Eure Wege sind nicht meine Wege. Hermine Wild
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Читать онлайн книгу Eure Wege sind nicht meine Wege - Hermine Wild страница 7

Название: Eure Wege sind nicht meine Wege

Автор: Hermine Wild

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Thüre vorsichtig hinter sich zu, verrathen Sie mich nicht, um Gottes willen! Die wahnsinnige Frau bei meinem Onkel Thomas liegt im Sterben und will Sie durchaus sehen.

      Ueber Leonieʼs bewegliche Züge flog ein neuer Wechsel, reine Verwunderung war das Erste, dann blitzten ihre Augen auf, und ihre erste Bewegung war ein Schritt nach der Thüre. Doch plötzlich hielt sie inne und überlegte einen Augenblick. Freilich war sie der Lösung des Räthsels nahe, die sie einst mit so leidenschaftlicher Gier gesucht – aber würde ihr Vater nicht erfahren, wo sie gewesen? würde er selbst vielleicht in dieser letzten Minute die Frau nicht sehen wollen, für welche er ein so reges, wenn auch feindseliges Interesse an den Tag gelegt? – Sie schwankte und wandte sich unschlüssig wieder ab.

      Mit einem angstvollen Blick folgte Tine jeder ihrer Bewegungen. O Fräulein! bat sie wieder; doch Leonie hörte sie nicht, ihre Gedanken schlugen eine andere Wendung ein. Und sollte sie einer einfachen Möglichkeit wegen, die vielleicht nicht in Erfüllung gehen würde, die Gelegenheit aufgeben, die einzige, die sich nie mehr bieten würde, dieses Räthsel endlich aufgeklärt zu sehen? O dieses Räthsel, mit dem das Leben ihres Vaters vielleicht so eng verflochten war, dieses Vaters, der nie einen freundlichen Blick für sie gehabt – und sie sollte nicht erfahren, was er so heimlich vor der Welt verbarg? – Sie sollte nicht wissen, aus welchem dunklen Grunde die Wurzel dieses Thuns entsprang? Und warum? Wegen einer Möglichkeit, die vielleicht nicht in Erfüllung ging; – und wenn auch! dachte sie; die flüchtige Erregtheit wich einer leichten Blässe, und ihre Züge sammelten sich nach und nach in einen Ausdruck unbeugsamer Entschlossenheit – wenn auch – ist es mir erlaubt, die Bitte einer Sterbenden abzuschlagen? Was ist es mehr? Und – tödten kann er mich doch nicht.

      Rasch warf sie ein Tuch um Kopf und Schulter, und den nächsten Augenblick schon eilten sie Beide dem Waldhofe zu. Um dieselbe Stunde schlug Thomas bedächtigen Schrittes den Weg nach dem Schlosse ein.

      Seine alte Mutter indessen, nachdem sie seinen Bericht mit manchem Seufzer und bedeutsamem Achselzucken entgegengenommen und, sich auf Tineʼs Treue verlassend; außerdem noch einige kleine Vorkehrungen in den unteren Räumen ihres Hauses glücklich zu Ende gebracht, trippelte ruhigen Gewissens, so leise sie konnte, die knarrende Treppe wieder hinauf, und war nicht wenig überrascht und gekränkt, Tine auf ihrem Posten zu vermissen. Das Kind wird sich gefürchtet haben so allein, dachte sie, man kann sich aus die Jugend doch gar nicht verlassen. – Die Kranke war ruhig und athmete mühsam und leise. Die alte Frau zog ein Gebetbuch aus der Tasche, setzte die Brille auf die Nase und begann für die scheidende Seele zu beten. Alles war still. Die Zeit wurde ihr lang, ihr selbst war nicht sehr geheuer, und Tine kam noch immer nicht.

      Das Mädel muß wo eingeschlafen sein, sagte sie sich, es ist ja noch ein Kind, und das viele Wachen hat es ermüdet. – Draußen ertönten jetzt Schritte, aber sie hörte sie nicht, sie nickte und murmelte über ihr Buch gebeugt. Ein leiser Ausruf erweckte sie erst aus dem halben Schlummer, in den sie versunken war: wer ihn ausgestoßen, wußte sie nicht, aber sie schlug die Augen auf und sah ihr junges Fräulein, vom raschen Laufe erhitzt, mit wirrem Haar und wunderschön, wie ein Lichtgebilde, mitten im verdunkelten Zimmer stehen. Die Kranke stand aufrecht, wie von neuer Lebenskraft beseelt. Mein Kind! – rief sie und streckte der Eintretenden beide Arme entgegen.

      War es die Stimme des Blutes, die mit überwältigender Macht zu dem Herzen des jungen Mädchens sprach? Wie Strahl und Blitz schlug es in sie ein, sie wußte, wem sie gegenüberstand, und hatte sie doch nie gekannt. – Meine Mutter! rief sie laut und stürzte mit mächtiger Bewegung der Wiedergefundenen an die Brust. Aber es war zu viel für die schwindende Kraft der schwachen Frau, und sie sank erschöpft in ihren Sessel zurück, während Leonie in bebender Ueberraschung an ihr nieder auf die Kniee glitt.

