Liljecronas Heimat. Lagerlöf Selma
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Название: Liljecronas Heimat

Автор: Lagerlöf Selma

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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      Liljecronas Heimat

      Der Sturm

      Am zweiten Weihnachtsfeiertag im Jahre 1800 brauste ein Sturm über den Lövseer Bezirk in Värmland hin, daß es zum Erbarmen war. Man konnte nichts anderes mehr denken, als daß alles, was auf der Erde war, mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden sollte.

      Kommt nun nicht und sagt, es hätten gewiß früher schon und auch später ebenso heftige Stürme gewütet, und jedenfalls sagt das nicht zu einem alten Bewohner des Lövseer Bezirks, denn die haben von ihrer Kindheit an immer gehört, daß man einen ähnlichen Sturm überhaupt nicht mehr erleben könnte.

      Heute noch können sie alle die Zäune aufzählen, die umgeweht, und alle die Strohdächer, die weggefegt wurden, sowie alle die eingestürzten Viehställe, unter deren Dachstühlen dann das Vieh mehrere Tage lang begraben lag. Auch können sie dir alle die Orte zeigen, wo Feuer ausbrach, dessen man in dem Sturm nicht Herr werden konnte, bis das ganze Dorf abgebrannt war. Und sie sind auch auf allen den Höhen und Berggipfeln gewesen, wo Baum an Baum herausgerissen am Boden lag, daß es dort seither gerade wie abrasiert aussieht.

      Nun weiß man ja wohl, daß die Leute zu sagen pflegen: Das sei ein böser Wind, der nicht wenigstens irgend jemand etwas Gutes bringe. Aber daß dieses auch von dem Sturm am zweiten Weihnachtsfeiertag gelten könnte, das hätte doch wirklich kein Mensch gedacht, denn er richtete ja nur ein Unglück ums andere an.

      Wer aber von allen Menschenkindern am wenigsten glauben wollte, daß dieser Sturm vielleicht auch etwas Gutes bringen könnte, war doch wohl die »Kleine« vom Koltorpet. Nein, sie hätte es nun und nimmer geglaubt, als sie am Morgen des zweiten Weihnachtsfeiertags dort am Waldrand stand und sah, wie Schnee, Asche, Kehricht und alles, was der Wind mit fortriß, über das Tal zu ihren Füßen wie ein Rauch hinwogte.

      Niemals, in ihrem ganzen Leben nicht, und sie war doch schon dreizehn Jahre alt und ging ins vierzehnte, war ein solches Mißgeschick über die »Kleine« hereingebrochen.

      Sonst gelang es ihr eigentlich immer, bei allem, was ihr widerfuhr, mochte es noch so schwer sein, ihre gute Laune aufrechtzuerhalten; dies aber war fast mehr, als sie ertragen konnte.

      Ja, wahrhaftig, beinahe wären ihr die Tränen in die großen glänzenden Augen getreten und ihr über das blasse, magere Gesichtchen herabgelaufen!

      Das kleine Mädchen war ein wenig vor den Waldessaum herausgetreten, wie um zu probieren, wie stark der Sturm sei; und sofort zerrte er an ihrem Kopftuch, trommelte auf ihrer kurzen, weißen Schafpelzjacke und wirbelte ihr das eigengewobene Röckchen so fest um die Beine, daß sie beinahe umgefallen wäre.

      Sie war nicht allein; die Mutter und Bubi waren auch dabei. Alle beide waren genau so gekleidet wie die Kleine, in kurzen Jacken aus weißem Schaffell und in Röcken aus schwarzem steifen Fries. Und anders hätten sie auch gar nicht gekleidet sein können, denn die Kleine erbte alle ihre Kleider von Mutter, und Bubi erbte sie von der Kleinen. Der einzige Unterschied zwischen den dreien war, daß die beiden andern, obgleich sie ebenso warm angezogen waren wie die Kleine, nicht aus dem Wald herausgetreten, sondern im Schutz der Bäume stehengeblieben waren.

      Die Mutter und Bubi hatten ebenso magere, abgezehrte Gesichter wie die Kleine und auch ebenso klare, kluge Augen, und beide dachten auch dasselbe wie sie: daß dieser Sturm doch ein rechtes Mißgeschick sei. Auch waren sie ebenso betrübt und hätten am liebsten gleich zu weinen angefangen.

      Aber die beiden drinnen im Walde sahen lange nicht so verzweifelt aus wie das kleine Mädchen.

      Dieses stand gerade auf dem Berggipfel, ihr wißt, dort über dem Bäckhof im Broer Kirchspiel, und sie konnte mit den Augen den Weg verfolgen, der sich in großen Windungen bis zur Broer Kirche hinunterschlängelt.

