Die Herrin und ihr Knecht. Georg Engel
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Название: Die Herrin und ihr Knecht

Автор: Georg Engel

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ seit fünfzig Jahren aus einem Sumpf herausgehoben. Und alle diese Mühe, so viel Leben und Daseinsfreude, das sollte man von einem eisernen Hagel zerschmettern lassen? Für immer? Nein, daran glaube ich nicht,« schloß sie tief atmend und legte sich wie befreit die flache Hand auf die arbeitende Brust.

      Auf diesen Ausbruch hob die alte Dame den sorgsam behüteten Brief rasch gegen das Licht, zog aus ihrer schwarzseidenen Tasche gleichzeitig ein Schildpattlorgnon hervor und hielt sich die Gläser dicht vor die Augen.

      »Liebes Kind,« schnitt sie alle weiteren Erörterungen ab, »wenn du mehr Umgang in militärischen Kreisen pflegen würdest, was ich für sehr nützlich hielte, so könntest du wissen, daß jene große Auseinandersetzung, die dir so unmöglich scheint, von den maßgebenden Stellen schon seit Jahren befürchtet oder auch erhofft wird. Je nachdem. Ich halte es deshalb für meine Pflicht, dir ganz reinen Wein einzugießen. Merke genau auf. Mein Bruder, der es auch mit dir gut meint, schreibt folgendes.«

      Damit lenkte die starr und aufrecht Sitzende das gelbe Blatt Papier noch näher an ihr Antlitz, das sie scheinbar nicht beugen konnte, und griff mitten aus dem Brief folgende Stelle heraus:

      »Seit dem frevelhaften Verbrechen, das dem Thronerben der uns verbündeten Monarchie das Leben kostete, haben wir hier im Amt eine aufreibende Arbeitsleistung zu bewältigen. Noch nie war der europäische Himmel so bewölkt wie jetzt. In den militärischen Zentralen wird fieberhaft geschafft, und ich kann dir unter der Hand mitteilen, daß die Sachkundigsten unter uns seit der Überreichung der österreichischen Forderungen an den rebellischen Balkanstaat die fernere Erhaltung eines ehrenhaften Friedens beinahe in das Gebiet der Unmöglichkeit verweisen. Sollte, was Gott verhüten möge, unser großer östlicher Nachbar sich für das Schwert entscheiden, – ein Gedanke, zu dessen Erfassung die Phantasie der meisten unserer in einem verweichlichenden Frieden völlig aufgegangenen Mitbürger durchaus nicht ausreicht – dann würde eine Weltkatastrophe heraufbeschworen, die alles, was jetzt festliegt und besteht, zerschmettern müßte.«

      Ein widerspruchsvolles Lächeln, das sie sich selbst nicht zu deuten vermochte, glitt bei dem eben Gehörten über die bleichen Züge der Landtochter, denn sie gehörte zu denen, deren Einbildungskraft vor der ungeheuerlichen Prophezeiung machtlos niedersank. Die alte Dame jedoch verkündete mit scharfer Stimme weiter, und es war, als ob ihre Worte sich immer stechender und aufreizender formten, je Erbarmungsloseres über ihre schmalen Lippen floß.

      »Ihr könnt euch die Last und die Qualen dieser Spannung gar nicht vorstellen. Von Tag zu Tag fliegen neue Vorschläge, Vermittlungen und geheime Depeschen von Allerhöchster Hand herüber und hinüber. Alles starrt atemlos auf die Zentnerlast, die an einem Haar über unseren Häuptern schaukelt. Und nun der Grund, warum ich so ausführlich an dich berichte, liebe Schwester. Stürzt der Koloß über uns herein, über uns, die wir in unserem gläubigen Vertrauen namentlich an euren Grenzen noch lange nicht so unantastbar gerüstet sind, wie es unsere leitenden Militärs wünschen, dann werden es eure Gegenden sein, die von dem ersten Ritt unkultivierter Horden überrannt werden. Noch vermögen wir nicht zu ahnen, welches Entsetzen sich bei einem solchen Zusammenstoß über eure Gutshöfe, Dörfer und kleinen Städte ausbreiten könnte. Da wir in den letzten Jahrhunderten immer nur mit uns an Gesinnung gleichgearteten Volksstämmen die Waffen kreuzten, so fehlen uns alle Anhaltspunkte dafür, was wir von den Angehörigen einer minderen Kultur zu erwarten haben. Ich rein persönlich jedoch fürchte, daß es – selbst den recht zweifelhaften guten Willen der östlichen Befehlshaber vorausgesetzt – kaum gelingen dürfte, unsere Ansiedlungen vor einer bisher unbekannten Zerstörungsgier zu schützen. Und was den Einwohnern eines freien und geordneten Staatswesens bevorsteht, sobald die entfesselte Zügellosigkeit dumpfer und stumpfer Massenschwärme über sie fortprallt, asiatischer Halbwilder, die an glücklicheren Völkern die Pein ihrer eigenen Sklaverei zu vergelten gedenken, das sind Dinge, liebe Schwester, die mich vorläufig nur wie unvorstellbare schwere Träume ängstigen. Zwar noch ist ja eine Beschwörung der Gefahr nicht gänzlich unmöglich. Doch mein Rat geht für alle Fälle dahin, dich und die Deinen sowie alle, die dir nahestehen, schon jetzt in Sicherheit zu bringen. Mit Freuden öffne ich dir mein Haus in Berlin. Es genügt aber vielleicht auch, wenn du dich einstweilen in eurer Provinzialhauptstadt einmietest. Aber nimm die Zeit wahr, liebe Adelheid, denn binnen kurzem dürften auch dort neue Ankömmlinge wegen der zu befürchtenden Übervölkerung zurückgewiesen werden. Ist es nicht unfaßbar, sich alle diese ungewohnten Schrecken und Grausamkeiten vorstellen zu müssen? Gott gebe, liebe Schwester, daß diese wütende Windsbraut ohne schweren Schaden an dir vorüberbraust.«

