Название: Reise zur deutschen Front
Автор: Ganghofer Ludwig
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
isbn:
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Von Wagenfenster zu Wagenfenster gibt es eine muntere Konversation, bis aus dem Wagen da drüben eine strenge Unteroffiziersstimme herausruft: »Vorsicht beim Antworten! Der olle Kunde fragt zu viel!«
Weiter geht's. Es öffnet sich der Blick in eine lange, enge Stadtgasse. Nur Soldaten sieht man, Hunderte von Feldgrauen. Dazu zwei barmherzige Schwestern, schwarz, mit weißen Hauben. Und zahlreiche Rekonvaleszenten in Spitalkitteln erholen sich bei einem Spaziergang, ehe die Dämmerung kommen will.
Wieder die öden Felder. Eine Arbeiterhütte mit weißblauem Fähnchen gleitet vorüber. Ich möchte beim Anblick dieser Heimatfarben vor Freude schreien. Bevor ich das Fenster aufbringe, ist die Hütte davongelaufen, das liebe Fähnchen verschwunden.
Bei Chauvancy bauen deutsche Pioniere an einer von den Franzosen gesprengten Brücke. Ich brülle zum Fenster hinaus und winke mit beiden Händen. Die Pioniere gucken und lachen und fragen sich, was für ein Narr da im Zuge ist? Kein Narr! Ein Deutscher voll stürmischer Dankbarkeit und Bewunderung! Nur eine kurze Strecke feindlichen Landes hab' ich von der Grenze bis hierher durchfahren, kaum ein paar hundert Kilometer lang. Doch in jeder Minute fand ich reichlich Ursache, über das immense Maß von Arbeit zu staunen, das deutscher Fleiß und deutsche Intelligenz hier geleistet haben, um alles von den Franzosen und vom Krieg Zerstörte wieder zurückzugewinnen für die Bedürfnisse des deutschen Heeres und für den allgemeinen Verkehr. Wenn der kommende Friede unsere deutschen Helden mit Eichenlaub und Lorbeer bekränzen wird, muß er einen besonders schönen und reichverdienten Kranz für die deutschen Pioniere flechten. Wären die Pioniere, die ich da gesehen habe, nicht so feste, stramme und derbschlächtige Gestalten, ich möchte sie die lieben Heinzelmännchen des Deutschtums nennen! An ihnen besonders wollen wir Daheimgebliebenen uns ein Beispiel nehmen! Ein ganzes Volk von Pionieren wollen wir sein, von Pionieren des deutschen Gedankens, der deutschen Treue und Hilfsbereitschaft, der deutschen Ausdauer und Beharrlichkeit!
Man muß, was unsere Pioniere entlang der Maas und im Wasser und Sumpf dieser meilenweiten Überschwemmungsgebiete geleistet haben, mit eigenen Augen sehen. Sonst glaubt man es nicht, sonst hält man das deutsche Arbeitswunder, das hier gewirkt wurde, für ein phantastisches Märchen.
Immer trüber sinkt der Abend. Doch die Dunkelheit beendet das Werk dieses Fleißes nicht. Hunderte von Fackeln und Pechflammen brennen auf – leuchtende Sterne der deutschen Gewissenhaftigkeit!
Jenseits einer mächtigen Wasserfläche, die aussieht wie ein großer, milchweißer See, steigt zwischen kleinen hübschen Wäldchen eine weitläufige Stadt über sanft geneigte Hügel empor – Sedan!
Du heiliger Name! Deine beiden Silben sind wie ein weihevoller Zauber, der eine Fülle von herrlichen Bildern in mir erweckt und mich träumen läßt von deutscher Kraft und Größe, von deutscher Vergangenheit und deutscher Zukunft.
Der Bahnhof ist ein Gewühl von Soldaten. Tausende von Feldgrauen! Heimkehrende und Ankommende. Wohin man die Ohren dreht, überall hört man die lieben deutschen Laute. Sie wirken doppelt eindrucksvoll, hier, auf dem Boden der feindlichen Fremde, hier, auf dem Frühlingsacker des deutschen Werdens!
Ganz unfaßbare Mengen von Postsäcken und Gepäckballen werden hin und her geschoben, ausgeladen und neu verstaut – Wagenladungen mütterlicher Grüße und Zärtlichkeiten, Wagenladungen treuer Heimatsgedanken unserer Soldaten. Und der ganze Bahnhof ist ein unübersehbares Gewimmel von stehenden und kommenden Zügen, von qualmenden oder rastenden Lokomotiven.
Weiter geht's. Die sinkende Nacht umhüllt mir alles Kommende. In der stahlblauen Dämmerung glänzen wieder die großen Streckenlaternen. Der Tag endet im Feindesland, wie er am Morgen in der Heimat begann: mit strahlenden Lichtern in der Dunkelheit.