      Unterdessen hatte sich die alte Bäuerin allmählich von ihrem Staunen erholt; der strenge Befehl des Grafen fiel ihr ein und zugleich die Angst für ihren Sohn. – Ach, Fräulein Leonie, wo kommen Sie her? jammerte sie und faßte des Fräuleins Arm mit ihren zitternden Händen, sie wo möglich von der Kranken wegzuziehen. Herr Gott! was wird der Herr Graf sagen! Ach, gnädiges Fräulein, haben Sie Mitleid mit mir und meinem Sohne, der nicht zu Hause ist! – Aber mit einer ungeduldigen Geberde machte Leonie sich von ihr los, und rathlos sank die alte Frau auf ihren Stuhl zurück.

      Mit freudestrahlendem Auge betrachtete indessen die Kranke das junge Mädchen, das neben ihr auf die Kniee gesunken war. Ja, du bist mein Kind, meine Tochter! meine einzige Tochter! mein Eigen, mein süßes Eigenthum! und leidenschaftlich küßte sie des Mädchens Stirn, Haare und Hände, die sie fest an ihren Busen geschlossen hielt.

      O meine Mutter, warum das Alles? rief Leonie; aber der Ausruf verhallte ungehört, der Kranken ganzes Leben schien nur noch in ihren Augen zu liegen.

      Laß dich anschauen! sagte sie leise, aber mit aller tiefen Glut ungesättigter Leidenschaft, laß dich anschauen! Laß mich sehen, wie schön du bist! O du bist schön! Du mußtest es ja sein. – Er war es auch. – O nur einen Zug des Lebens laß mich aus deinen Augen trinken, an deinen Lippen hängt ja der volle Becher! Einen Tropfen nur von dem Ueberfluß, der deiner Jugend entflieht! O du bist glücklich! – Sei es – aber vergiß deine Mutter nicht!

      Die furchtbare Aufregung fing an, sich zu legen, sie schloß die Augen und lehnte den matten Kopf an die Polster zurück. Leonie drückte zitternd das Gesicht in die Kleider der Sterbenden.

      Düstere Gedanken schienen bei dieser die Aufwallung der ersten Freude nach und nach zu verdrängen; die dunklen, geisterhaften Augen öffneten sich von Neuem und hefteten sich mit verzehrendem Feuer auf die bebende Leonie. – Fürchte dich nicht, sagte sie endlich, und ihre Stimme klang hohl, sieh mich an – die Minuten sind mir gezählt – sieh deine Mutter an, bevor du sie auf ewig verlierst. – Deine Mutter, die der langen Marter endlich erliegt. – Ja, auch ich war einst schön und jung wie du, aber es war Einer da, der stärker war als ich – und der mich zertrat, bis ich das geworden bin, – was du jetzt an mir siehst. Aber du wirst mich rächen; Jahrelang habe ich nach diesem Augenblicke gelechzt, daß ich nicht sterben konnte ohne ihn. – Und du bist mein eigen Kind – ich habe mich nicht getäuscht, – und dein soll die Rache sein, daß ich mich noch im Grabe freuen kann! – Schwöre deiner Mutter, daß du sie rächen willst! – Schwöre! wiederholte sie fast tonlos und mit drohend erhobenem Finger, als das junge Mädchen sprachlos und bleich mit großen, schreckenvollen Augen zu ihr aufsah!

      Da wurde die Thüre aufgerissen. Leonie! rief es laut, und ein gleichzeitiger Schrei der drei Frauen gab Antwort auf den Ruf. Es war der Graf, der eingetreten war. Leonie! wiederholte er, und in seinem Tone rangen Zorn und Schrecken um die Oberhand. Rasch ging er auf sie zu, aber mit einem wüthenden Blicke warf sich, die Kranke in die Höhe und schlug beide Arme über das junge Mädchen zusammen. Was willst du? rief sie, Diese ist mein, du hast keinen Theil an ihr.

      Dein Platz ist nicht hier, Leonie, sagte jetzt der Graf mit wiedergewonnener Ruhe; entferne dich.

      Mechanisch erhob sie sich, um zu gehorchen; aber es war nur ein flüchtiger Augenblick, und wenn der Graf die düstere Leidenschaftlichkeit dieser verschlossenen Natur nicht in ihrem richtigen Maß schon früher erkannt, so bot sich ihm jetzt die Gelegenheit dazu. Regungslos stand sie vor ihm und sah ihm zum ersten Male furchtlos in die Augen in einem starren, finsteren Trotze, in dem ihre zarte Gestalt weit über natürliche Größe emporzuwachsen schien. – Ich bleibe! sagte sie leise, aber fest. Ein heiseres Lachen klang durch das Zimmer; es war die Kranke, die triumphirend zu dem Grafen hinübersah.

      Seine Augen blitzten, und eine dunkle Röthe bedeckte seine Stirne. Doch noch einmal bezwang er sich, er trat dem Lehnstuhle näher, in welchem die Kranke lag, und legte seine Hand auf Leonieʼs Haupt.

      Ich werde sie beschützen, selbst gegen dich, sagte er. Was du ihr sagen willst, paßt nicht für ein so junges Ohr. Er sah nur den Blick der Kranken, es war ihre einzige Antwort, aber dieser Blick war eben so lauernd, entschlossen und kalt, als er ihn nur je in der vollen Kraft des Lebens an СКАЧАТЬ