Название: Armadale
Автор: Уилки Коллинз
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Ich wünsche eine Frage an Sie zu richten«, sagte Mr. Brock, seinerseits das Schweigen brechend. »Warum haben Sie soeben jene Stelle in dem Briefe Ihres Vaters gelesen?«
»Um mich zu zwingen, die Wahrheit zu reden«, war die Antwort. »Ehe Sie mir gestatten, Mr. Armadale’s Freund zu sein, müssen Sie wissen, wie viel mir von meinem Vater anhaftet. Ich erhielt meinen Brief gestern früh, und von einer geheimen Ahnung ergriffen, ging ich allein nach dem Meeresstrand hinunter, ehe ich das Siegel erbrach. Glauben Sie, daß die Todten in die Welt zurückkehren können, in der sie einst gelebt haben? Ich glaube, daß mein Vater in diesem hellen Morgenlichte, beim Glanze jenes funkelnden Sonnenscheins und dem Gebrüll der freudig rauschenden Meereswogen zu mir kam und mich beobachtete, während ich las. Als ich zu den Worten kam, die ich Ihnen soeben vorlas, und als ich wußte, daß das Ende, welches er in seiner Sterbestunde befürchtet hatte, wirklich gekommen war – da fühlte ich, wie mich dasselbe Grausen beschlich, das auch ihn in seinen letzten Augenblicken ergriffen hatte. Ich kämpfte gegen mich selber, wie er es von mir verlangte, und versuchte alles zu sein, was meiner besseren Natur am meisten zuwider war; ich versuchte, ohne dem Mitleid Raum zu geben, darüber nachzudenken, auf welchem Wege ich es dahin bringen könnte, daß Meere und Berge mich von dem Manne trennten, der meinen Namen führt. Es vergingen viele Stunden, ehe ich es über mich vermochte, zurückzukehren und mich der Gefahr eines Begegnens mit Allan Armadale in diesem Hause auszusetzen. Als ich endlich zurückkam und er mir auf der Treppe begegnete, war mirs, als blickte ich ihm ins Gesicht, wie mein Vater dem seinigen ins Gesicht geblickt, als die Kajütenthür sich zwischen ihnen geschlossen hatte. Ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse, Sir«, sagen Sie, wenn Sie wollen, daß ich meines Vaters heidnischen Aberglauben an ein Schicksal geerbt habe. Ich will dies nicht bestreiten; ich will es nicht leugnen, daß während des ganzen gestrigen Tages sein Aberglaube auch der meinige war. Die Nacht war hereingebrochen, ehe ich den Weg zu ruhigeren und besseren Gedanken finden konnte. Aber ich fand denselben endlich. Sie dürfen es mir als etwas anrechnen, daß ich mich endlich von dem Einflusse dieses fürchterlichen Briefes freimachte. Wissen Sie, was mir dazu behilflich war?«
»Vernunftgründe?«
»Mit Vernunftgründen vermag ich nichts wider meine Gefühle auszurichten.«
»Beruhigten Sie Ihr Gemüth durch Gebet?«
»Ich war nicht in einem Zustande, um zu beten.«
»Und dennoch führte Sie etwas zu dem besseren Gefühle und der richtigeren Ansicht?«
»Ja – etwas.«
»Was war es?«
»Meine Liebe zu Allan Armadale.«
Indem er diese Antwort gab, warf er einen zweifelhaften, fast furchtsamen Blick auf Mr. Brock und kehrte, plötzlich vom Tische aufstehend, an den Fenstersitz zurück.
»Habe ich nicht das Recht, in dieser Weise von ihm zu reden«, frug er, dem Pfarrer sein Gesicht verbergend. »Kenne ich ihn noch nicht lange genug? Habe ich noch nicht genug für ihn gethan? Erinnern Sie sich, welcher Art meine Erinnerungen von andern Leuten waren, als er mir zuerst seine Hand entgegenstreckte, als ich zum ersten Male in meinem Krankenzimmer seine Stimme hörte? Welcher Art waren von meiner Kindheit an meine Erfahrungen in Bezug auf Fremde gewesen? Ich hatte dieselben nur als Menschen kennen gelernt, die ihre Hände erhoben, um mir zu drohen oder mich zu schlagen. Aber seine Hand glättete das Kissen unter meinem Haupte und klopfte mich sanft auf die Schulter und reichte mir Speise und Trank. Was waren meine Erfahrungen von anderer Leute Stimmen, als ich selbst zum Manne herangewachsen war? Ich hatte nur Stimmen gekannt, welche meiner spotteten, die mir fluchten, Stimmen, die schmachvolles Mißtrauen gegen mich ausstreuten. Seine Stimme dagegen sprach zu mir: »Frohen Muth, Midwinter! Wir wollen Sie bald wieder auf die Beine bringen. In einer Woche werden Sie kräftig genug sein, um in unsern hübschen Alleen von Sommersetshire mit mir spazieren zu fahren.«
Erinnern Sie sich des Zigeunerprügels; erinnern Sie sich jener Teufel, die über mich lachten, als ich, meinen kleinen todten Hund im Arme tragend, an ihrem Fenster vorüberging; erinnern Sie sich des Herrn, der mich auf seinem Sterbebette um meinen Monatslohn betrog – und dann fragen Sie ihr eigenes Herz, ob der elende Wicht, den Allan Armadale als seinen Freund und Seinesgleichen behandelt, zu viel gesagt hat, wenn er sagt, daß er ihn liebt? Ich liebe ihn! Es muß heraus; ich kann es nicht unterdrücken. Ich liebe den Boden, den sein Fuß berührt; ich würde mein Leben hingeben – ja, dieses Leben, das mir jetzt kostbar ist, seitdem seine Güte dasselbe glücklich gemacht hat – ich sage Ihnen, ich würde mein Leben —«
Die letzten Worte erstarben auf seinen Lippen; eine heftige krampfhafte Leidenschaft überwältigte ihn. Er streckte seine Hand mit einer wilden, flehenden Gebärde gegen Mr. Brock aus; sein Haupt sank auf das Fensterbrett und er brach in Thränen aus.
