Der Pilger Kamanita: Ein Legendenroman. Karl Gjellerup
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Название: Der Pilger Kamanita: Ein Legendenroman

Автор: Karl Gjellerup

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066118839

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СКАЧАТЬ ich auf und verbeugte mich tief vor ihm, während er mit ziemlich barscher Stimme fragte, was dies unglaubliche Betragen bedeuten sollte--ich hätte ihm sofort zu folgen.

      Nun wollte ich anfangen, von meinem noch immer unbeendigten Geschäft zu reden, aber er unterbrach mich gebieterisch:

      "Ach was, Geschäft! Laß es mit der Lüge jetzt genug sein. Ich sollte wohl wissen, was für Geschäfte im Gange sind, wenn ein junger Fant plötzlich eine Stadt nicht verlassen kann, selbst wenn ich nicht gesehen hätte, daß deine Ochsenkarren vorgespannt und beladen im Hofe halten."

      Da stand ich nun blutrot und zitternd als ein vollkommen Ertappter. Als er mich aber ihm augenblicklich zu folgen hieß, da schon ohnehin zu viel der kostbaren kühlen Tageszeit verloren gegangen sei, stieß er bei mir auf einen Widerstand, mit dem er offenbar nicht gerechnet hatte. Vom befehlenden Ton ging er zum drohenden, von diesem zuletzt zum bittenden über. Er erinnerte mich daran, wie meine Eltern sich nur deshalb entschlossen hätten, mich auf eine so weite Reise zu schicken, weil sie gewußt, daß ich sie in seiner Begleitung und unter seinem Schutze hin und zurück machen könnte.

      Er hätte aber keinen für seinen Zweck weniger geeigneten Grund ins Feld führen können. Denn ich sagte mir sofort: dann würde ich ja auch wohl warten müssen, bis wieder einmal eine Gesandtschaft nach Kosambi ginge, bevor ich zu meiner Vasitthi zurückkehren könnte! Nein, ich wollte meinem Vater schon zeigen, daß ich wohl imstande sei, allein eine Karawane durch alle Beschwerlichkeiten und Gefahren des Weges zu leiten.

      Diese Gefahren schilderte mir der Gesandte nun zwar drohend genug, aber das alles war in den Wind gesprochen. Endlich verließ er mich in großem Zorn: ihn treffe keine Schuld, ich müsse jetzt selber meine Torheit ausbaden.

      Mir war es, als ob eine große Last von mir genommen wäre. Ich hatte mich ja jetzt so ganz meiner Liebe hingegeben. In diesem süßen Bewußtsein schlief ich fest ein und erwachte erst, als es Zeit war, sich nach der Terrasse zu begeben, wo unsere Geliebten unser harrten.

      Nacht um Nacht trafen wir uns nun dort, und bei jeder Begegnung entdeckten wir neue Schätze in unserer gegenseitigen Neigung und trugen eine noch größere Sehnsucht nach dem Wiedersehen von dannen. Das Mondlicht wollte mir silberner erscheinen, der Marmor kühler, der Duft der Doppeljasminen berauschender, der Ruf der Kokila liebestrunkener, das Rauschen der Palmen träumerischer und das unruhige Flüstern der Asokas noch verheißungsvoller, als diese Dinge sonstwo in der Welt sein mochten.

      O, wie deutlich besinne ich mich auf jene herrlichen Asokas, die längs der ganzen Terrasse standen, und unter denen wir so oft gewandelt sind, uns mit den Armen umschlungen haltend! "Die Terrasse der Sorgenlosen" wurde sie nach diesen Bäumen genannt, denn "den sorgenlosen Baum" und auch "Herzensfrieden" nennen ja die Dichter den Asoka, den ich nirgends so schön gewachsen gesehen habe wie gerade dort. Die speerförmigen, nimmer ruhigen Blätter glänzten in den Mondstrahlen und lispelten im leisen Nachtwinde, und zwischen ihnen glühten die goldigen, orangefarbenen und scharlachroten Blumen, obschon die Vasantazeit erst im Anzuge war. Aber wie sollten denn auch, o Bruder, diese Bäume dort nicht schon in voller Blütenpracht stehen, da der Asoka ja gleich seine Knospen öffnet, sobald der Fuß eines schönen Mädchens seine Wurzeln berührt!

      In einer wunderbaren Vollmondnacht--mir ist's, als sei es gestern gewesen--stand ich unter diesen Bäumen neben der holden Ursache ihrer Frühblüte, meiner lieblichen Vasitthi. Über den tiefen Schatten der Schlucht schauten wir weit hinaus ins Land, sahen die Silberbänder der beiden Flüsse sich durch die ungeheure Ebene winden und sich an der hochheiligen Stätte vereinigen, die sie die "Dreilocke" nennen, weil sie glauben, daß die himmlische Ganga als dritte sich dort mit ihnen verbinde. Diese zeigte mir aber Vasitthi über den Wipfeln der Bäume--denn mit diesem schönen Namen nennen sie ja hier das Himmelslicht, das wir im Süden als die Milchstraße kennen.

