Soll und Haben. Gustav Freytag
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Название: Soll und Haben

Автор: Gustav Freytag

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Nach Verlauf von mehr als zwei Stunden kam er, die Uhr in der Hand, zum Vater heraus und rief: »Es ist genug.«

      »Zwei und eine halbe Stunde«, sagte der alte Sturm und winkte vergnügt Herrn Pix zu. »Jetzt ist’s gut, Kleiner, jetzt brauchst du den übrigen Tag nicht mehr ins Gewölbe zu gehen. Komm her, du sollst diese Kiste zusammenschlagen; hier ist ein neuer Hammer für dich, er kostet zehn Groschen.«

      »Er ist nur acht wert«, sagte Karl, den Hammer betrachtend, »du kaufst immer zu teuer.«

      So wurde Karl eingeführt. Am ersten Morgen, nachdem Anton gekommen war, sagte Karl zu seinem Vater im Hausflur: »Es ist ein neuer Lehrling da.«

      »Was ist’s für einer?« f ragte der Alte.

      »Er hat einen grünen Rock und graue Hosen, es ist Mitteltuch; er ist nur wenig größer als ich. Er hat schon mit mir gesprochen, es scheint ein guter Kerl. Gib mir dein Taschenmesser, ich muß ihm einen neuen Holznagel in einen Kleiderschrank schneiden.«

      »Mein Messer, du Knirps?« rief Sturm, auf seinen Sohn heruntersehend, mit tadelnder Stimme. »Du hast ja dein eigenes.«

      »Zerbrochen«, sagte Karl unwillig.

      »Wer hat’s gekauft?« fragte Sturm.

      »Du hast’s gekauft, Vater Goliath; es war ein erbärmliches Ding, wie ein Wickelkind.«

      »Ich konnte dir doch kein schweres kaufen für deine kleine Hand?« fragte der Vater gekränkt.

      »Da haben wir’s«, sagte Karl, sich vor den Vater hinstellend, »wenn man dich hört, muß man glauben, ich wäre eine Kaulquappe von Gassenjungen, die ihre Hosen noch an die Jacke knöpft und hinten ein weißes Schwänzchen trägt.«

      Die Auflader lachten. »Sei nicht aufsässig gegen deinen Vater«, sagte Sturm und legte seine Hand behutsam auf den Kopf seines Sohnes.

      »Sieh, Vater, das ist der Lehrling«, rief Karl und betrachtete Anton, der jetzt für ihn zum Inventarium des Hauses gehörte, mit prüfenden Blicken.

      Herr Pix stellte Anton dem Riesen vor, und Anton sagte, wieder mit Achtung zu dem Riesen aufsehend: »Ich war noch nie in einem Geschäft, ich bitte auch Sie, mir zu helfen, wo ich nicht Bescheid weiß.«

      »Alles Ding will gelernt sein«, erwiderte der Riese mit Würde. »Da ist mein Kleiner hier, der hat in einem Jahre schon hübsch etwas losgekriegt. Also Ihr Vater ist nicht Kaufmann.«

      »Mein Vater war Beamter, er ist gestorben«, erwiderte Anton.

      »Oh, das tut mir leid«, sagte der Auflader mit betrübtem Gesicht. »Aber Ihre Frau Mutter kann sich doch über Sie freuen.«

      »Sie ist auch gestorben«, sagte Anton wieder.

      »Oh, oh, oh!« rief der Riese bedauernd und sann erstaunt über das Schicksal Antons nach. Er schüttelte lange den Kopf und sagte endlich mit leiser Stimme zu seinem Karl: »Er hat keine Mutter mehr.«

      »Und keinen Vater«, erwiderte Karl ebenso.

      »Behandle ihn gut, Liliputer«, sagte der Alte, »du bist gewissermaßen auch eine Waise.«

      »Na«, rief Karl, auf die Schürze des Aufladers schlagend, »wer einen so großen Vater hat, der hat Sorgen genug.«

      »Weißt du, was du bist? Du bist ein kleines Ungetüm«, sagte der Vater und schlug lustig mit dem Schlegel auf die Reifen eines Fasses.

      Seit der Zeit schenkte Karl dem neuen Lehrling seine Gunst. Wenn er am Morgen auf dessen Stiefelsohlen Nr. 14 geschrieben hatte, so stellte er die Stiefel mit besonderer Sorgfalt zurecht; er nähte ihm abgerissene Knöpfe an die Kleider und war, sooft Anton an der Waage zu tun hatte, dienstbeflissen an seiner Seite, ihm etwas zuzureichen und die kleineren Gewichte auf die Waage zu heben. Anton vergalt diese Dienste durch freundliches Wesen gegen Vater und Sohn, er unterhielt sich gern mit dem aufgeweckten Burschen und wurde der Vertraute von manchen kleinen Liebhabereien des Praktikers. Und als die nächste Weihnacht herankam, veranstaltete er bei den Herren vom Kontor eine Geldsammlung, kaufte einen großen Kasten mit gutem Handwerkszeug und machte dadurch Karl zum glücklichsten aller Sterblichen.

