Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788026884484
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Wir mußten etwa bis in die Route der Transpazifik-Linie gekommen sein, und als der Taifun nachließ, befanden wir uns zur Überraschung der Jäger inmitten einer großen Robbenherde - einer Art Nachhut, wie sie erklärten, etwas sehr Seltenes. Und die Folge war, daß den ganzen Tag die Büchsen knallten und die Tiere mitleidlos abgeschlachtet wurden.
Gegen Abend näherte Leach sich mir. Ich war gerade damit fertig, die Häute zu zählen, die das letzte Boot an Bord gebracht hatte, als er in der Dunkelheit neben mich trat und leise fragte: „Herr van Weyden, können Sie mir sagen, wie weit wir von der Küste entfernt sind und in welcher Richtung Yokohama liegt?"
Mein Herz hüpfte vor Freude, denn ich wußte, was er vorhatte, und ich gab ihm die Richtung an: „Fünfhundert Meilen Westnordwest."
„Danke!" Mehr sagte er nicht, und dann schlüpfte er wieder ins Dunkel zurück.
Am nächsten Morgen wurde Boot drei mit Johnson und Leach vermißt. Gleichzeitig fehlten die Wasserfässer und Eßkisten aller anderen Boote und Bettzeug und Seesäcke der beiden Männer. Wolf Larsen raste. Er setzte Segel und fuhr nach Westnordwest, immer zwei Jäger im Ausguck, während er selbst wie ein zorniger Löwe auf Deck auf und ab schritt. Er kannte meine Sympathie für die Flüchtlinge zu gut, als daß er mich in den Ausguck geschickt hätte.
Der Wind war günstig, wenn auch unbeständig, aber mir schien, daß man ebensogut eine Stecknadel in einem Heuschober wie das winzige Boot in dieser blauen Unendlichkeit hätte suchen können. Er holte jedoch alles aus der Ghost heraus, um die Flüchtlinge vom Land abzuschneiden, und als er das erreicht zu haben meinte, kreuzte er hin und her in der Überzeugung, irgendwo auf sie zu stoßen.
Am dritten Morgen, kurz vor acht, rief Smoke vom Mastherab, daß das Boot in Sicht sei. Alles stürzte an die Reling. Eine scharfe Brise wehte aus West, und es schien noch mehr Wind aufzukommen. Und dort, in Lee, in dem bewegten Silberschein der aufgehenden Sonne, kam und ging ein schwärzer Fleck.
Wir braßten vierkant und fuhren auf ihn zu. Mein Herz war schwer wie Blei. Schlimme Ahnungen machten mich krank, und als ich den Triumph in Wolf Larsens Augen schimmern sah, drehte sich alles vor mir, und ich fühlte den fast unwiderstehlichen Drang, mich auf ihn zu stürzen. Ich weiß, daß ich in halber Betäubung ins Zwischendeck schlüpfte und gerade mit einer geladenen Büchse in der Hand wieder hinaufsteigen wollte, als ich den erstaunten Ruf hörte: „Es sind fünf Mann im Boot!"
Da versagten mir die Knie, und ich sank zu Boden. Ich war wieder zu mir gekommen, aber mich erschütterte das Bewußtsein dessen, was ich fast getan hätte. Mit großer Erleichterung stellte ich das Gewehr wieder an seinen Platz und schlich mich an Deck zurück. Niemand hatte meine Abwesenheit bemerkt. Das Boot war jetzt nahe genug, um uns erkennen zu lassen, daß es größer als die üblichen Robbenfängerboote und von einem andern Typ war. Als wir uns näherten, wurde das Segel eingeholt und der Mast umgelegt. Riemen kamen zum Vorschein, und die Leute warteten offenbar, daß wir beidrehen und sie an Bord nehmen sollten. Smoke, der auf das Deck herabgestiegen war und jetzt neben mir stand, begann bedeutungsvoll zu kichern. Ich blickte ihn fragend an.
„Bunte Gesellschaft", gluckste er.
„Was ist los?" fragte ich.
Er gluckste wieder. „Sehen Sie nicht, dort unter dem Heckschot am Boden? Ich will nie wieder eine Robbe schießen, wenn das nicht eine Frau ist!"
Ich blickte näher hin, konnte jedoch nichts Genaues erkennen. Da ertönten von allen Seiten erstaunte Ausrufe. Im Boot befanden sich vier Männer, der fünfte Insasse aber war zweifellos eine Frau. Wir befanden uns in einer ungeheuren Aufregung - wir alle, außer Wolf Larsen, der offensichtlich enttäuscht war, daß er nicht sein eigenes Boot vor sich hatte.
