Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme
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Читать онлайн книгу Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme - Jodocus Temme страница 54

Название: Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme

Автор: Jodocus Temme

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027238149

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СКАЧАТЬ erhob mich langsam und verließ schweigend den Saal. Ich sah mich nach keinem von ihnen mehr um.

      So begab ich mich auf mein Zimmer.

      Was nun weiter?

      Der Elende war der Verräter, der Heuchler. Der Heuchler war er vielleicht schon immer gewesen. Nur die stärksten, die edelsten Charaktere können der Unwahrheit widerstehen, mit welcher Ehrgeiz nur zu gern sich umgibt. Der Weg der Unwahrheit ist der zur Ehrlosigkeit.

      Aber was nun weiter mit ihm?

      Er hatte mein braves Weib verdorben, meine Ehre vernichtet.

      Mein erster Gedanke war sein Blut.

      Ich musste lange mit mir kämpfen, um zu der Einsicht zu gelangen, dass Rache nie die Genugtuung eines Mannes sein dürfe, dem die innere Ehre durch keinen äußern Angriff verletzt werden kann.

      Ich vermochte auf jede Rache zu verzichten, es war ein schwerer Sieg, den ich über mich gewann.

      Ich wartete in meinem Zimmer, bis unten das Nachtessen zu Ende war, bis ich einzelne der Herren herauskommen und in ihre Zimmer gehen hörte. Dann schickte ich den Kellner zu Schilden und ließ ihn bitten, zu mir zu kommen. Ich war begierig, ob er kommen werde; kam er nicht, so wollte ich zu ihm gehen; wollte er mich nicht zu sich einlassen, dann verdiente seine Feigheit eine Züchtigung.

      Er kam.

      Ich empfing ihn mit vollkommener Ruhe. Nicht mit Kaltblütigkeit; das Blut kochte in mir. Aber der Himmel hatte mir eine fast wunderbare Kraft gegeben, mich zu beherrschen. Sie war mir ein Zeichen, wie sehr ich den rechten Weg gegen den Elenden eingeschlagen habe.

      Er trat mit blassem Gesichte, mit unsicherem Blick zu mir ein. Er wollte sich Mut machen, er vermochte es nicht. Die vollste Feigheit hatte ihn zu mir geführt, die Feigheit des schlechten Gewissens, das Bewusstsein der eigenen Niederträchtigkeit, die zu gar nichts mehr Mut hat, nicht zum Widerstehen, nicht einmal zum Fliehen, die nur noch dies Resignation hat, alles über sich ergehen zu lassen, was kommen wird, damit es nur so bald wie möglich zu Ende sei.

      Ich musste ihn darauf ansehen, lange, schweigend.

      Er konnte meinen Blick, die Stille nicht ertragen, der Elende.

      ‚Was wolltest Du von mir?‘ sprach er mit zitternder, kaum hörbarer Stimme.

      ‚Hast Du meine Frau verführt?‘ fragte ich ihn.

      Ich war unwillkürlich näher an ihn herangetreten.

      Er wich in seiner Feigheit an die Tür zurück.

      Ich konnte ein Lächeln der Verachtung für ihn haben.

      ‚Fürchte Dich nicht, Schilden. Aber antworte mir!‘

      Er konnte nicht sprechen.

      ‚Wenn Du mir nicht antwortest‘, fuhr ich fort, ‚oder wenn Du lügst, dann fürchte mich.‘

      ‚Ja!‘ presste er heraus.

      ‚Du bist also der Verführer des armen Weibes?‘

      ‚Ich sagte es Dir.‘

      ‚Hast Du für sie gesorgt? Vielleicht auch für ihr Kind?‘

      ‚Sie wollte nichts von mir annehmen.‘

      ‚Hat sie ein Kind?‘

      ‚Ja.‘

      Ich hatte keine Frage weiter an ihn; ich war also mit ihm fertig.

      Aber es zuckte unwillkürlich in mir, ihn zu züchtigen.

      Meine Hand erhob sich nach ihm, nach seinem von der Furcht fast verzerrten Gesichte.

      Ich überwand auch das.

      Er war mir zu verächtlich. Der Büttel züchtigt den Ehrlosen.

      ‚Geh!‘ sagte ich.

