Reise zur deutschen Front. Ganghofer Ludwig
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Название: Reise zur deutschen Front

Автор: Ganghofer Ludwig

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ hier werden nicht Länder genommen und Reiche verschenkt, hier gründet man nicht »Pufferstaaten« und korrigiert nicht die Landkarte von Europa mit einem anspruchsvollen Blaustift. Hier gilt alles Denken nur dem Ernst und den Notwendigkeiten der Gegenwart; von der Zukunft ist nicht die Rede. Unausgesprochen klingt aus allen bedeutsamen Worten, die ich höre, das feste und klare Zeitgesetz heraus: »Erst arbeiten und siegen. Alles weitere wird kommen, wie es kommen muß und wie wir es uns verdienen.«

      – Ich gestehe, daß ich da manchmal ein bißchen schamrot wurde. Und in meinem Inneren hab' ich heilig geschworen, niemals wieder in phantastischen Nächten meinen Handatlas durch ausschweifende Linien zu verunreinigen und nebulose Zukunftsgeographie von Mittelafrika zu betreiben. Und während ich hier, in einem hundekalten Stübchen zu Peronne, diesen heißen Schwur mit frierenden Fingern niederschreibe, klirrt unter meinem Fenster der feste Taktschritt deutscher Soldaten vorüber, die zu den Schützengräben marschieren, Automobile rasseln vorbei in sausender Fahrt, und unaufhörlich rollt von der nicht allzu weit entfernten Front das Murren schwerer Geschütze zu mir her. Die gaukelnden Kriegsvorstellungen, die ich aus der Heimat mitbrachte, beginnen sich jetzt unter den harten Wirklichkeitsbildern, die mich bei Tag und Nacht umwirbeln, sehr gründlich zu verändern. —

      Jener erste Abend, an dem ich Gast des Kaisers war, bescherte mir auch ein eindringliches Exempel der Art, wie im Großen Hauptquartier gearbeitet wird, bis spät in die Mitternacht hinein. Bevor ich davon erzähle – d. h. erzählend alles verschweige – will ich, man liebt als Poet die Kontraste, dem großen Zeitbilde noch ein niedlich-intimes Lichtchen aufsetzen.

      Die Gesellschaft im französischen Wintergarten hat sich nach der Mahlzeit noch um einen schweigsamen, höchst wohlerzogenen Gast vermehrt; das ist ein kleiner schwarzer Teckel mit gescheiten Augen, des Kaisers Lieblingshund, augenblicklich ein bißchen invalide, mit verbundener Pfote; so oft er will, darf er es sich auf dem Schoß seines Herrn bequem oder, richtiger gesagt, unbequem machen; manchmal nimmt er auf des Kaisers Knie höchst schwierige und bedrohsame Stellungen ein, die fast an die Kletterkünste einer Gemse erinnern – und dann muß der Deutsche Kaiser so lange stillhalten, bis es dem zappeligen Teckelchen wieder beliebt, auf den Boden zu springen. Von der rührenden Geduld, die der Kaiser an dieser kleinen Quälkrabbe erweist, läßt sich eine Brücke zu einem tiefen Zug seines Charakterbildes hinüberschlagen. Denn er kann eine bewundernswerte Geduld auch mit Dingen und Menschen haben, die ihn viel gröber belästigen, als es der kleine, nette Teckel zu tun gewöhnt ist.

      Gegen die elfte Abendstunde wird für den Kaiser und eine Anzahl hoher Offiziere ein militärischer Vortrag angesagt. Eine Neuheit der Kriegstechnik soll in Projektionsbildern vorgeführt werden, die der begleitende Vortrag eines Offiziers erläutern wird.

      Durch die dunkle, schneelose Winternacht wandern die Gäste der stillen Villa zu einem nahen Hause hinüber. Der Himmel ist klar geworden und alle Sterne funkeln. Die kleine Stadt liegt in schwarzem Schweigen, ohne Lichter, wie ausgestorben. Nur ein scharf suchender Blick erkennt die regungslos in der Finsternis stehenden Wachen.

      Ein verdunkelter Saal, mit etwa vierzig Stühlen; hinter ihnen ein Vergrößerungsapparat mit elektrischen Schnüren, vor ihnen an der Mauer eine große Leinwand. Fest und gleichmäßig klingt in dem matten Zwielicht die Stimme des vortragenden Offiziers, während Ruck um Ruck eine lange Reihe von Bildern über die Leinwand gleitet. Die ersten sind für mich als Laien eine völlig unverständliche Sache; erst nach einer Weile lehrt das gesprochene Wort mich begreifen, was ich sehe, und ich beginne in erregter Spannung zu ahnen, daß es sich hier um eine neue, wichtige und für die Kriegführung hilfreiche Sache handelt. Immer wieder und wieder stellt der Kaiser mit raschen, knappen Worten eine Zwischenfrage; der Offizier gibt Antwort. Bis Mitternacht dauert das. Nach dem letzten Bilde glänzen die Flammen des Lüsters auf. Lebhaft tritt der Kaiser auf den jungen Offizier zu, der den Vortrag gehalten, reicht ihm die Hand und sagt:

      »Ich danke Ihnen! Das ist eine gute Sache! Glauben Sie, daß uns die Franzosen das nachmachen können?«

      Der junge Offizier in dem verwitterten Feldgrau lächelt: »So schnell nicht, Majestät! Wir haben das erst jetzt gefunden.«

      In dem erhellten Saal ein Zusammenstehen von Gruppen, eine mit halblauten Stimmen geführte Debatte.