      Aber was sah sie da? Die Bauersleute, die schon im Schlitten auf dem Wege nach der Kirche waren, drehten um und fuhren wieder heimwärts. Mehr brauchte die Kleine nicht zu sehen, um zu verstehen, daß Mutter und Bubi die zwei Meilen bis nach dem Nyhof im Svartsjöer Bezirk, wohin sie zum Weihnachtsschmaus eingeladen waren, ganz unmöglich zu Fuß zurücklegen könnten.

      Als die Kleine sich das klargemacht hatte, ballte sich ihre Hand in dem Handschuh ganz unwillkürlich zu einer Faust.

      Ach, wenn es nur drinnen im Walde, wo sie wohnten, nicht so ruhig und still gewesen wäre! Wenn sie nur hätten ahnen können, was das für ein Wetter war, ehe sie bis hier an den Waldessaum gekommen waren! Dann wären sie überhaupt nicht von Hause fortgegangen, und das wäre ihr viel lieber gewesen!

      Denn ihr müßt wissen, der Kleinen kam nichts erbärmlicher vor, als wenn sie wieder umdrehen mußte und nicht dahin kommen konnte, wohin sie wollte.

      Wenn sie nur wenigstens nicht das ganze Jahr hindurch immerfort an diesen zweiten Weihnachtsfeiertag, wo sie nach Nyhof gehen durfte, gedacht hätte! Wenn nur nicht gerade in diesem Augenblick die großen dampfenden Kessel, die langen Tische mit den weißen, bis auf den Boden herabhängenden Tischtüchern und den großen Butterbrotbergen darauf vor ihr aufgetaucht wären! Wenn nur nicht sie und Bubi jedesmal, sooft die Mutter ihnen nichts zu essen geben konnte, zueinander gesagt hätten: »Wenn wir beim Oheim auf dem Nyhof zum Weihnachtsschmaus sind, dann wollen wir uns aber satt essen!«

      Ach, ach! Wenn sie daran dachte, daß dort drunten jetzt süße Suppe mit Rosinen gekocht wurde, daß es da Reisbrei und Kuchen gab und Eingemachtes und Kaffee mit mürbem Backwerk, und daß sie nichts davon bekommen sollte!

      Sie war über die Maßen zornig und wünschte geradezu, es möchte jemand in der Nähe sein, an dem sie ihren Zorn auslassen könnte. Und sie dachte in ihrem Herzen, der Sturm hätte auch mehr Verstand haben können, als gerade an diesem Tage zu kommen. Festtag war es, da brauchten sie nicht die Mühle zu drehen, und Winter war es, da brauchten sie nicht auf dem See zu helfen, sondern waren frei von aller Arbeit. Aber was konnte es nützen, wenn sie es auch dem Sturm zurief.

      Die Strecke, die sie jetzt vor sich hatten, war die schwierigste vom ganzen Wege. Von hier ging es abwärts an Helgesäter vorbei, dann über die Brobyer Hügel nach dem Lövsee und der Kirche und über die großen Felder des Pfarrhofs, weil dort offenes, unbewaldetes Land war, über das der Weg hinführte. Wenn sie nur erst dort vorbei waren und sich dann die Hedebyhügel hinaufarbeiten konnten, dann hatte es keine Gefahr mehr, denn von da an führte der Weg immer durch Wald.

      Die Kleine meinte, es sehe doch gar nicht so furchtbar schlimm aus, und sie müßten wenigstens noch einen Versuch machen. Schlimmer als schlimm könnte es jedenfalls nicht ausfallen.

      Sie war sogar ganz befriedigt, solange Mutter dort drüben stand und überlegte. Da war es doch immerhin noch möglich, daß sie sich zum Weitergehen entschloß. Aber o weh! jetzt eben machte Mutter eine Bewegung, wie um in den Wald zurückzugehen, und Bubi tat selbstverständlich ganz wie die Mutter.

      Da ging die Kleine in der entgegengesetzten Richtung den Hügel hinunter. Zuerst ganz langsam, dann aber immer schneller, denn der Wind kam von hinten her und trieb sie eiligst vorwärts, sie mußte geradezu laufen. Sie hütete sich wohl, zurückzusehen; denn sie fürchtete, Mutter und Bubi würden ihr dann Zeichen machen, sie solle wieder umdrehen. Ja, sie war fast sicher, daß sie ihr jetzt eben riefen, um sie aufzuhalten. Aber darum brauchte sie sich nicht zu kümmern, denn jetzt, wo sie so recht in den Sturm hineingeraten war, lärmte und donnerte es um sie her, daß sie gar nichts hören konnte.

      Es war nicht wahrscheinlich, daß Mutter ihr nachlaufen und sie festhalten würde, denn Mutter mußte ja Bubi an der Hand führen, damit er nicht umgeweht wurde, und so kam sie nicht rasch vorwärts.

      Deshalb bekam indes das kleine Mädchen durchaus keine Lust, umzudrehen, nein, durchaus nicht; aber sie mußte sich jetzt doch gestehen, daß das Wetter viel schlimmer war, als sie geglaubt hatte.

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