Название: Gesammelte Werke von Sacher-Masoch
Автор: Леопольд фон Захер-Мазох
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027207350
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Unser Grundherr, derselbe, der meine Katharina zum Weibe genommen hatte, ließ auch eine Schrift in der Schenke. Alle sahen hinein, keiner konnte lesen. Da sagte der Richter: »Ruft uns den Balaban, er ist so zu sagen ein alter Soldat, es wird ihm bekannt sein, was damit anzufangen.« – Nun so riefen sie mich denn und ich las ihnen die Schrift.
Oben stand: »An alle Polen, welche lesen können.«
Da mußte ich laut lachen, denn erstens war kein Pole da und zweitens keiner, der lesen konnte, außer mir. Da stand es nun, Sie erinnern sich wohl an diese Komödien damals, da stand es: »Die Unterthänigkeit und die Robot seien nur durch Gewalt und Unrecht entstanden, denn in früheren Zeiten wären alle Menschen gleich und die Edelleute ebenso Landleute wie wir gewesen und hätten sich die Herrschaft über uns angemaßt und endlich das Land an den Moskowiter, den Preuß und den Kaiser verkauft, dessen deutsche Beamte in Gemeinschaft mit dem Edelmann den Bauer so schinden, daß er kaum seinen Hunger stillen und sich in elende Leinwand kleiden kann. Der Kaiser kenne den polnischen Bauer gar nicht, verkaufe ihm Salz und Tabak theuer, um gut in Wien leben zu können. Hülfe könne nur von Gott kommen, dazu müßte sich aber Jedermann im ganzen Lande erheben und zu den Waffen greifen. Die Edelleute erkennen ihr Unrecht und wollen sich mit dem Landvolke gegen den Kaiser vereinigen und die deutschen Beamten aus dem Lande jagen.«
Es war manche Wahrheit in der Schrift und die gefiel uns, »aber,« sagten wir untereinander, »das ist nicht so; pure Komödie, wer thut uns denn Gewalt an, als die Edelleute, wer schützt uns noch so gut es geht gegen sie – die deutschen Beamten und unser Kaiser,« und keiner wollte was von den Polen wissen.
»Wenn ihr den Edelleuten folgt,« sagte ich, »werden sie dann mit euch Bauern ackern wie ihr es jetzt mit euren Ochsen thut? Aber versammeln wollen wir uns heute Nacht in der Schenke für alle Fälle.«
So kam die Nacht heran.
Wie schon gesagt, es war ein strenger Winter, wie der jetzige etwa, und in dieser Nacht war besonders viel Schnee gefallen, Alles war verweht, keine Straße, kein Weg war zu sehen, nur die Wälder standen wie schwarze Mauern in der weißen hellen Nacht.
Wir waren in der Schenke beisammen und ein jeder hatte seinen Dreschflegel mitgebracht, oder seine Sense gerade genagelt. Ich nahm einen Haufen Bauern, es war gegen Mitternacht und machte eine Patroll. Die Bauern hatten da einen großen Jammer und fürchteten einen schlimmen Ausgang. Ich sprach ihnen Muth zu und sagte: »Wenn wir tapfer Widerstand leisten, haben wir von diesen Rebellen nichts zu fürchten.« – Da kamen schon einige Schlitten mit Edelleuten und Pächtern und anderen Lumpaken, die zum Edelhofe fahren wollten. Wie sie unserer ansichtig wurden, hielten sie stille und Einer stellte sich auf und schrie, wir sollten uns anschließen, die Revolution sei ausgebrochen, das Landvolk in Freiheit, die Robot geschenkt von den Edelleuten, auch dürften wir über die kaiserlichen Kassen und die Juden herfallen.
»Hier sind keine Verräther,« rief ich. »Wir stehen hier für Gott und den Kaiser.«
Ich hatte noch nicht geendet, da gaben euch die Polen schon Feuer, ein paar Schrote gingen mir in den Leib und ein Bauer hatte eine Kugel im Fuße. Ich schrie auf die Bauern: »Vorwärts!« Wir also von rechts und links auf die Polen, reißen sie aus den Schlitten und nehmen sie alle gefangen, Einem, der sich wehrte, hieb ich über’n Kopf, sonst wurde keiner mehr verwundet. Jetzt wurde auch bei der Schenke geschossen, ich lief so schnell ich konnte, wie ich ankam, war auch dort Alles vorbei. Der Edelmann Bobroski lag blutig im Schnee und unser Grundherr stand mitten unter den Bauern und sie schlugen von allen Seiten auf ihn los; sie hätten ihn auch erschlagen, wenn ich nicht gekommen wäre, das Blut rann ihm schon vom Kopfe. Ich rettete ihn.«
»Ihr?«
»Ich, Herr. Es war mir leid, das muß ich schon sagen, daß die Bauern ihn nicht todtgeschlagen hatten, aber wie ich einmal dabei war, durfte es nicht geschehen. Die Polen hätten gesagt, es sei aus Rache geschehen wegen der Katharina, und das hätte einen garstigen Fleck auf unsere Sache gegeben.