      Während ich diese Gespräche höre, klingt in mir immer wieder das verheißungsvolle Wort, das der junge Offizier gesprochen: »Wir haben das jetzt gefunden!«

      Wir! Das sind wir Deutschen! Wir, bei denen das Recht und die Kraft ist, und bei denen der Sieg sein wird!

      Ich trage stolz und beglückt dieses Wort in mir davon durch die sternhelle Nacht – dazu die mich heiß erfreuende Einladung: morgen im Auto mit dem Kaiser hinüberzufahren zum deutschen Kronprinzen.

      Von den tiefen, meinen deutschen Glauben und mein Vertrauen wie mit eisernen Stäben stärkenden Eindrücken dieses Abends schwirren mir Kopf und Herz, während ich das winzige Stübchen betrete, in dem ich einquartiert bin. Es ist, nach französischer Sparsamkeit mit dem Raume, so klein, daß man beim ersten Schritt über die Schwelle schon gleich mit dem Ellbogen an die Fensterscheibe stößt. Fast vier Fünftel dieses Grillenhäuschens ist bestellt mit dem großen, ganz famosen Bett. Wie herrlich werde ich da schlafen heute nacht, mit aller Verheißung der vergangenen Stunden in meiner Seele!

      Aber der Mensch hat neben der Seele auch einen Leib. Während ich im Dunkel liege und mit offenen Augen fröhlich träume, beginne ich, der ich an der Tafel des Deutschen Kaisers speiste – nein, nicht speiste, nur lauschte – einen nagenden Hunger zu fühlen. Und dann knappere ich mit Hochgenuß und Zärtlichkeit an dem Dutzend guter Weihnachtslebkuchen, die mir meine Frau vor der Abreise von München in die Handtasche steckte.

      »Wir! Wir Deutschen!«

      Mit diesem Wort im Herzen mache ich meine Augen zu. Und mit dem anderen:

      »Morgen!«

      4

19. Januar 1915.

      Der Deutsche Kaiser ist kein Frömmler, aber ein frommer, tiefgläubiger Christ, der seinen Tag mit Gott beginnt und mit Gott beendet.

      In der kleinen Stadt, die das Große Hauptquartier beherbergt, wurde ein großer Raum zu einer Feldkirche umgewandelt. Hier wird der Gottesdienst für den Kaiser und die Garnison des Hauptquartiers abgehalten. Den langen, mächtigen Hallenraum füllen in dichten Reihen die Soldaten, deren Abteilungen sich aus Linie, Reserve und Landsturm mischen, feste und stramme Gestalten, mit gesunden und ruhigen Bartgesichtern; dazu die kleine, aus allen Reiterregimentern der deutschen Bruderstämme gebildete Kavallerietruppe der kaiserlichen Wache; nahe dem Altar, zu beiden Seiten des auf den Kaiser wartenden Kirchenstuhles, sind die Plätze der Offiziere und des Orchesters, das aus Harmonium und acht Bläsern besteht.

      Das Bild des mit roten Tüchern ausgeschlagenen und durch drei Stufen erhöhten Altars hat etwas freudig Aufwärtsstrebendes. Zur Rechten und Linken schmücken ihn zwei große Banner in den deutschen Farben, zwischen denen das Kreuzbild des Erlösers auf die Reihen der Soldaten niederblickt. Das heilige Zeichen leuchtet freundlich in der durch die Fenster hereinflutenden Morgensonne. Und gleich einem Symbol des vor Gottes Antlitz ruhenden Krieges sind auf beiden Seiten des Altars die mit allen Landesfarben der deutschen Stämme bewimpelten Reiterlanzen zu schlanken, friedsamen Pyramiden aneinandergestellt.

      Ein Kommando. Das Zusammenklirren der Soldatenstiefel klingt wie ein einziger harter Eisenschlag. Auf dem Bretterboden die ruhigen Schritte eines einzelnen Mannes. Durch die Reihen der Soldaten schreitet der Kaiser zu seinem Kirchenstuhl. Sein Gesicht ist ernst, fast unbeweglich. Und immer, mit einem sinnenden Blick, sind seine Augen emporgehoben zum Bilde Gottes, auf dessen gerechte Hilfe er hofft und baut.

      Harmonium und Bläser beginnen den Choral, und Feldprediger Goens – eine Gestalt wie aus СКАЧАТЬ