Pjotr. Klabund
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Название: Pjotr

Автор: Klabund

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ kleinen Hofstaat nunmehr allein bewohnte. Die Regentin Sofija und der Reichsverweser Fürst Galizyn hatten das Stadtschloß in Moskau bezogen.

      Pjotr sah in den Herbst hinaus. Er war ein ungeschlachter Bursche geworden, der mit seinen Gliedern nicht wußte wohin. Sofija und Galizyn ließen ihn verwildern.

      Er knirschte mit den Zähnen. Oh, er fühlte das ganz genau, er wußte instinktiv um den Haß seiner Schwester Sofija. Er würde ihnen aber einen Strich durch die Rechnung machen, wenn sie es sich am wenigsten versähen. Ihre und seine Rechnung: die gingen verschieden auf. Sie addierten nur. Er aber wollte multiplizieren, ja potenzieren. Er wollte seine Fähigkeiten in die x-te Potenz erheben. Wenn sie es auch nicht wollten und ihm entgegenarbeiteten: er wollte etwas aus sich machen wie Cäsar und Alexander der Große. Pjotr der Große würde es einst heißen. Sie aber nur Sofija die Kleine und Galizyn der Winzige. Alexander hatte mit Riesen gekämpft. Waren Sofija und Galizyn Riesen? Pah: Zwerge waren es, er reckte seine Glieder, mit denen wollte er schon fertig werden.

      Die kahlen Bäume draußen im Herbstnebel schlenkerten ihre Äste wie Arme. Sie schienen wie Skelette, die sich tanzend bewegten. Der Wind pfiff ihnen zum Tanz auf.

      Pjotr drückte sein breites, rotes Gesicht glatt an die Scheiben:

      Dieser Baum wäre so übel nicht für Galizyn – und jener für Sofija. Wenn ich sie nicht hänge, hängen sie mich. Das ist der Lauf der Welt. Hat sich Alexander besonnen, als er siebentausend Feinden eigenhändig den Kopf abschlug?

      Pjotr hob den rechten Arm wie ein Schwert, da steckte Timmermann den Kopf zur Tür herein.

      »Treten Sie nur näher, Timmermann, Ihnen will ich den Kopf nicht abschlagen. Was wünschen Sie?«

      Timmermann hatte zwei Säbel unter dem Arm.

      »Kommen Sie, Prinz. Wir wollen heute mit dem Säbelfechten beginnen. Gehen wir in den oberen Saal.«

      Einige französische Schneider kamen aus der Hauptstadt. Pjotr verwunderte sich sehr. Fürst Galizyn hatte sie gesandt. Sie nahmen ihm Maß zu prunkvollen und prächtigen Festgewändern aus Seide, Damast und Atlas und vermochten, als er sie um Aufklärung ersuchte, nur mit den Achseln zu zucken. Seine Hoheit der Fürst habe sich herabgelassen, ihnen diesen Auftrag zu erteilen. Wozu und warum – sie bedauerten, keine Antwort erteilen zu können, da sie keine wußten. Bald erschien auch ein deutscher Schuster, der ihm feine Saffianschuhe anpaßte.

      Timmermann erwies sich als nicht orientiert. Pjotr hatte allerlei Vermutungen, von denen ihn keine befriedigte. Sollte er auf einem Hoffest offiziell eingeführt werden?

      Die Schneider kamen noch einmal zur Anprobe und empfahlen sich, ihre Künste eitel selbst bewundernd, mit vielen entzückten Ahs und Ohs.

      Fürst Galizyn fuhr eines Tages in großer Gala vor. Er wählte unter den neuen Kleidern das schönste und prunkvollste aus Goldbrokat und ließ es Pjotr auf der Stelle anlegen.

      Er umschritt ihn mehrmals prüfend.

      Wie der Henker sein Opfer, dachte Pjotr. Was hat er mit mir vor?

      Dann hieß der Fürst ihn einsteigen. Timmermann, ebenfalls in großer Uniform, saß hinten auf. Potapoff kutschierte. Nun kutschiere ich Ilja, den großen Helden von Kiew. Heil Zeige dein Angesicht, aber verbirg dein Herz unter dem goldenen Brokat. Die Fahrt beginnt. Glückauf

      Im Moskauer Kreml empfing ihn Sofija in weißem Atlas. Sie stand oben auf der Freitreppe. Er sah sie seit Jahren wieder zum erstenmal. Sie schritt die Freitreppe hernieder. Wie schön sie war Der Fürst half ihm aus dem Wagen. Sofija verneigte sich vor ihm. Er errötete, war verwirrt und wußte nichts zu sagen.

