobilistischen Weltbild«.
Bereits vor Alfred Wegener (1880–1930; siehe S. 153) war Forschern die Ähnlichkeit zwischen den Küstenlinien Afrikas und Südamerikas aufgefallen. So schreibt Alexander von Humboldt (1769–1859, siehe S. 85) »Man kann diese [amerikanischen] Gebirgsketten jenseits des Ozeans im alten Kontinent nach Osten hin verfolgen, und man erkennt, daß unter der gleichen Breite die alten Gebirge in den Gebieten von Pernambuco, von Minas, Bahia und Rio de Janeiro denen am Kongo entsprechen. Dieser Gedanke scheint weniger gewagt, wenn man die alte und die neue Welt als gewaltsam durch das Wasser getrennt ansieht.«
Wegeners Überlegungen, die er erstmals am 6. Januar 1912 auf einer Sitzung der Deutschen Geologischen Gesellschaft in Frankfurt am Main publik machte, basierten vor allem auf folgenden Beobachtungen:
Die Kontinente zeigen zwei unterschiedliche Küstentypen. Während der pazifische Typ küstenparallele Randgebirge aufweist, zeichnen die Ränder des atlantischen Typs sich durch Abbrüche von Tafelländern aus.
Die Höhenverteilung auf der Erdoberfläche weist zwei Maxima auf, eines bei rund 100 Metern über dem Meeresspiegel, das andere rund 5000 Meter darunter. Wegener folgerte daraus, dass es einen grundsätzlichen Unterschied in der Zusammensetzung der kontinentalen und der ozeanischen Scholle gibt.
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