Das Erbe der Macht - Band 22: Königsblut. Andreas Suchanek
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      »Bist du hier, Jules?«, fragte Tomoe.

      Doch wie immer antwortete ihr nur die Stille.

      Sie führte ihre Suche fort, öffnete weitere Siegel und arbeitete sich voran. Sitting Bull hatte sie erstmals auf die weite Ebene der Ahnen geführt, wo die Abdrücke all jener Häuptlinge zu finden waren, die einst gelebt hatten. Ein wenig Rauch aus seiner Pfeife genügte, und sie war eingetaucht. Letztlich hatte es sich bei dieser Ebene nur um eine Facette der Traumebene gehandelt, wie Tomoe in kürzester Zeit feststellte. Dank eines kleinen Lederbeutels voller Kräuter konnte sie die Traumebene weiter aufsuchen, zumindest, bis der Inhalt aufgebraucht war.

      Der alte Häuptling hatte ihr mit klaren Worten zu verstehen gegeben, dass sie den ersten Seher von Camelot und den letzten Seher vor dem Wall finden musste. Doch wie sollte das gehen? Die Spur des alten Königreichs verlor sich in den Zeilen mystischer Texte, von einem Seher hatte sie nie etwas gewusst.

      Die Stunden verstrichen und Tomoe vergrub sich in Zeilen, die selbst von den Unsterblichen vergessen worden waren. Untergegangenen Reichen wurde mit Worten neues Leben eingehaucht, Schicksale erfüllten sich zwischen fein geschwungener Schrift und verblichenem Papier.

      Da die Zeit an diesem Ort anders verging, musste sie sich nicht hetzen. Stattdessen las sie konzentriert, um auch ja keinen Hinweis zu übersehen. Immerhin ging es um nicht weniger als das Schicksal der magischen Welt. Wollten sie Merlin besiegen, benötigen sie eine Waffe, die weitaus mächtiger war als jeder Köcher in ihrem Arsenal.

      Doch wo fanden sie etwas so Gewaltiges, dass es die Macht des Walls brechen konnte? Wie gelang es, die anderen Unsterblichen zu befreien und Merlin von seinem selbst geschaffenen Thron zu stoßen? Und das, ohne seine Jünger zuvor auszuschalten, denn diese waren ihm durch dunkle Magie hörig. Opfer ihrer eigenen Sehnsüchte, die nie erfüllt worden waren, aneinandergekettet durch Glieder, die sie selbst geschmiedet hatten.

      Tomoe brach ein weiteres Wachssiegel.

      Ihre eigene Geschichte, ihr Weg, hatte sie durch Splitterreiche und Zeiten geführt, an verborgene Orte und in gewaltige Schlachten. Grausame Magie war vor ihren Augen gewirkt worden, doch ebenso hatten simple Maschinen millionenfachen Tod in Weltkriegen gebracht.

      Ein Geräusch ließ sie aufblicken. Ihre alten Sinne, mochte sie auch viele Jahre nicht gekämpft haben, waren noch immer da. Möglicherweise ein wenig eingerostet, doch nicht gänzlich tot.

      Sie spähte zwischen den Regalreihen hindurch, doch da war nichts. Das Echo eines anderen Traumes möglicherweise? Tomoe nahm wieder Platz und führte ihre Suche fort. Gefühlt verstrichen Stunden, vielleicht Tage, doch sie gab nicht auf. Und schließlich fand sie einen Hinweis. Worte, geschrieben von einer Frau, deren Spur sich in den Jahrhunderten verloren hatte. Ein Zauber, der den Weg weisen konnte.

      Mit höchster Konzentration verinnerlichte Tomoe jedes Wort, wohl wissend, dass sie sich nach ihrem Erwachen alles ins Gedächtnis zurückrufen musste. Andernfalls würde sie es vergessen.

      Sie erhob sich, atmete tief durch und leitete das Erwachen ein. Blinzelnd kehrte sie zurück in die Wirklichkeit.

      Das Erste, was sie sah, war Blut.

      »Bedauerlicherweise war es knapp«, sagte jemand. »Sie waren gut, ich dagegen eingerostet.«

      In einer fließenden Bewegung kam Tomoe auf die Beine, tauchte zur Seite weg und hob die Hände.

