Felicia betrachte sie.
»Sag mal, weißt du eigentlich, was mit dem Haus von Meinhards wird?« fragte Annette plötzlich.
Überrascht blickte Felicia ihre Schwester an. Sonst wußte sie doch eher als sie selbst, was sich in der Umgebung abspielte.
»Hast du denn nicht gehört, daß es verkauft worden ist?« fragte sie. »Seit acht Tagen wird es renoviert. Der Dirigent von Thalau bezieht es. Soviel ich weiß, haben es die Walthers vermittelt.«
»Du bist aber gut informiert«, meinte Annette verwirrt. Magnus von Thalau wurde also auch noch ihr Nachbar.
»Dr. Salchow hat es beiläufig erwähnt, als ich gestern bei ihm war.«
»Salchow? Du warst bei ihm?« Annette war erblaßt, aber dann kam es ihr in den Sinn, daß Felicia von gestern gesprochen hatte. Sie nahm sich zusammen. »Was wolltest du denn von ihm?« erkundigte sie sich beiläufig.
»Ich möchte verreisen und brauche zusätzlich Geld«, erklärte Felicia offen.
Annette war fassungslos. Felicia wollte verreisen. Das war noch nie der Fall gewesen. Sie fühlte sich plötzlich wieder ganz als ältere Schwester.
»Warum hast du nicht mit mir darüber gesprochen?« fragte sie unwillig. »Wohin willst du überhaupt fahren? Doch nicht etwa allein? Oder gar mit einem Mann?«
Felicia lachte spöttisch, und Annette stellte fest, daß ihre scheue kleine Schwester offenbar inzwischen ziemlich selbständig geworden war.
»Ich kenne gar keinen Mann. Nein, ich fahre mit einer alten Dame.«
Kurzentschlossen legte sie ihre Karten nun doch auf den Tisch und berichtete. Es trug allerdings nicht zu Annettes Beruhigung bei.
»Meinst du nicht, daß ich das Recht hätte, ausführlich unterrichtet zu werden«, ereiferte sich Annette. »Du bist jung und unerfahren. Ich möchte nicht, daß du dich ausnützen läßt, Fee.«
»Und du?« gab Felicia heftig zurück. »Fühlst du dich berechtigt, mir Vorschriften zu machen? Wozu brauchst du denn eine halbe Million?«
Sie wußte es also doch.
»Es ist mein Geld, nicht deines. Ich kann damit machen, was ich will. Und wenn es falsch ist, muß ich eben dafür bezahlen.«
Felicia überlegte. »Ließe es sich nicht korrigieren, Annette, wenn du tatsächlich etwas falsch gemacht hast?« fragte sie sanft.
Wortlos lief Annette aus dem Zimmer. Felicia wußte nicht mehr weiter. Sie hatte das Gefühl, daß ihre Schwester Hilfe brauchte. Aber wenn sie sich nicht helfen lassen wollte, konnte sie sich nicht aufdrängen.
*
Als Magnus von Thalau das Hotelappartement betrat, wußte er sofort, daß irgend etwas geschehen sein mußte. Almut kam ihm nicht wie sonst entgegen. Sie saß in einem Sessel am Fenster und machte einen verzweifelten Eindruck.
Jasmin kam ihm entgegen.
»Nun mal langsam, junge Dame«, scherzte er. »Zuerst möchte ich Mami begrüßen, und dann erzählst du mir noch einmal, was mit den Büchern ist.«
Er sah sie auf dem Tisch liegen, während er durch das Zimmer ging. Mit einem Blick erfaßte er, daß es Bücher waren, die nicht für Kinder geeignet waren, und die er selbst niemals kaufen würde.
Seine Lippen legten sich leicht auf Almuts Stirn, die kalt war wie ihre Hand, die er behutsam ergriff. Sie wollte sich zu einem Lächeln zwingen, aber es gelang ihr nicht.
»Warst du bei Professor Tuerer?« fragte er.