      Als Frau von Stötteritz bis hierher in ihrer Lektüre gelangt war, da faltete sie den Brief emsig und umständlich zusammen, jede Falte in ihre gewohnte Lage, und schob das Schreiben mit ihrer dürren Hand raschelnd in den seidenen Beutel. Dann wandte sie das Haupt, und ohne ein weiteres Wort an diese für sie völlig erschöpfte Angelegenheit zu verschwenden, richtete sie ihre starren, grauen Augen, die sich plötzlich unnatürlich weit geöffnet hatten, regungslos und unerbittlich auf das hochgewachsene blonde Mädchen. Auch Johanna vermochte sich in der abermals herabsinkenden Stille, die bang und trübselig, beinahe hörbar, durch das weite Zimmer schlürfte, keiner Bewegung hinzugeben.

      Ungläubig nahm der Riese von Sorquitten, der auch jetzt noch mit hörbar tiefen Atemzügen neben seiner jungen Verwandten weilte, die merkwürdig belebte Blässe des sonst so resoluten und durch nichts zu erschütternden Frauenbildes in sich auf.

      »Kriegt endlich doch das Bibbern,« fuhr es ihm durch den Sinn, und seine kernige Mannhaftigkeit freute sich darüber, weil das stolze Weib, das ihn stets wie eine beobachtende Erzieherin behandelte, sich wenigstens vor der Gefahr genau wie alle anderen Frauenzimmer demütigen lernte. »Na, da wird sie ja unseren Vorschlag gnädig aufnehmen,« dachte er, »womöglich noch dankbar sein, weil man sie hübsch fürsorglich aus unserer Pulverecke fortschafft.«

      Und ohne weitere Überlegung reckte er sich, um seine breite Tatze herablassend, wohlwollend auf die Schulter der Cousine zu betten. Die in Gedanken Versunkene jedoch ließ es ruhig geschehen. Es war das erste Mal, daß sich der Recke ihrer blühenden Körperlichkeit so weit nähern durfte. Und mitten in dem schweren Druck, den die bängliche Zeit verbreitete, da empfand der strotzende Gutsherr in seinem derben, allem Grübeln abgeneigten Sinn etwas von der verschämten Üppigkeit dieser verhüllten, unberührten Mädchenglieder. Freilich nur eine vorüberblitzende Sekunde, denn gleich darauf zuckte das entschwundene Leben durch die völlig entrückte Frauengestalt. Widerwillig schnellte ihre Schulter empor, schüttelte die fremde Hand als etwas Störendes von sich ab, und während sie ihren Blick mit ihrer kühlen Sicherheit gegen seine trotz aller Überhebung gutmütigen Knabenaugen richtete, da stieß sie kurz und geschäftsmäßig hervor, wie jemand, der endlich auf den Kern der Dinge dringen will:

      »Na also, Fedor, nur um mich auf alles dies vorzubereiten, deswegen allein hast du doch deine Mutter nicht zu der Fahrt veranlaßt? Heraus damit, was führst du noch im Schilde?«

      Verwünscht, da war wieder eine jener niederträchtig kurzen Fragen, auf die seine schwerfällige Unterhaltungsgabe nicht sofort eine Antwort zu erteilen wußte. Herrgott ja, man plante ja allerlei Heimliches, sogar seit Jahren, man trieb sich viel öfter auf dem Hofe von Maritzken herum, als es eigentlich durch die Verwandtschaft oder eine treue Nachbarlichkeit bedingt war, weil man eben dachte – weil man doch zum Schluß wünschte, daß – daß – Zum Kuckuck, es wurde eben nichts daraus, weil das große blonde Weib, das in der Statur so hübsch zu einem paßte, nichts, aber auch gar nichts Entgegenkommendes oder Aufmunterndes zeigte, was einem die schwere Sprache vielleicht gelöst hätte. Und auch in diesem drängenden Moment hätte der Riese das, was ihn im Grunde bewegte, und was längst die Billigung der Frau Mama gefunden hatte, ohne deren Ja und Amen man ja schließlich nichts unternehmen konnte, ja, er hätte all das Verborgene gerade jetzt viel sachter und zarter einkleiden können. Aber nun, als man ihm wieder mit einer solch brüsken Deutlichkeit auf den Leib rückte, da vermochte sich der Herr von Sorquitten nur auf den alleräußerlichsten Grund zu besinnen, den man im letzten Ende doch nur als guten Vorwand aufgespart hatte.

      »Was СКАЧАТЬ