Название: Der Pilger Kamanita: Ein Legendenroman
Автор: Karl Gjellerup
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4064066118839
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Die Stunden des folgenden Tages vergingen schnell mit den nötigen Reisevorbereitungen, so daß mir die Zeit, trotz meiner Sehnsucht, nicht allzu lang wurde. Als der Abend hereinbrach, standen die Karren beladen im Hof. Alles war zum Vorspannen bereit, um, sobald ich--noch vor Morgengrauen--erschien, aufbrechen zu können.
VI. AUF DER TERRASSE DER SORGENLOSEN
ls es nun völlig Nacht geworden war, begaben wir, Somadatta und ich, uns in dunkelfarbiger Kleidung, hoch aufgeschürzt, fest gegürtet und das Schwert in der Hand, nach der Westseite des palastartigen Hauses des reichen Goldschmiedes, wo sich die Terrasse über der steilen Felswand einer Schlucht befand. Mit Hilfe einer mitgebrachten Bambusstange erkletterten wir nun, die wenigen Vorsprünge geschickt benutzend, die in tiefen Schatten gehüllte Felsenwand, überstiegen dann mit Leichtigkeit die Mauer und befanden uns nun auf einer großen, mit Palmen, Asokabäumen und prächtigen Blumenpflanzen aller Art geschmückten Terrasse, die, in Mondlicht gebadet, sich vor uns ausbreitete.
Nicht weit von mir entfernt sah ich die der Lakshmi ähnliche Großäugige, die mit meinem Herzen Ball spielte, neben einem jungen Mädchen auf einer Ruhebank sitzen, und bei diesem Anblick fing ich an so heftig an allen Gliedern zu zittern, daß ich mich an die Brüstung lehnen mußte, deren marmorne Kälte meine in Feuersglut schon entschwindenden Sinne erfrischte und stärkte. Indessen war Somadatta auf seine Geliebte zugeeilt, die mit einem leisen Ruf aufgesprungen war.
Nun faßte ich mich denn auch so weit, daß ich mich der Unvergleichlichen nähern konnte, die, anscheinend überrascht durch die Ankunft eines Fremden, sich erhoben hatte und unschlüssig schien, ob sie bleiben oder gehen sollte, während sich ihr Auge, wie das der erschreckten jungen Antilope, wiederholt mit Seitenblicken aus dem äußersten Augenwinkel auf mich richtete, wobei sie wie eine vom leisen Winde geschaukelte Ranke bebte. Ich aber stand da in beständig wachsender Verwirrung, mit gesträubten Wangenhaaren und weit aufgeblühten Augen und konnte nur mühsam einige Worte von dem unverhofften Glück, sie hier zu treffen, hervorstammeln. Als sie aber meine große Zaghaftigkeit bemerkte, schien sie selber ruhiger zu werden. Sie setzte sich wieder auf die Bank und lud mich mit einer lässigen Bewegung ihrer Lotushand ein, neben ihr Platz zu nehmen, während sie mit einer Stimme, die sehr leicht und gar lieblich zitterte, mir versicherte, sie sei sehr glücklich über diese Gelegenheit, mir zu danken, weil ich ihr den Ball mit solcher Geschicklichkeit zurückgeworfen hätte, daß keine Störung im Spiel entstanden sei; denn wäre das geschehen, so würde ihr ganzes Verdienst dahin gewesen sein, und die von ihr ungeschickt verehrte Göttin hätte ihr gezürnt oder ihr wenigstens kein Glück geschenkt. Darauf antwortete ich, sie habe mir nicht zu danken, da ich höchstens das wieder gut gemacht hätte, was ich selber verfehlt; und als sie nicht verstand, wie ich das meinte, wagte ich sie daran zu erinnern, wie unsere Blicke sich begegnet hatten und sie darob verwirrt den Ball schief traf, so daß er ihr davonflog. Sie aber errötete heftig und wollte das durchaus nicht zugeben--was hätte sie denn auch dabei verwirren können?
"Ich denke," antwortete ich, "daß meine weit aufgeblühten Augen gleichsam einen solchen Duft von Bewunderung haben entströmen lassen, daß du dadurch einen Augenblick betäubt wurdest und mit der Hand daneben schlugst."
"Ei, was sprichst du mir da von Bewunderung," antwortete sie, "du bist ja gewohnt, in deiner Heimat noch viel geschicktere Spielerinnen zu sehen."