Nach einigen Schlägen war das Boot längsseits. Jetzt erblickte ich die Frau zum erstenmal. Sie war in einen langen Überzieher gehüllt, denn der Morgen war rauh, und ich konnte nichts von ihr sehen als ihr Gesicht und eine Fülle hellbraunen Haares, das unter dem Südwester, den sie auf dem Kopfe trug, hervorquoll. Die Augen waren groß, braun und strahlend, der Mund voll und das Antlitz selbst ein zartes Oval, das die Sonne und der salzige Wind jetzt allerdings rot gebrannt hatten.
Sie erschien mir wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Ich spürte, daß mich nach ihr verlangte wie den Hungernden nach Brot. Hatte ich doch so lange, lange keine Frau mehr gesehen! Ich weiß, ich verlor mich so sehr in Bewunderung, fast in Betäubung, daß ich mich selbst und meine Pflichten als Steuermann vergaß und mich nicht daran beteiligte, den Bootsinsassen an Bord zu helfen. Als einer der Matrosen sie in die herabgestreckten Arme Wolf Larsens hob, blickte sie in unsere neugierigen Gesichter und lächelte, wie nur eine Frau lächeln kann und wie ich so lange niemand hatte lächeln sehen.
„Herr van Weyden!"
Die scharfe Stimme Wolf Larsens brachte mich wieder zu mir.
„Wollen Sie die Dame nach unten bringen und für ihre Bequemlichkeit sorgen. Setzen Sie die freie Backbordkajüte instand. Lassen Sie es Köchlein tun. Und sehen Sie, was Sie für ihr Gesicht tun können. Es ist arg verbrannt."
Er machte kurz kehrt und begann die Männer zu verhören. Ich fühlte eine seltsame Befangenheit dieser Frau gegenüber, die ich jetzt nach achtern brachte. Ich war feige. Zum erstenmal wurde ich gewahr, was für ein zartes, gebrechliches Geschöpf eine Frau ist, und als ich ihren Arm faßte, um ihr die Kajütstreppe hinunterzuhelfen, erschrak ich über ihre Zierlichkeit und Zartheit. Sie war in der Tat eine besonders schlanke, zarte Frau, mir erschien sie jedenfalls so ätherisch, daß ich fast erwartete, ihren Arm unter meinem Griff zerbrechen zu fühlen. Dies ist nach so langer Zeit ein offenes Bekenntnis meines ersten Eindrucks von der Frau im allgemeinen und Maud Brewster im besonderen.
„Sie brauchen sich wirklich nicht so zu bemühen", protestierte sie, als ich sie in Wolf Larsens Lehnstuhl setzte, den ich schnell aus seiner Kajüte geholt hatte. „Die Leute haben schon die ganze Zeit nach Land ausgeschaut, und wir müssen es ja noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. Meinen Sie nicht?"
Ihre Zuversicht schreckte mich. Wie sollte ich ihr die Situation und den seltsamen Mann erklären, der wie das Schicksal das Meer abschritt - all das, was zu begreifen mich Monate gekostet hatte? Aber ich antwortete ihr ehrlich: „Wäre es ein anderer Kapitän, so würde ich sagen, daß Sie morgen in Yokohama wären. Unser Kapitän aber ist ein merkwürdiger Mann, und ich bitte Sie, auf alles vorbereitet zu sein - verstehen Sie mich? Auf alles!"
„Ich - ich gestehe, daß ich nicht recht begreife", sagte sie zögernd, mit einem unruhigen, aber nicht ängstlichen Ausdruck in den Augen. „Oder irre ich mich, daß Schiffbrüchige stets auf das größte Entgegenkommen rechnen können? Es handelt sich ja nur um eine Kleinigkeit, da wir so nahe an Land sind."
„Offen gestanden, ich weiß es nicht", brachte ich mit einiger Mühe hervor. „Aber ich möchte Sie auf das Schlimmste vorbereiten für den Fall, daß das Schlimmste kommen sollte. Dieser Mann, der Kapitän, ist ein Scheusal, ein Dämon, und man kann nie wissen, welche irrwitzige Handlung er im nächsten Augenblick begeht." Ich hatte mich warm geredet, aber sie unterbrach mich mit einem „Oh, ich verstehe", und ihre Stimme klang müde, und sie war nahe daran zusammenzubrechen.
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