Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3. Александр Дюма
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СКАЧАТЬ stieß einen Seufzer aus.

      In einem kurzen Zwischenraume, der nun eintrat, drangen die freudigen Schreie der Schüler, welche auf dem Schloßplatz spielten, bis zu den Ohren von Ange Pitou.

      Pitou stieß einen noch tieferen Seufzer aus.

      »Quid virtus, quid religio?« fragte der Abbé.

      Mit dem Nachdruck des Pädagogen ausgesprochen, erschollen diese Worte in den Ohren des armen Pitou wie der Trompetenstoß des Engels vom jüngsten Gericht. Eine Wolke zog vor seinem Auge hin, und es ging in seinem Verstande eine solche Anstrengung vor, daß er einen Augenblick die Möglichkeit, ein Narr zu werden, begriff.

      Infolge dieser Hirnarbeit, die, so gewaltig sie war, doch kein Resultat herbeiführte, ließ die verlangte Antwort unbestimmte Zeit auf sich warten; man hörte nun das gedehnte Geräusch einer Prise Tabak, welche langsam der furchtbare Frager schnupfte.

      Pitou sah wohl, daß er ein Ende machen mußte.

      »Nescio,« sagte er, in der Hoffnung, seine Unwissenheit würde ihm verziehen werden, wenn er sie in lateinischer Sprache gestände.

      »Du weißt nicht was die Tugend ist?« rief der Abbé, erstickend vor Zorn; »du weißt nicht, was die Religion ist?«

      »Ich weiß es wohl französisch,« erwiderte Ange, »aber ich weiß es nicht lateinisch.«

      »So gehe nach Arcadien, Juvenis, alles ist vorbei zwischen uns. Wicht!«

      Pitou war so niedergeschmettert, daß er nicht einen Schritt machte, um zu fliehen, obgleich der Abbé Fortier seine Geißel aus seinem Gürtel mit ebenso viel Würde gezogen hatte, als im Augenblick der Schlacht ein Heerführer sein Schwert aus der Scheide gezogen hätte.

      »Aber was soll aus mir werden?« fragte der arme Junge, indem er seine beiden Arme träge an seiner Seite hinabhängen ließ, »was soll aus mir werden, wenn ich die Hoffnung, in das Seminar einzutreten, verliere?«

      »Werde, was du kannst, das ist mir, bei Gott gleichgültig.«

      »Wissen Sie denn nicht, daß meine Tante glaubt, ich sei schon Abbé?«

      »Nun, sie wird erfahren, daß du nicht einmal zum Meßner taugst.«

      »Aber, Herr Fortier  . . .«

      »Ich sage dir, gehe Limina lingue.«

      »Auf denn!« sagte Pitou, wie ein Mensch, der einen schmerzlichen Entschluß faßt, aber ihn dennoch faßt.

      »Wollen Sie mir mein Pult lassen?« fragte Pitou, in der Hoffnung, während der kurzen Frist, die ihm gegönnt wäre, würde das Herz des Abbés Fortier zu mitleidigeren Gefühlen zurückkehren.

      »Ich glaube wohl,« antwortete dieser, »dein Pult und alles, was es enthält.«

      Pitou stieg mit kläglicher Miene die Treppe hinauf zur Klasse im ersten Stock. Er trat in die Stube ein, wo um einen großen Tisch versammelt etwa vierzig Schüler sich den Anschein gaben, als arbeiteten sie, öffnete vorsichtig den Deckel seines Pultes, um zu sehen, ob die Gäste, die es enthielt, vollzählig wären, hob es mit einer Behutsamkeit auf, die von seiner großen Sorgfalt für seine Zöglinge zeugte, und schlug mit langsamem, abgemessenem Schritt wieder den Weg nach der Hausflur ein.

      Oben auf der Treppe stand mit ausgestrecktem Arm der Abbé Fortier und deutete mit dem einen Ende seiner Geißel die Stufe hinab.

      Man mußte durch die cautinischen Pässe gehen; Ange Pitou machte sich so demütig und klein, als er nur immer konnte. Dessenungeachtet erhielt er beim Durchgang noch eine letzte Tracht mit dem Werkzeug, dem der Abbé Fortier seine besten Schüler zu verdanken gehabt hatte, und dessen Anwendung, obgleich sie häufiger und ausgedehnter bei Ange Pitou, als irgend einem andern, vorgekommen, von einem nur mittelmäßigen Resultat gewesen war.

      Während Ange Pitou, eine letzte Thräne trocknend, mit seinem Pulte auf dem Kopfe nach dem Pleux, dem Quartier der Stadt wandert, wo seine Tante wohnt, sagen wir ein paar Worte von seinem Aeußern und seinen Lebensvorgängen.

