Soll und Haben. Gustav Freytag
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Название: Soll und Haben

Автор: Gustav Freytag

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ fand nicht für nötig, über das zufällige Zusammentreffen viele Worte zu verlieren. Nur als einige Tage darauf die Baronin ihren Gemahl fragte: »Aus welcher Handlung wollen wir die Waren nehmen, die der Haushalt braucht?«, da sah Lenore von ihrem Buche auf und sagte: »Die größte Handlung hier am Platze ist die von T. O. Schröter, Kolonialwaren und Produkte.«

      »Woher weißt du das?« fragte der Vater lachend. »Du sprichst ja wie ein gelernter Kaufmann.«

      »Das kommt alles von diesem Mädcheninstitut«, antwortete Lenore trotzig.

      Über den geselligen Freuden vergaß der Freiherr nicht den Hauptzweck seines Aufenthaltes in der Stadt. Er zog sorgfältige Erkundigungen ein über die technischen Gewerbe, welche andere Gutsbesitzer eingerichtet hatten, er besuchte die Fabriken der Stadt und bemühte sich, gebildete Techniker kennenzulernen. Er bekam eine Masse von Nachrichten und erwarb einige Kenntnisse in Maschinen und Fabrikanlagen. Aber die Nachrichten, welche er erhielt, waren so widersprechend und die Anschauungen, welche er selbst gewann, so unvollständig, daß er zuletzt für das beste hielt, nichts zu übereilen und abzuwarten, bis sich ein geschäftliches Unternehmen von besonderer und möglichst sicherer Rentabilität fände.

      Es darf nicht verschwiegen werden, daß zu dieser Zeit auch der Familienschatz durch ein schönes, mit vergoldetem Messing beschlagenes Kästchen vermehrt wurde. Es war von gemasertem Holz mit Arabesken von mattem Metall und mit einem sehr kunstvollen Schloß, welches für einen Spitzbuben gar nicht zu öffnen war und den Dieb in die Notwendigkeit versetzte, das ganze Kästchen zu stehlen. In diesem Behältnis lagen fünfundvierzigtausend Taler in neuen weißen Pfandbriefen der Landschaft. Der Freiherr betrachtete die Pfandbriefe mit vieler Zärtlichkeit. Er saß in den ersten Tagen stundenlang vor dem geöffneten Kästchen und wurde nicht müde, die Pergamentblätter nach den Nummern zu ordnen, sich über deren reinlichen weißen Glanz zu freuen und die Tilgungspläne für das Kapital zu entwerfen. Auch als er das Kästchen der Sicherheit wegen wieder ins Depositorium der Landschaft gegeben hatte, war der Gedanke daran eine von den kleinen Freuden, welche der ritterliche Freiherr im stillen hatte. Ja der Geist des Kästchens spukte in seinem Haushalt fort. Die Baronin war verwundert, wenn ihr Gemahl zuweilen anfing, da zu sparen, wo er es sonst nicht getan hatte, wenn er einige Male von Logenbilletten abriet, weil man gute Wirtschaft treiben müsse, oder wenn er ihr mit einer gewissen Freude erzählte, daß er am vergangenen Abend zehn Louisdor im Spiel gewonnen habe. Die verständige Dame wurde ernstlich besorgt, ob ihr Gemahl nicht durch einen Unfall in Geldverlegenheit gekommen sei; indes beruhigten sie seine Versicherungen vom Gegenteil und ein zufriedenes Lächeln, welches in solchen Stunden über seinem Gesicht schwebte, sehr bald wieder. In der Tat waren die kleinen Anfälle von Sparsamkeit nicht konsequent und nichts anderes als eine unschuldige Laune, denn in allen größeren Dingen hielt der Freiherr in gewohnter Weise auf anständige Repräsentation, und sein Auftreten war durchaus seiner Familie und seinem Wohlstande entsprechend.

      Auch war es in der Tat nicht möglich, gerade jetzt zurückzulegen. Das Leben in der Stadt, die Einrichtung der Wohnung und die unvermeidlichen geselligen Ansprüche verringerten natürlich die Ausgaben nicht.