      »Ein Danke reicht völlig.« Anne Bonny bedachte die Toten mit einem Blick, in dem eine Mischung aus Bedauern und Zufriedenheit über ihren Sieg lag.

      »Du bist nicht hier, um mich zu töten.« Tomoe ließ ihre Arme sinken.

      »Wenn es so wäre, hätte ich dir genug Zeit gelassen, vollständig zu erwachen, und dich im selben Augenblick erledigt.«

      »Für eine Piratin ist das überraschend viel Ehrgefühl.«

      Anne gab einen abschätzigen Laut von sich. »Was weißt du schon von Piraten? Hinter diesem Wort verbergen sich mehr Facetten, als du ahnen kannst.«

      »Warum bist du hier?«

      Anne trug ihre typischen Lederhosen, darüber eine weiße Bluse, an den Füßen Boots. Das braune Haar lag nicht mehr in Locken auf ihren Schultern, stattdessen hatte sie es mit einem Band zu einem Zopf geformt. »Dich retten. Antworten finden. Merlin besiegen.«

      Die Worte überraschten Tomoe. »Hat er dich nicht im Castillo eingeschleust?«

      »Es ist nicht so, als hätte ich eine Wahl gehabt.« Anne zuckte mit den Schultern.

      »Eine Warnung wäre nett gewesen.«

      »Wie ich bereits sagte: Du hast keine Ahnung.«

      »Und jetzt soll ich dir einfach so vertrauen?« Tomoe hielt sich bereit, jederzeit auf einen Angriff zu reagieren.

      »Zumindest habe ich genug Punkte auf dem Konto, damit du mir zuhörst. Oder war das dein Leben nicht wert?« Anne ließ ihren Blick über die Toten schweifen.

      »Aber nicht hier.«

      »Merlin wird Ersatz schicken.« Anne erhob sich. »Verschwinden wir. Ich habe eine Menge zu erzählen. Und du hoffentlich auch.«

      Tomoe wartete, bis Anne die Tür erreicht hatte, erst dann folgte sie ihr. Aus dem Augenwinkel erkannte sie die blicklos ins Leere starrenden Augen eines vertrauten Gesichts. Ein weiterer ehemaliger Lichtkämpfer war gefallen. Der Schmerz war längst einem dumpfen Bedauern gewichen, gepaart mit dem Wissen, dass es keinen anderen Weg gab, sollten sie ihn nicht bald neu entdecken.

      Tomoe spürte die Blicke der Toten in ihrem Rücken, als sie gemeinsam mit Anne das Gebäude verließ.

      Es war knapp.« Jen ließ ihren Blick über die neue Umgebung schweifen. »Beinahe hätte Tilda es nicht zurückgeschafft.«

      Alex stand neben ihr auf den Zinnen der Zuflucht, gekleidet in Hoodie und Jeans, das Haar vom Wind zerzaust. »Annora ist so was von wütend, das kannst du dir nicht vorstellen. Sie hat Tilda angebrüllt, bis die in Tränen ausgebrochen ist.«

      »Es liegen bei jedem die Nerven blank.«

      Von Brasilien aus waren sie in irgendeiner Wüste gelandet, von dort war es weitergegangen an den Rand eines Meeres, wieder in einen Wald und schließlich hierher.

      »Von Thunebeck will seine Apparatur morgen Früh in Gang setzen«, erklärte Alex. »Damit können wir vorausberechnen, wann der nächste Sprung erfolgt.«

      Einstweilen funktionierte die transzendente Apparatur und es gab ausreichend Noxanith-Pulver, damit die Zuflucht ständig zwischen verschiedenen Punkten hin- und herspringen konnte. Merlin vermochte sie auf diese Art nicht zu finden.

      »Sobald sich der nächste Sprung vorausberechnen lässt, können wir auch wieder Einsätze durchführen«, schloss Jen.

      Alex trat auf sie zu, zog sie in seine Arme und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. Unweigerlich überzog ein Lächeln Jens Gesicht. Was mit der Welt auch geschah, sie fühlte sich bei ihm geborgen. Umgekehrt war dies ebenso. Was auch sonst passierte, sie hatten stets einander. СКАЧАТЬ