Eure Wege sind nicht meine Wege. Hermine Wild
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Читать онлайн книгу Eure Wege sind nicht meine Wege - Hermine Wild страница 8

Название: Eure Wege sind nicht meine Wege

Автор: Hermine Wild

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ sein zürnender Blick begegnete fest dem ihrigen.

      Gut, so werde ich reden, fuhr er mit langsamer Betonung fort, und dann wähle zwischen mir und dir. Da ging eine merkwürdige Veränderung mit der Kranken vor; ihr Auge schien vor dem des gehaßten Mannes zurückzuweichen, das stechende Feuer, das ihn daraus angeglüht, erlosch nach und nach, sie schlug die bleichen Hände zitternd vor das Gesicht. Geh, hauchte sie fast tonlos, geh, Leonie, es ist besser so! und sie zog sich immer tiefer in den Lehnstuhl zurück, als schauere sie vor einem entsetzlichen Gebilde ihrer Phantasie.

      Zögernd blickte das junge Mädchen zu ihr auf. Da trat der Graf hinzu, hob sie fast mit Heftigkeit von der Erde, zog sie zurück und hielt sie an seiner Seite fest. Die Augen der Sterbenden folgten ihm mit einem furchtbar angstvollen Blicke. Jetzt wendete er sich wieder zu ihr.

      Du hast keinen Priester sehen wollen, daß er die Qualen deiner Seele zur Ruhe spreche, obgleich ich dich wiederholt darum bitten ließ. Nun bin ich selbst gekommen, dir ein Wort der Versöhnung mitzugeben in die letzte Heimath, zu welcher du nun gehst. Möge der Himmel dir ein milder Richter sein! Du weißt, ich habe dir längst verziehen.

      Da blitzten die Augen der Unglücklichen zornglühend auf. Ich will keine Verzeihung, schrie sie laut, daß es in dem Zimmer widerhallte und Jeder entsetzt von ihr zurückwich, was habe ich mit dem Himmel zu thun? Was brauche ich deine Verzeihung? Ich fühle keine Reue – was ich that, ich thäte es wieder. – O, daß es nicht gelungen ist! Jede Freude hast du mir genommen, jede Lust des Lebens hast du mir zerstört. – Fluch dir! – Fluch Allen, die in meinem Wege standen! Weg mit deiner Verzeihung! Dem Schicksal fluche ich, das mich zertrat – und Rache – Rache – ja, Rache – Die Kräfte versagten ihr, und sie sank bewußtlos zurück. Auf ein Zeichen des Grafen wurde Leonie halb ohnmächtig hinausgebracht.

      Er ließ einen Wagen kommen und fuhr mit ihr nach dem Schlosse zurück. Noch bevor er das Haus verließ, war Alles beendet, und die unglückliche Frau hatte die Ruhe gefunden, die ihr auf dieser Erde so lange Zeit gefehlt.

      Gleich nach ihrer Rückkehr auf das Schloß zog sich Leonie in ihr Zimmer zurück. Kein Wort war seit dem furchtbaren Vorgang über ihre Lippen gekommen; sie schüttelte verneinend den Kopf, als der Graf ihr rieth, die Kammerfrau bei sich wachen zu lassen, und er kam selbst ein paar Mal während der Nacht, nach ihr zu sehen. Aber sie lag, ohne sich zu rühren, und er erhielt weder Blick noch Wort. Die Einsamkeit und Stille der Nacht thaten ihr wohl. Alles brannte und tobte in ihr, und der Schritt ihres Vaters ging wie ein scharfer Messerstich durch ihr Gehirn. Dennoch saß sie am folgenden Morgen angekleidet und äußerlich gesammelt, als wäre Nichts geschehen, an ihrem Platze bei dem Frühstücktisch. Der Graf machte keine Bemerkung, nur sagte er nach dem kurzen Mahle: Ich habe mit dir zu sprechen, und schweigend folgte sie ihm auf sein Zimmer. Setze dich! sagte er, und sie gehorchte seinem Befehl. Ihr gegenüber nahm er Platz.

      Es sind diese Nacht Dinge vorgefallen, sagte er mit einem tiefen Ausdruck von Ernst, Trauer und Besorgniß, wie Leonie nie an ihm gesehen, es sind Dinge vorgefallen, die zu verhindern seit Jahren mein stetes Bemühen war. Welchen Eindruck sie auf dich gemacht, ist mir nicht möglich zu ermessen, und ich kenne dich genug, um zu wissen, daß es nutzlos wäre, dich darüber zu befragen. Dir die Gründe meines Betragens auseinander zu setzen, ist mir nicht möglich, und für dich könnte es nur schädlich sein. Ich mußte so handeln, wie ich handelte, und das schreckliche Ende der unglücklichen Frau, die dir das Leben gab, sagt dir deutlich genug, daß die Schuld nicht auf meiner Seite ist.

      Leonie antwortete nicht.

      Der Graf fuhr nach einer Pause fort: Da der Aufenthalt auf diesem einsamen Schlosse mir jetzt nicht rathsam für dich erscheint und deine Ausbildung überdies einer größeren Vollendung bedarf, als Fräulein Pertold allein sie dir mittheilen kann, so ist es meine Absicht, schon morgen mit dir nach B. abzureisen. Halte dich also zu früher Morgenstunde bereit. Fräulein Pertold wird uns begleiten. Du kannst gehen.