      So kam es, daß der Freiherr, als er zur Abnahme der Winterrechnungen auf sein Gut gereist war, sehr verstimmt nach der Stadt zurückkehrte. Er hatte große Rechnung gemacht, er hatte gesehen, daß die Ausgaben des letzten Jahres größer gewesen waren als die Einnahmen, daß der Revenuenanschlag des nächsten Jahres keine Deckung des Defizits versprach, daß fast zweitausend Taler fehlten, daß welche geschafft werden mußten. Der Gedanke griff ihm an das Herz, daß er dies Geld von den weißen Pergamenten nehmen sollte, und dem Manne, welcher mit dem größten Anstand einen feindlichen Kugelregen ausgehalten hätte, wurde siedend heiß, wenn er dachte, daß er in diesem Falle einige tausend Taler wirkliche Schulden auf seinem Gute haben würde. Er war verständig genug einzusehen, daß in seiner Spekulation ein Fehler gewesen war. Wenn man ein Vermögen durch jährliche kleine Ersparnisse erwerben will, muß man seine Ausgaben einschränken; er aber hatte seine Ausgaben bedeutend vermehrt. Ohne Zweifel war diese Vermehrung sehr notwendig gewesen, aber es war ein unglücklicher Zufall, daß es so zusammentraf. Seit seinen Leutnantstagen hatte der gute Herr keine so peinliche Unruhe empfunden. Aus der Stadt zurück konnte er nicht, dafür gab es tausend Gründe; er hatte die Wohnung auf eine Reihe von Jahren gemietet, was würden die Bekannten zu einer plötzlichen Abreise gesagt haben, wie hätte er seiner geliebten Frau und Lenoren das Opfer zumuten können? So verschloß er den Ärger in sich. Er entschuldigte gegenüber den besorgten Fragen der Baronin seine Verstimmung durch eine Erkältung auf der Reise, aber tagelang nagte der Gedanke an ihm, daß er einen Verlust erlitten habe, daß er zurückgekommen sei; und je sanguinischer er vorher gewesen war, desto niedergeschlagener wurde er jetzt. Ja es geschah, daß er auf einem Spaziergange durch die Stadt bei einem Lotterieeinnehmer eintrat und ein Lotterielos kaufte, damit ein gütiges Geschick das gutmachen möge, was schadhaft war; besonders am Abend, wenn er aus heiterer Gesellschaft kam, lächelte er selbst über diese Verstimmung und schalt sie töricht. Das ganze Unglück war so unbedeutend, es war ja keine Lebensfrage; in wenigen Jahren konnten seine Angelegenheiten wieder aufs beste arrangiert sein. Nur an den nüchternen Morgen kam ihm der langweilige Gedanke wieder, und er konnte ihn nicht loswerden.

      An einem solchen Morgen wurde Herr Ehrenthal gemeldet, der ihm eine Summe für gekauftes Getreide zu zahlen hatte. Den Freiherrn überkam ein peinliches Gefühl, als der Bediente den Namen Ehrenthal aussprach; der Mann hatte ihm den Rat gegeben, Pfandbriefe aufzunehmen. Freilich sagte er im nächsten Augenblick, daß derselbe Mann ihm nicht den Rat gegeben hatte, nach der Stadt zu ziehen; aber er grollte ihm doch, und sein Gruß mochte wohl kälter klingen als gewöhnlich. Herr Ehrenthal war ein zu guter Geschäftsmann, um auf die Launen seiner Kunden viel zu geben. Er zählte sein Geld auf und war dabei freigebig mit den Versicherungen seiner Ergebenheit. Der Freiherr blieb unzugänglich, bis Ehrenthal im Abgehen fragte: »Und sie sind gekommen, die Pfandbriefe, gnädiger Herr Baron?«

      »Ja«, sagte der Herr mürrisch.

      »Es ist jammerschade«, rief Ehrenthal, »daß fünfundvierzigtausend Taler liegen sollen so tot, als ob sie nicht vorhanden wären in der Welt. Dem Herrn Baron ist’s gleich, ob er einmal gewinnt ein paar tausend Taler oder nicht, aber unsereinem ist es nicht gleich. Ich kann in diesem Augenblick machen ein solides Geschäft und ein sicheres, und mein Geld ist versteckt, ich muß mir entgehen lassen einen braven Gewinn von viertausend Talern.«

      Der Freiherr hörte aufmerksam zu, der Händler fuhr mit größerem Mute fort: »Herr Baron, Sie kennen mich seit Jahren als einen ehrlichen Mann, Sie wissen auch, daß ich nicht ohne Mittel bin; ich will Ihnen einen Vorschlag tun: leihen Sie mir zehntausend Taler Pfandbriefe auf drei Monat; ich gebe Ihnen für das Kapital einen Wechsel auf mich selbst, welcher ist wie bar Geld. Es sind zu gewinnen viertausend Taler bei dem Geschäft; was gewonnen wird, das teile ich mit dem Herrn Baron statt der Zinsen zu gleichen Teilen. Sie sollen kein Risiko haben, und wir machen das Geschäft zusammen. Wenn verloren wird, trage ich’s allein und zahle in drei Monaten dem gnädigen Herrn die zehntausend Taler zurück.«

      Diese Worte des Händlers, so wenig aufregend sie wahrscheinlich in das Ohr des Lesers dringen, klangen dem Freiherrn wie ein Alarmsignal beim unbehaglichen Biwak. Eine heftige Spannung, eine wilde Freude arbeiteten in ihm. Kaum hatte er Ruhe genug, zu sagen: »Vor allem muß ich wissen, von welcher Art das Geschäft ist, das Sie mit meinem Gelde machen wollen.«

      Der Geldmann setzte das auseinander. Es war ihm der Antrag gemacht, eine große Quantität Holz zu kaufen. Das Holz lag auf einem Flößplatz im obern Teil der Provinz. Der Händler holte die Berechnung der Holzmasse, der Transportkosten bis zur Hauptstadt und des Wertes, den das Holz in der Hauptstadt haben würde, aus seiner Tasche und bewies dem Freiherrn, daß dabei in sechs bis acht Wochen ein sicherer Gewinn von bedeutender Größe zu machen sei.

      Der Freiherr sah mit Aufmerksamkeit die Menge der Zahlen durch; wenn die Berechnung richtig war, so war der Gewinn sonnenklar; er tat aber doch die bedächtige Frage: »Wie kommt es, daß der Eigentümer des Holzes СКАЧАТЬ