      Er ging.

      Draußen mochte es ihm leichter werden.

      Ich konnte seit langer Zeit zum ersten Male wieder aus freierer Brust aufatmen. Ich war in keiner Ungewissheit mehr. Ich hatte den schwersten Sieg meines Lebens erkämpft. Ein tiefer und schneidender Schmerz war allerdings in meiner Brust zurückgeblieben; ich konnte ihm gebieten, dass er nicht die Herrschaft über mich gewann.

      Das Andenken an den Verräter habe ich aus meinem Herzen reißen können Ich habe einen Feind voll des giftigsten, tödlichsten Hasses an ihm erworben; aber was kümmert mich das?

      Meine Fran, wie hatte ich sie geliebt! Wie sie mich! Zeigten nicht jene Zeilen an mich, dass sie mich noch liebt? Und welche entsetzlichen Künste der Verführung, des Verrats hatte der Schurke anwenden müssen, um das arme Weib zu verderben! Aber an meiner Seite durfte sie nicht wieder leben. Ich durfte mich andererseits nicht gerichtlich von ihr scheiden lassen. Kein Mensch außer den drei Beteiligten kannte meine Schande. Ein Scheidungsprozess hätte sie der Welt geoffenbart.

      Wir durften uns nur nicht wiedersehen, nie wieder eine Gemeinschaft miteinander haben. Das war klare, volle, feste Überzeugung in mir. Aber sie konnte das Andenken an die Arme, an die, deren Liebe mein Leben gewesen war, nicht aus meiner Brust verbannen.

      Eine Freude, eine Hoffnung kam wieder in mein Herz, als Napoleon von Elba entwichen war, als der König seine Landwehren zum zweiten Male unter die Fahnen rief. In der Stunde des Aufrufs eilte ich zu meinem Regimente. Ich hoffte in dem Kampfe für den König und das Vaterland einen ehrenvollen Tod zu finden.

      Du weißt, wie es anders kam. Die erste Kugel, die mich traf, zerschmetterte mir nur den Fuß, machte mich kampfunfähig für die schnell folgenden Schlachten.

      Und nun, Franz, warum ich nach Göttingen gekommen bin, Gisbert Aschen aufsuche.

      Meine Frau sollte mit ihrem Kinde nicht der Not anheimfallen. War sie zu stolz gewesen, von dem Verräter eine Unterstützung anzunehmen, hatte ich auch nicht den Versuch machen dürfen, ihr meine Hilfe anzubieten, so war es mir um desto mehr eine Herzenspflicht, nach meinem Tode für sie zu sorgen. Ich musste mich dazu jemand anvertrauen. Es war unser Freund und Kamerad Aschen, dem ich mich entdeckte, wenige Tage vor der Schlacht von Ligny. Er — er konnte in den Kämpfen, die uns bevorstanden, fallen wie ich — so schrieb er an seinen Onkel, den Domherrn von Aschen.

      Der Domherr von Aschen hatte sich darauf sofort meiner Frau angenommen und sie untergebracht. Er hatte es bald nach der Beendigung des kurzen Feldzugs an Gisbert geschrieben; Gisbert teilte es mir mit. Seitdem habe ich nichts wieder von der Unglücklichen gehört. Ich konnte zuletzt der Sehnsucht nicht widerstehen, Nachricht von ihr zu erhalten. Den Ort, wo er sie untergebracht, hatte der Onkel Gisberts nicht genannt. Ich hätte ohne hin nicht zu ihr reisen dürfen. So nahm ich Urlaub — nach Minden war ich seit jener Begegnung mit Schilden nicht zurückgekehrt; ich ließ mich an die entlegenste Regierung des Staates, nach Gumbinnen versetzen — von dort reiste ich hierher, um durch Gisbert von seinem Onkel Nachricht über meine Frau zu erhalten und zugleich den treuen Freund wiederzusehen. Und ich treffe auch Dich hier, Du braver Franz, und ich wollte, Du könntest mit mir fühlen, wie mir wieder eine Last vom Herzen gefallen ist, nachdem ich auch dem zweiten Freunde, den ich liebe wie den ersten, mich entdecken und auch in seinen Augen habe СКАЧАТЬ