Doch die harte Disciplin seines Lebens machte sich selbst hier geltend. Er erwartete keine Theilnahme; er rechnete auf keine mitleidsvolle menschliche Achtung für seine menschliche Schwachheit Die grausame Nothwendigkeit der Selbstbeherrschung war seinem Geiste gegenwärtig, während ihm die Thränen über die Wangen strömten. »Gestatten Sie mir eine Minute«, sagte er mit schwacher Stimme. »Ich werde es in einer Minute überwunden haben und will Sie nicht wieder in dieser Weise betrüben.«
Seinem Entschlusse getreu, hatte er es in der That in einer Minute überwunden; und dann vermochte er mit Fassung weiter zu reden.
»Wir wollen zu jenen besseren Gedanken zurückkehren, Sir, die mich gestern Abend nach Ihrem Zimmer führten«, fuhr er fort. »Ich kann nur wiederholen, daß ich die Gewalt, mit welcher dieser Brief mich gepackt hatte, nimmer abzuschütteln im Stande gewesen wäre, wenn ich nicht Allan Armadale mit der ganzen Bruderliebe geliebt hätte, deren meine Natur fähig ist. Ich sprach zu mir: »Wenn der Gedanke, ihn zu verlassen, mir das Herz bricht, so ist dieser Gedanke ein unrechter!« Dies war vor einigen Stunden, und ich bin noch immer derselben Ansicht Ich kann und will nicht glauben, daß eine Freundschaft, die lediglich der Güte auf der einen Seite und der Dankbarkeit auf der andern ihren Ursprung verdankt, zu einem bösen Ende zu führen bestimmt ist. Ich unterschätze die seltsamen Umstände, die uns zu Namensbrüdern gemacht haben, nicht; auch nicht die seltsamen Umstände, die uns zusammengeführt und einander werth gemacht haben; noch die seltsamen Dinge, die sich seitdem für uns beide ereignet haben. Dieselben mögen sich in meinen Gedanken alle an einander reihen, und sie thun dies; aber sie sollen mich nicht abschrecken. Ich will eben nicht glauben, daß diese Ereignisse eine Fügung des Schicksals und ein schlechtes Ende zu nehmen bestimmt sind, sondern vielmehr, daß sie eine Fügung Gottes sind und zum Guten führen sollen. Entscheiden Sie, der Sie ein Geistlicher sind, zwischen dem todten Vater, dessen Worte in diesen Blättern stehen, und dem lebenden Sohne, dessen Worte Sie jetzt von seinen Lippen hören! Was bin ich, jetzt, da die beiden Allan Armadale in einer zweiten Generation zusammengeführt worden sind? Ein Werkzeug in den Händen des blinden Schicksals oder ein Werkzeug in den Händen der Vorsehung? Welches ist meine Ausgabe, jetzt da ich mit dem Sohne des Mannes, den mein Vater tödtete, dieselbe. Luft athme und dasselbe Obdach theils? Soll ich das Verbrechen meines Vaters fortsetzen, indem ich ihm tödtliches Unrecht zufüge, oder soll ich das Verbrechen meines Vaters wieder gut machen, indem ich ihm mein ganzes Leben widme? Diese letztere Ueberzeugung ist die meinige und soll die meinige bleiben, was sich immer ereignen möge. In dieser festen bessern Ueberzeugung bin ich zu Ihnen gekommen, um Ihnen das Geheimniß meines Vaters anzuvertrauen und Ihnen die elende Geschichte meines Lebens mitzutheilen. In dieser festen besseren Ueberzeugung kann ich entschlossen mit der offenen Frage vor Sie hintreten, welche sich auf den Endzweck meiner ganzen Unterredung mit Ihnen bezieht.
»Und diese Frage ist —?« Ihr Zögling befindet sich beim Eintritt in seine neuen Lebensverhältnisse in einer merkwürdigen Lage: Er ist ohne Freunde. Sein größtes Bedürfniß ist das eines Gefährten seines Alters, auf den СКАЧАТЬ