      Aber auch mit allen gebietenden Herren der Handlung stand Anton auf gutem Fuß. Er hörte die verständigen Urteile des Herrn Jordan mit großer Achtung an, bewies Herrn Pix einen aufrichtigen und unbedingten Diensteifer, ließ sich von Herrn Specht in politischen Kombinationen unterrichten, las die Missionsberichte, welche ihm Herr Baumann anvertraute, erbat sich von Herrn Purzel niemals Vorschüsse, sondern wußte mit dem wenigen auszukommen, was ihm sein Vormund senden konnte, und ermunterte oft durch seine lebhafte Beistimmung Herrn Liebold, irgendeine unzweifelhafte Wahrheit auszusprechen und diese nicht durch sofortigen Widerruf zu vernichten. Mit sämtlichen Herren der Handlung stand er auf gutem Fuß, nur mit einem einzigen wollte es ihm nicht glücken, und dieser war der Volontär des Geschäfts.

      An einem Nachmittage sah das Kontor in der Dämmerung grau und unheimlich aus, melancholisch tickte die alte Wanduhr, und jeder Eintretende brachte eine Wolke feuchter Nebelluft in das Zimmer, welche den Raum nicht anmutiger machte. Da gab Herr Jordan unserm Helden den Auftrag, in einer andern Handlung eine schleunige Besorgung auszurichten. Als Anton an das Pult des Prokuristen trat, um den Brief in Empfang zu nehmen, sah Fink von seinem Platz auf und sagte zu Jordan: »Schicken Sie ihn doch gleich einmal zum Büchsenmacher, der Taugenichts soll ihm mein Gewehr mitgeben.«

      Unserm Helden schoß das Blut ins Gesicht, er sagte eifrig zu Jordan: »Geben Sie mir den Auftrag nicht, ich werde ihn nicht ausrichten.«

      »So?« fragte Fink und sah verwundert auf. »Und warum nicht, mein Hähnchen?«

      »Ich bin nicht Ihr Diener«, antwortete Anton erbittert. »Hätten Sie mich gebeten, den Gang für Sie zu tun, so würde ich ihn vielleicht gemacht haben, aber einem Auftrage, der mit solcher Anmaßung gegeben ist, folge ich nicht.«

      »Einfältiger Junge«, brummte Fink und schrieb weiter.

      Das ganze Kontor hatte die schmähenden Worte gehört, alle Federn hielten still, und alle Herren sahen auf Anton. Dieser war in der größten Aufregung, er rief mit etwas bebender Stimme, aber mit blitzenden Augen: »Sie haben mich beleidigt, ich dulde von niemandem eine Beleidigung, am wenigsten von Ihnen. Sie werden mir heute abend darüber eine Erklärung geben.«

      »Ich prügele niemanden gern«, sagte Fink friedfertig, »ich bin kein Schulmeister und führe keine Rute.«

      »Es ist genug«, rief Anton totenbleich. »Sie sollen mir Rede stehen«, ergriff seinen Hut und stürzte mit dem Briefe des Herrn Jordan hinaus.

      Draußen rieselte kalter Regen herunter, Anton merkte es nicht. Er fühlte sich vernichtet, gehöhnt von einem Stärkeren, tödlich gekränkt in seinem jungen, harmlosen Selbstgefühl. Sein ganzes Leben schien ihm zerstört, er kam sich hilflos vor auf seinen Wegen, allein in einer fremden Welt. Gegen Fink empfand er etwas, was halb glühender Haß war und halb Bewunderung; der freche Mensch erschien ihm auch nach dieser Beleidigung so sicher und überlegen. Es wurde ihm schwer ums Herz, und seine Augen füllten sich mit Tränen. So kam er an das Haus, wo er seinen Auftrag auszurichten hatte. Vor der Tür hielt der Wagen seines Prinzipals, er huschte mit niedergeschlagenen Augen vorbei und hatte kaum Fassung genug, in dem fremden Kontor sein Unglück zu verbergen. Als er wieder herauskam, traf er an der Haustür mit der Schwester seines Prinzipals zusammen, welche im Begriff war, in den Wagen zu steigen. Er grüßte und wollte neben ihr vorbeistürzen; Sabine blieb stehen und sah ihn an. Der Bediente war nicht zur Stelle, der Kutscher sprach vom Bock nach СКАЧАТЬ