      Sie fuhren in silberner Staatskarosse zur Metropolitankirche.

      Adrian, der Patriarch, empfing ihn, weihte und segnete ihn.

      Iwan war gestorben.

      Pjotr wurde, sechzehnjährig, zum Zaren ausgerufen.

      Er stand im grellen Mittagslicht auf der Terrasse vor der Kirche und sah hinab auf das wogende Volk, das Mützen, Blumen, Schals, Jacken, Tücher unaufhörlich in die Luft warf und schrie:

      »Lang lebe Zar Pjotr«

      Sofija nahm ihn bei der Hand und führte ihn bis vorn an die Estrade.

      Da wurde er plötzlich sich seiner bewußt.

      Er riß sich von Sofija los, sprang auf die Estrade selbst, warf seine Fellmütze in die Luft und brüllte:

      »Es lebe Rußland«

      Sofija war zurückgetaumelt.

      Der Fürst wiegte seinen Vogelkopf hin und her.

      Der Patriarch hielt die Hände betend gefaltet.

      Das Volk tobte und raste vor Jubel.

      Dieses Volk beschloß Pjotr kennenzulernen.

      Heimlich zuweilen entwich er aus Preobraschensk in der Tracht eines Gärtnerjungen.

      Er mischte sich unter Knechte, Händler, Bauern, Arbeiter, fremde Matrosen. Er lernte von ihnen das Saufen und Raufen, das Fluchen und Gott und den Teufel suchen. Er war bärenstark. Ungern band und bändelte man mit ihm an.

      Er lernte die Weiber kennen.

      Seine erste Geliebte war eine braune schmutzige Zigeunerin, die ihm aus der Hand wahrsagte.

      »Brüderchen,« sagte sie lachend, »du hast mir einen Silberrubel geschenkt, aber ich muß dir trotzdem die Wahrheit sagen: du wirst einmal ein großer Verbrecher, ein großer Räuber wie Stenka Rasin, ein großer Mörder wie Iwan der Schreckliche. Ja, Brüderchen, sogar ein Mörder wirst du. Denk' an mich, wenn es soweit ist. Armer kleiner Pjotr, man wird dich einmal ›Pjotr den Furchtbaren, Pjotr den Besessenen› nennen. Denn du bist besessen von allen guten und bösen Dämonen, vom heiligen und unheiligen Geist, von Gott und dem Teufel.«

      Seine zweite Geliebte war ein junges, zartes, fünfzehnjähriges Geschöpf, die Tochter eines Branntweinwirtes.

      Er liebte sie zu heftig.

      Sie ertrug seine Liebe nicht.

      Sie starb daran.

      Sofija fuhr dem Fürsten schmeichlerisch über die Stirn.

      »Du bekommst schon Runzeln, Liebling. Du mußt etwas für dich tun, für dich und deinen Ruhm, ehe es zu spät ist.«

      Der Fürst schob die Hornbrille zurecht und klappte die »Ilias« zu, in der er gelesen hatte.

      »Mein liebes Kind, Dank für deinen freundlichen Hinweis auf mein beginnendes Alter: aber ich lese lieber von kriegerischen Taten, als daß ich selbst welche verrichte. Was sollte ich alter Mensch auch noch mit Krieg und Kriegsruhm anfangen? Mars ist nur ein Druckfehler für Mors. Ich sonne mich an deiner Jugend, an deinem Ruhm. Ich denke, mag die Jugend handeln.«

      Sofija ließ nicht nach.

      »Da unten in unserem Reiche liegt irgendwo die Krim. Ein Chan, der uns Untertan und tributpflichtig ist, soll wider uns rebellieren. Du mußt den Aufstand niederwerfen.«

      »Eine lächerliche Idee, Kind. Laß ihn rebellieren. Rußland ist so groß, wir merken ja gar nichts davon. Er oder sein Nachfolger wird schon wieder zur СКАЧАТЬ