      Leonie erhob sich, und nach einer Verbeugung, die der Graf nur kalt erwiderte, entfernte sie sich aus dem Gemach.

      So war also ihr sehnlichster Wunsch erfüllt, bevor sie dessen Erfüllung nur möglich geglaubt. Sie sollte in die Welt, diese zauberhafte Welt, von deren Wundern Fräulein Pertold zu erzählen pflegte, den Eifer ihrer Schülerin anzufachen, auf jener glänzenden Bühne die eigene Rolle einst mit Ehre zu bestehen. Was ging in Leonie vor, während sie da, auf ihrem Bett sitzend, unter dem Wortschwall der entzückten Gouvernante die träumerischen Augen durch das Zimmer gleiten ließ, das sie durch so viele Jahre mit ihren heißblütigen Träumen und Plänen in verschwiegener Treue beschirmt? War es die Trauer des Scheidens, die sich nun im letzten Augenblicke über ihre Seele stahl? Nein, Trauer war es nicht. Auch Freude konnte man es nicht nennen, wenigstens nicht jene Freude, die sie sich so oft vorgespiegelt empfinden zu müssen, bräche dieser Tag des Scheidens jemals für sie an. Zu viel bittere Gefühle mischten sich darein. Die Entdeckung dieser Nacht, das Bewußtsein, daß der Riß zwischen ihr und ihrem Vater dadurch unheilbar geworden und keine Verstellung von ihrer Seite jemals genügen könne, ihn auszufüllen; die Empfindung trotzigen Hasses, welche aus diesem Bewußtsein und dem Schicksal ihrer Mutter entsprang und, nur von Angst und Grauen gedämpft, sich scheu unter einen anderen Namen verkroch, und zu welchem die frühere Entfremdung nur zu sehr den Weg gebahnt, das Alles lag dumpf auf ihrem Herzen und übertönte die lockende Stimme in ihr, die so leidenschaftlich nach Glanz und Vergnügen schrie.

      Und doch mischte sich darin kein Schmerz um jene Mutter, die, kaum gefunden, ihr fast in demselben Augenblick unwiederbringlich durch den Tod entrissen war. Leonie bedurfte einer Mutter nicht. Die Weichheit, die in der Brust fast jeden Weibes nach einer festeren Stütze begehrt, fehlte in ihrem Charakter, oder war wenigstens längst in ihr erstickt. Fast schneller noch als die kleinen Füße, die sie so leicht und stark über jedes Hinderniß trugen, das ihr im Wege lag, hatte ihr Geist allein gehen gelernt, und keine Hand der Liebe hatte ihn dazu geführt. Und nach der ersten Aufwallung war nichts in ihr geblieben, als ein düsteres Brüten, ein staunendes Entsetzen über das, was ihr Vater gethan. Was konnte er nicht Alles noch thun, wenn er das im Stande gewesen! Und hatte auch, wie sie es aus den halben Aeußerungen Beider zu entnehmen glaubte, ihre Mutter die größte Sünde begangen, die ein Weib, dem Manne gegenüber, begehen kann; hatte dieser Mann darum das Recht, sie zu einem solchen Leben zu verdammen? Ein Leben, das nur ein langsames Sterben war! O lieber, viel lieber ein schneller Tod! Und Leonie, die den Werth der Freiheit kannte, weil sie ihrem inneren, zügellosen Wesen höchstes Bedürfniß war, schauderte, tief in sich zusammengeschmiegt.

      Sie stand auf, ließ sich ankleiden, ging auf und ab und setzte sich wieder, bald hier, bald dort. Die Unruhe ihres Herzens ließ sich nicht beschwichtigen. Fräulein Pertold erzählte; die Kammerfrau weinte, die Heimat zu verlassen, und lächelte zwischen ihren Thränen, denn sie dachte doch auch an die mancherlei Zerstreuungen, die das Stadtleben bieten würde, und für welches sie durchaus nicht unempfindlich war. Dazwischen gingen die Vorbereitungen zur Abreise rüstig vor sich, und Leonieʼs Gedanken schwärmten weit von Allem weg, was um sie her sich begab. Aus dem Wagen blickte sie noch einmal nach dem Waldsaum zurück, wo ein vor Kurzem so heißes Herz jetzt so ruhig schlief, so ruhig und so kalt! Sie warf sich in die Wagenecke zurück; ihr Vater saß ihr gegenüber und schien für nichts Sinn zu haben, als für Pferde, Wege, Wagen und alle Bedürfnisse einer raschen Fahrt.

* * *

      Ein Jahr ist vorübergegangen, unter dessen Einfluß das frühreife Mädchen schnell zur vollendeten Jungfrau herangeblüht. Leonieʼs Traum war erfüllt; sie war in die Welt eingetreten und an hohen und höchsten Orten vorgestellt worden, wo das Vorstellen gebräuchlich ist, und selbst ihr ehrgeiziges Herz war mit dem Aussehen zufrieden, das ihre Erscheinung überall hervorgebracht. Der Graf hatte sein Haus geöffnet, dem seine Tochter, unter Fräulein Pertoldʼs Leitung, mit aller Anmuth ihres Wesens verschönernd vorstand. Er machte kein Hehl daraus, daß er sie jung zu verheirathen wünsche, und er hatte ihr ein Heirathsgut ausgesetzt, das sie zu einer der glänzendsten Partieen des Landes machte und sie über die Nothwendigkeit heben sollte, nach Glücksgütern oder ihrem СКАЧАТЬ