      Dann sprachen wir von dem mächtigen Himavat im Norden, aus dem die Ganga herflutete, dessen Schneegipfel die Wohnung der Götter, dessen unermeßliche Wälder und tiefe Felsenklüfte der Aufenthalt der großen Asketen waren. Noch lieber aber folgte ich der Jamuna aufwärts.

      "O," rief ich, "daß ich doch einen Märchennachen hätte, aus Perlmutterschale, von meinen Wünschen besegelt, von meinem Willen gelenkt, damit er uns jenen silbernen Strom hinauftragen könnte. Dann müßte sich die Ilfenstadt wieder aus ihren Trümmern erheben, und die ragenden Paläste würden vom Gelage der Zecher und vom Streit der Würfelspieler widerhallen. Der Sand Kurukschetras müßte seine Toten wiedergeben. Da würde der greise Bhishma, in silberner Rüstung und weißem Gelock auf hohem Wagen emporragend, seine glattröhrigen Pfeile über die Feinde regnen lassen; der tapfere Phagadatta würde auf seinem kampfwütigen, rüsselschwingenden Ilfenstier heranstürmen, der gewandte Krishna das weiße Viergespann Arjunas in das wildeste Kampfgetümmel hineinjagen. O, wie sehr habe ich den Gesandten um seine Zugehörigkeit zur Kriegerkaste beneidet, als er mir sagte, seine Vorfahren hätten an jener unvergeßlichen Schlacht teilgenommen! Aber das war töricht! Denn nicht nur im Geschlechte gibt es ja Vorfahren, sondern wir selber sind unsere eigenen Vorfahren. Wo war ich damals? Vielleicht eben dort, unter den Kämpfenden. Denn obwohl ich ein Kaufmannssohn bin, habe ich immer meine größte Freude an Waffenspielen gehabt, und ich darf wohl sagen, daß ich mit dem Degen in der Hand meinen Mann stelle."

      Vasitthi umarmte mich stürmisch und nannte mich ihren Helden: ich sei ganz gewiß einer jener Heroen, die in den Liedern leben. Welcher, könnten wir freilich nicht wissen, da durch diesen süßen Wohlgeruch der sorgenlosen Bäume der Duft des Korallenbaumes kaum zu uns dringen würde.

      Ich fragte sie, was denn das für ein Duft sei, denn davon hatte ich nie etwas gehört--wie ich denn überhaupt fand, daß, wie alles andere, auch das Märchen hier an der Ganga üppiger blühte als bei uns im Gebirge.

      Und sie erzählte mir, wie Krishna einst auf seinem Fluge durch Indras Welt im Kampfspiel den himmlischen Korallenbaum gewonnen und ihn in seinen Garten gepflanzt habe, einen Baum, dessen tiefrote Blüten weit in die Runde ihren Duft verbreiten. Und wer diesen Duft eingesogen habe, der erinnere sich in seinem Herzen langer, langer Vergangenheit, längst entschwundener Zeiten aus früheren Leben.

      "Aber nur die Heiligen können schon hier auf Erden diesen Duft einatmen," sagte sie und fügte fast schalkhaft hinzu: "und wir beide werden wohl keine werden. Aber was tut's? Wenn wir auch nicht Nala und Damayanti waren, so haben wir uns gewiß so lieb gehabt wie sie,--welche nun auch unsere Namen gewesen sein mögen. Und vielleicht sind Liebe und Treue das einzig Wirkliche, das Namen und Gestalten wechselt. Sie sind die Melodien, und wir die Lauten, auf denen sie gespielt werden. Die Laute zerbricht, und eine andere wird gestimmt; aber die Melodie bleibt dieselbe. Sie klingt freilich voller und feiner auf dem einen Instrument als auf dem anderen, wie ja auch meine neue Vina viel schöner tönt als die alte. Wir aber sind zwei herrliche Lauten für die Götter darauf zu spielen, die wonnigste aller Weisen darauf ertönen zu lassen."

      Ich drückte sie stumm an mich, innig ergriffen und verwundert ob solcher seltsamen Gedanken. Sie aber fügte mit leisem Lachen hinzu, indem sie wohl meine Gedanken erriet:

      "Freilich darf ich eigentlich nicht solche Gedanken haben, denn unser alter Hausbrahmane wurde einmal recht böse, als ich etwas Ähnliches verlauten ließ: ich solle nur zu Krishna beten und das Denken den Brahmanen überlassen. Da ich nun also nicht denken, wohl aber glauben darf, so will ich glauben, daß wir wirklich und wahrhaftig Nala und Damayanti waren."

      Und indem sie ihre Hände betend zum blütenschimmernden, blätterflimmernden Wipfel vor uns emporhob, sprach sie den Baum an mit den Worten, die Damayanti, im Walde umherirrend, an den Asoka richtet, nur daß die schmiegsamen Clokaverse des Dichters sich wie von selber auf ihren Lippen mehrten und reicher blühten, wie ein Schößling, der in geweihten Boden umgepflanzt ist:

      "Du Sorgenloser! der Wehklage lausche der sorgenvollen СКАЧАТЬ