»Nein, Mami war nur in dem Buchladen«, mischte sich Jasmin ein. »Und da haben sie ihr die falschen eingepackt. Stell dir vor.« Sie war sichtlich empört darüber. »Tauschst du sie gleich um, Onkel Magnus?«
Er betrachtete die vier Bücher gedankenlos. »Eine recht bunte Auswahl«, meinte er belustigt. »Das Ende einer großen Liebe, Katharina die Große, ja, und was haben wir denn da? Das Amulett der Fatima Radamas?«
Er blätterte darin und war zu seiner Überraschung sofort gefangen. »Das scheinen mir eher Märchen für Erwachsene zu sein«, bemerkte er.
»Nicht auch für Kinder, Onkel Magnus?« fragte Jasmin eifrig.
»Vielleicht auch für Kinder. Ich werde es mir einmal ansehen. Aber jetzt werden wir erst die anderen Bücher umtauschen, damit du beruhigt bist, mein Schatz. Zieh dir die Schuhe an.«
Jasmin verschwand sofort in ihrem Zimmer. »Was ist los, Almut?« fragte Magnus ruhig. »Willst du es mir nicht sagen.«
»Er ist hier«, flüsterte sie, »er war in dem Geschäft. Ich habe seine Stimme gehört. Ganz dicht stand er hinter mir. Er hat mich bestimmt auch erkannt.«
Magnus von Thalau stutzte. »Und wenn schon«, meinte er trotzdem gleichmütig, »du brauchst doch keine Angst zu haben. Rede dir nichts ein.«
»Was sucht er hier?« fragte sie beklommen.
»Was weiß ich. Er ist doch ein Zigeuner. Ich glaube nicht, daß er. daran interessiert ist, dir noch einmal zu begegnen, Almut. Schlag dir das aus dem Kopf und mach dir nicht das Herz schwer. Es ist ein abgeschlossenes Kapitel.«
»Können wir jetzt gehen, Onkel Magnus?« rief Jasmin. »Sonst macht der Laden zu. Du bist sowieso später gekommen«, fügte sie vorwurfsvoll hinzu.
»Ich habe mir noch das Haus angesehen. Es ist bald soweit, daß wir einziehen können. Freut ihr euch schon?«
»Mächtig«, versicherte das Kind.
Almut sagte nichts, und so nahm Magnus seine kleine Nichte bei der Hand und gab ihrem Drängen nach.
»Du bist ja schon wieder da«, begrüßte Percy Renkins zur gleichen Zeit seinen Kumpan. »Hexen kann ich auch nicht. Die Schrift macht eine Mordsarbeit.«
»Ich muß verreisen«, erklärte Bob Webster überstürzt.
»Verreisen? Jetzt?« fragte Percy mißtrauisch. »Da stimmt doch etwas nicht.«
»Wie mißtrauisch du gleich bist«, meinte Bob beleidigt. »Dabei habe ich so viel Vertrauen zu dir, daß ich es dir überlasse, das Geschäft mit Annette abzuwickeln.«
»Ich?« fragte Percy gedehnt.
»Warum verdrückst du dich«, bohrte Percy. »Wann sehe ich dich wieder?«
»Ich gebe dir Bescheid, sobald ich meine Angelegenheiten erledigt habe. Staffier dich anständig aus, damit unser goldenes Huhn nicht argwöhnisch wird. Hier ist ihre Adresse. Wie du dich zu benehmen hast, brauche ich dir ja wohl nicht zu sagen. Und streng dich an, daß die Sache bald über die Bühne geht. So long, Percy! Wir sehen uns bald wieder.«
Percy Renkins war allein. Prüfend betrachtete er sein Werk, das schon weit gediehen war. »Wenn du mich übers Ohr hauen willst, Bob, wirst du dich täuschen«, brummte er vor sich hin. »Auf den Kopf gefallen ist Percy Renkins СКАЧАТЬ