Wir banden ihm wie allen Anderen hübsch die Hände und Füße, warfen sie auf ihre eigenen Schlitten und führten das ganze adelige Lumpaken-Pack zum Kreisamt nach Kolomea, wo ich bei zwanzig Edelleute, ihr Geld, ihre Uhren und Ringe, Alles, wie es sich gehört, ablieferte. O! das waren schöne Tage, Herr! Ein Krieg des armen Menschen gegen seine Unterdrücker, und überall eine heilige Ordnung, unsere Wachen auf allen Kreuzwegen, Bauern in zerrissenen Leinwandröcken traten in das Kreisamt und zogen Tausende aus der Brust und legten sie dort treulich hin. Wir ließen auf uns schießen und entwaffneten dann die Herren, und Jeder hätte sein Blut hergegeben, Jeder meinte damals jetzt müßte jeder Unterschied aufhören, ein Mensch frei sein wie der andere, Alle gleich! Alle gleich! Dann begannen im Westen die polnischen Bauern zu morden, viel Kriegsvolk rückte in das Land. Alles kam anders, als man es erwartet. Nun aber zwei Jahre später wurde doch die Unterthänigkeit aufgehoben und die Robot und jetzt ist der Bauer ein freier Mann.«
»Was geschah mit eurem Grundherrn?« fragte ich.
»Er kam auf die Festung in Ketten,« rief Kolanko, »sein Weibchen tröstete sich mit einem Nachbaren, bis er im achtundvierzigsten Jahre wieder losgelassen wurde mit allen anderen polnischen Rebellen.«
»Ich nahm zur Zeit meine zweite Capitulation,« sagte Balaban, »und ging zum Regiment. Wir rückten dann in den ungarischen Krieg, im Winter die Karpathen herab, bei Kaschau war eine Schlacht und bei Tarczal, bei Kapulna eine große Schlacht, die wir gewannen und bei Iszeszeg. Dann mußten wir zurück, ein starker Winter kam über uns, die Leute blieben am Wege liegen, erfroren, lagen da lächelnd und schliefen ein. Dann jagten wir wieder die Magyaren bis der Kossuth aus Ungarn floh wie ein Eichkatzel aus dem Walde.
Merkwürdige Zeiten, Herr! Da fielen die Leute, einer nach dem andern, den traf die Kugel, jenen ein Säbel, mancher ertrank oder starb am Wege, nachdem er sein Säckchen mit heimathlicher Erde aus der Brust gezogen und geküßt und Jeder lebte gerne; nur ich nicht und an mir ging Alles vorbei. Da zweifelte ich an Allem so. Wo war da eine Gerechtigkeit? – Dann kam ich zurück als verabschiedeter Soldat, da mein Vater todt war.«
»Nicht ihretwegen?«
»Wie?« entgegnete Balaban, die Achseln zuckend. »Ich ein verabschiedeter Soldat und sie eine Dame! Ich kam also zurück. Mein Vater war todt. Auch meine Mutter. Ich war allein. Der Grund war frei, aber Alles verkauft bis auf die Hütte und ein paar Obstbäume. Nun wie gefällt euch das? – Ach! was war da zu machen!
Ich hatte immer eine Vorliebe für das Thierreich und schöne Zucht, so ging ich denn den Bienen nach, studirte ihre Manieren und legte mir einen schönen Bienengarten an, beim Hause; Ihr kennt ihn ja; zog mir dann zwei große Hunde auf, wahre Wölfe, der Vater war auch ein wirklicher Wolf, ich habe ihn gekannt – schöne Hunde, so grau mit Augen, die Nachts wie Feuerbrände sprühen, nun, ihr kennt sie ja, und übernahm das Amt eines Feldhüters bei der Gemeinde. Auch einen Kater,« der Capitulant lächelte, wie es jeder galizische Bauer zu thun pflegt, wenn er von Katzen spricht; »ich habe das Vieh aus dem Wasser gezogen, nun ihr kennt ja meinen Maciek.«
»Die Hunde solltet Ihr sehen, Herr,« bemerke mit stiller, neidischer Bewunderung der Pappendeckelmann.
»Nun, er verdient sie, der Capitulant,« rief Kolanko. »So ein Feldhüter war noch nicht da wie er. Die Gemeinde kann Gott danken.«
»Ich bitte euch,« sprach der Capitulant ablehnend, »incommodirt den Herrn nicht mit solchen СКАЧАТЬ