       II.

      Worin bewiesen wird, daß eine Tante nicht immer eine Mutter ist

      Louis Ange Pitou war in der Zeit, wo diese Geschichte anfängt, siebzehn und ein halbes Jahr alt. Er war ein langer, hagerer Junge, mit gelben Haaren, roten Wangen und fayenceblauen Augen. Die Blüte der frischen, unschuldigen Jugend dehnte sich auf seinem breiten Mund aus, dessen dicke Lippen zwei vollständige Reihen furchtbarer Zähne entblößten, furchtbar für diejenigen, deren Mittagsbrot sie zu teilen bestimmt waren. Am Ende seiner langen, knochigen Arme hingen, solid befestigt, Hände so breit wie Tennenpatschen; ziemlich gebogene Beine, Kniee so dick wie Kindsköpfe, die seine engen schwarzen Hosen springen machten; ungeheure Füße, die jedoch bequem in den durch den Gebrauch geröteten kalbsledernen Schuhen Platz hatten: dies war, mit einer Art von Kittel von brauner Sersche, das genaue Signalement vom Exschüler des Abbés Fortier.

      Es bleibt uns noch die moralische Seite zu schildern.

      Ange Pitou wurde im Alter von zwölf Jahren Waise, zu welcher Zeit er das Unglück gehabt, seine Mutter zu verlieren, deren einziger Sohn er gewesen. Damit ist gesagt, daß Ange Pitou seit dem Tode seines Vaters, der starb, ehe der Knabe das Alter des Bewußtseins erreichte, als Hätschelkind seiner Mutter ungefähr that, was er wollte, was seine physischen Eigenschaften zwar ungemein entwickelte, aber seine moralische Erziehung gänzlich im Rückstand ließ. In dem reizenden Dorfe Haramont geboren, das eine Meile von der Stadt mitten im Walde lag, galten seine ersten Ausflüge der Erforschung des heimatlichen Waldes und die erste Anwendung seines Verstandes der Bekriegung der Tiere, die ihn bewohnten. Aus diesem, einem einzigen Ziele zugewendeten Streben erfolgte, daß Ange Pitou bereits mit zehn Jahren ein ausgezeichneter Wilddieb und ein Vogelsteller ersten Ranges war, und zwar ohne Arbeit und besonderen Unterricht, ganz allein durch die Stärke des von der Natur dem inmitten der Wälder geborenen Menschen verliehenen Instinktes, der ein Teil des Triebes zu sein scheint, den sie Tieren gegeben hat. Es war ihm auch nicht eine Fährte von Hasen oder Kaninchen unbekannt. Auf drei Meilen in der Runde war nicht ein Tränkherd seiner Forschung entgangen, und überall fand man die Spuren seines Messers auf den für den Vogelfang geeigneten Bäumen. Durch diese unablässig wiederholten Uebungen hatte Pitou eine ganz außerordentliche Stärke erlangt.

      Mittelst seiner langen Arme und seiner starken Kniee, die ihm die mächtigsten Stämme zu umfangen gestatteten, stieg er auf die Bäume, um die höchsten Nester mit einer Behendigkeit und Sicherheit auszunehmen, die ihm die Bewunderung seiner Kameraden zuzog und ihm unter einer dem Aequator näheren Breite bei der Jagd der Lockpfeife sogar das Anstaunen von Seiten der Affen erworben hätte, bei dieser selbst für die erwachsenen Personen so anziehenden Jagd, wobei der Jäger die Vögel auf einen mit Leimruten versehenen Baum lockt, indem er das Geschrei des Hähers oder der Nachteule nachahmt, dieser Individuen, die bei dem Federvolk so allgemein verhaßt sind, daß jeder Fink, jede Meise, jeder Grünling herbeieilt in der Hoffnung, seinem Feinde eine Feder zu entreißen, während er meistens die seinigen dabei verliert. Die Kameraden von Pitou bedienten sich einer wirklichen Nachteule, eines natürlichen Hähers, um, gut oder schlecht, das Geschrei von einem oder dem andern dieser Tiere nachzuahmen. Ange Pitou aber vernachlässigte immer diese Vorbereitungen, verachtete eine solche List. Mit seinen eigenen Hilfsquellen kämpfte er, mit seinen natürlichen Mitteln stellte er die Falle. Mit seinem eigenen Munde bildete er die kreischenden, widerlichen Töne, die nicht allein die andern Vögel, sondern auch die von derselben Gattung herbeiriefen, die sich durch dieses gut nachgeahmte Geschrei täuschen ließen. Was die Jagd an Pfützen betrifft, wohin die Vögel zum Trinken kamen, so war СКАЧАТЬ