Aus dieser Äußerung entnahm ich mit Genugtuung, daß man sich über mich unterhalten hatte, und daß meine an Somadatta gerichteten Worte ihr getreulich mitgeteilt worden waren. Doch wurde mir auch heiß und kalt bei dem Gedanken, daß ich ja fast geringschätzig über sie gesprochen hatte, und ich beeilte mich, ihr zu versichern, daß daran kein wahres Wort gewesen wäre, und daß ich nur so gesprochen hätte, um nicht mein süßes Geheimnis dem Freunde preiszugeben. Das wollte sie aber nicht glauben, oder tat wenigstens so; und darüber vergaß ich dann glücklich meine ganze Schüchternheit, geriet in großen Eifer, um sie zu überzeugen, und erzählte ihr, wie bei ihrem Anblick der Liebesgott seine Blumenpfeile auf mich hatte regnen lassen. Ich sei überzeugt, daß sie in einem früheren Leben meine Frau gewesen sei, denn woher käme wohl sonst eine so plötzliche und unwiderstehliche Liebe? Wenn dem aber so sei, dann müsse doch auch sie in mir ihren ehemaligen Gemahl erkannt haben, und es müsse auch bei ihr eine solche Liebe entstanden sein.
Mit solchen dreisten Worten drang ich ungestüm auf sie ein, bis sie endlich ihre glühende, tränenperlende Wange an meiner Brust verbarg und mir in kaum hörbaren Worten gestand, daß es ihr ebenso gegangen sei wie mir, und daß sie gewiß gestorben wäre, wenn ihre Milchschwester ihr nicht noch rechtzeitig das Bild gebracht hätte.
Dann küßten und herzten wir uns unzählige Male und meinten vor Wonne vergehen zu müssen, bis plötzlich der Gedanke an meine unmittelbar bevorstehende Abreise wie ein schwarzer Schatten über meine Fröhlichkeit fiel und mir einen tiefen Seufzer erpreßte.
Erschrocken fragte Vasitthi, warum ich also seufzte. Als ich ihr aber dann den Grund nannte, sank sie wie ohnmächtig auf die Bank zurück, und brach in einen unerschöpflichen Tränenstrom und in herzzerreißendes Schluchzen aus. Vergeblich waren meine Versuche, die innig Geliebte zu trösten. Umsonst versicherte ich ihr, daß ich, sobald die Regenzeit vorüber sei, zurückkehren und sie dann nimmermehr verlassen wolle, wenn ich mich auch als Tagelöhner in Kosambi verdingen müsse.--In den Wind gesprochen waren alle Beteuerungen, daß meine Verzweiflung bei der Trennung nicht geringer sei als die ihre, und daß nur die harte, unerbittliche Notwendigkeit mich so bald von ihr wegrisse. Kaum daß sie unter Schluchzen ein paar Worte hervorbringen konnte, um zu fragen, warum es denn so notwendig sei, schon morgen, nachdem wir uns eben erst gefunden hätten, abzureisen--und als ich ihr dies dann sehr genau und umständlich erklärte, schien sie keine Silbe davon zu hören oder zu verstehen. O, sie sähe schon, daß ich mich danach sehne, nach meiner Vaterstadt zurückzukommen, wo es noch viel schönere Mädchen als sie gäbe, die auch viel besser Ball spielen könnten, wie ich es ja selber gesagt hätte!
Ich mochte sagen, beteuern und beschwören was ich wollte--sie blieb dabei, und immer reichlicher flossen ihre Tränen. Kann man sich wundern, daß ich bald darauf zu ihren Füßen lag, ihre schlaff herabhängende Hand mit Küssen und Tränen bedeckte und ihr versprach, nicht abzureisen? Und wer war dann seliger als ich, als Vasitthi mich nun mit ihren weichen Armen umschlang und mich wieder und wieder küßte und vor Freude lachte und weinte. Freilich sagte sie nun gleich: "Da siehst du, es ist gar nicht so notwendig, daß du schon wegreisest, denn dann müßtest du es ja unbedingt tun."--Als ich mich aber anschickte, ihr Alles noch einmal auseinanderzusetzen, schloß sie mir den Mund mit einem Kusse und sagte, sie wisse, daß ich sie liebe, und sie meine nicht wirklich, was sie von den Mädchen meiner Vaterstadt gesagt hätte. Unter zärtlichen Liebkosungen und traulichem Plaudern flogen die Stunden wie im Traume dahin, und es wäre kein Ende all der Seligkeit gewesen, wenn nicht plötzlich Somadatta mit Medini gekommen wäre, um uns zu sagen, daß es die höchste Zeit sei, an die Heimkehr zu denken.
In unserem Hofe fanden wir Alles zum Aufbruch bereit. Ich rief den Führer der Ochsenkarren und schickte ihn eiligst zum Gesandten mit dem Bescheid, daß mein Geschäft leider noch nicht völlig erledigt sei, und ich infolgedessen darauf verzichten müsse, die Heimreise unter dem Schutze der Gesandtschaft zu machen. Ich bat ihn nur, meinen Eltern einen Gruß zu bringen und empfahl mich seiner Gewogenheit.
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