Unter strömendem Regen rauscht der Zug durch die Finsternis. Geht's über eine Brücke, so hört man das dumpfe Brausen des hochgestiegenen Stromes. Draußen ist wenig zu sehen: gleitende Laternen, pechschwarze Hügelketten und die matt blinkenden Wasserflächen der großen, noch immer wachsenden Überschwemmung.
In einer Station bei längerem Aufenthalt kommt eine strenge Kontrolle aller Reisenden, die der Zug noch enthält. Der Offizier, der meinen Ausweis musterte, nickt mir freundlich zu: »Sie werden erwartet!«
Noch eine kurze Fahrt und ich bin am ersten Ziel meiner Reise, im Großen Hauptquartier. Auf dem Bahnhof ein liebenswürdiger Empfang. Es ist sieben Uhr abends. Für acht Uhr bin ich zur kaiserlichen Tafel geladen.
Das Wetter will sich klären. Der Regen hat aufgehört. Helle Sterne glänzen aus den Wolkenklüften, während ich den großen, stillen Bahnhofplatz überschreite. Ein Automobil mit Offizieren saust vorüber, und wie langgestreckte Lichtvögel flattern die Scheinbündel der Autolaternen in die Finsternis. Schlagbäume und Schilderhäuschen in den deutschen Farben leuchten auf, Wachen schreiten hin und her, und überall ist ein leises Klirren, ein Gefunkel von Metall.
Hinter dem laublosen Astgewirre hoher Bäume strahlt eine Reihe von erleuchteten Fenstern.
3
Zwischen den hohen Bäumen eines stillen Parkes steht eine schmucke Villa. Ihre Besitzer sind geflohen, als das deutsche Heer erschien und das französische sich auch auf die Socken machte. Es waren wohlhabende Leute, die stolz waren auf ihr Haus; das merkt man schon am Äußern des Baues, an der Gepflegtheit des Parkes, den jetzt eine schweigsame Nacht umträumt, und an der etwas großtuenden Freitreppe, auf der jetzt im Flackerschein der Laternen zwei regungslose Schildwachen mit blanken Klingen stehen. Und es waren Leute, die es liebten, an regenreichen und stürmischen Winterabenden behaglich am Kamin zu sitzen und amüsant zu plaudern, vielleicht nach etwas altmodischem Stil, so ähnlich, wie Konversation in einem Lustspiel von Scribe oder Pailleron gemacht wird; das vermutet man beim Anblick der Räume, deren Komfort eine wunderliche Mischung von gutem Geschmack und provinzialer Anbequemung zeigt, von ererbter Gediegenheit und wahllos Gesammeltem.
Diese Leute, die nicht mehr da sind und irgendwo im Süden von Frankreich sitzen, in Bordeaux oder bei Nizza, denken wohl in ruheloser Sorge an ihr verlassenes, unbeschütztes Haus und glauben es verwüstet durch alle »Barbarengreuel«, die sie in ihren Journalen als Zugabe zu jedem Frühstück genießen. Ihre Sorge ist ein Irrtum, ist eine von jenen halb grauenhaften und halb lächerlichen Verzerrungen der Wahrheit, wie sie rings um unsere Grenzen üblich wurden, »seit Deutschland diesen schaudervollen Krieg über die ganze Welt heraufbeschwor« – so sagen unsere Feinde, obwohl sie es besser wissen. Das Haus dieser entflohenen Leute – statt »entflohen« gebraucht man hier in Frankreich die mildere Wendung »abgereist« – dieses Haus, das sie aller Verwüstung ausgesetzt vermuten, ist in Wahrheit sorglicher behütet, als sie selbst es vor jedem Vernichtungsschreck des Krieges hätten behüten können, wenn sie geblieben wären. Denn unter diesem verlassenen Dache, in dessen Räumen jetzt aus allen Richtungen der Erde die Fäden eines großen Weltgeschehens zusammenlaufen, wohnt heute der Deutsche Kaiser, der Führer unseres in Begeisterung und Lebenstrotz geeinten Volkes, der oberste Kriegsherr unseres siegreichen Millionenheeres, das der deutschen Heimat erspart, was unsere Feinde unter den Schlägen des von ihnen entfesselten Krieges zu leiden haben.
Zwischen den Mauern dieses stillen, gutbehüteten Hauses ist nichts von einem großzügigen Hofhalt zu gewahren. In dieser ernsten Zeit ist auch das Leben des Kaisers von feldmäßiger Schlichtheit, ist wie gekleidet in ruhiges, unauffälliges Feldgrau.
Die wenigen Gäste der Abendtafel versammeln sich in einem kleinen Empfangsraum. Schon das begrüßende Wort, das jeder Kommende mit den schon Anwesenden tauscht, ist der Beginn eines lebhaft bewegten Gespräches über die jüngsten Vorfälle des Krieges, über den verheißungsvollen Stand der Dinge im Osten, über den Fortschritt im Westen.
Nun verstummt das Gespräch, und man tritt СКАЧАТЬ