Название: Humoresken (Zweites Bändchen)
Автор: Eckstein Ernst
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Wir sind ja, Gott sei Dank, keine deutschen Philister,« fügte der Graf Winzingerode hinzu.
»Da hörst du's, Lili. Fürstenberg, zeigen Sie der Kleinen, wie die Sache gemacht wird. Küssen Sie Ihre Melanie!«
Der Cavalier, der trotz des ihm aufgenöthigten deutschen Namens ein echter Pariser geblieben war, schlang den Arm ohne weiteres um den blendenden Nacken seiner Nachbarin, und küßte ihr die rothen Lippen, daß es laut durchs Gemach schallte.
»Ah, das ist Unrecht, lieber Fürstenberg,« rief Pigault-Lebrun mit komischem Stirnrunzeln. »Sie machen unser Einem, der nicht so glücklich ist, wie Sie, das Herz schwer.«
»Es thut jeder, was er kann; nicht wahr, Melanie?«
»Eh bien, Lili?« fragte der König.
»Ich habe Ihnen gesagt, daß ich Sie zwei Tage lang auf schmale Kost setze,« lautete die schnippische Antwort.
»Wie? was?« erklang es im Chor. »Ein Zwist, ein Streit? Ich hätte bald gesagt, eine eheliche Differenz?«
»Unser Täubchen ist eigensinnig,« rief Jérôme, ein Glas Schaumwein hinunterstürzend.
»Nein, nein, nur standhaft!« entgegnete Fräulein Heberti.
»Erzählen Sie! Was ist vorgefallen?«
»Sehr einfach,« sagte die kleine Dame. »Ich habe Seine Majestät um eine Gefälligkeit ersucht und bin abschlägig beschieden worden.«
»Ah, unerhört, Sire,« lachte Winzingerode. »Wie können Sie einem solchen Engel was abschlagen?«
»Ein König, meine Herren,« erwiderte Jérôme, »ist nicht in allen Dingen souverain! Es giebt gewisse Rücksichten …«
»Aber um was handelt es sich denn? Wir wissen ja noch gar nicht …«
»Eine Bagatelle,« schmollte Lili. »Ich bat den König um die Entlassung des Grafen von Paderborn …«
»Ah, der Aumônier,« sagte Fürstenberg; »eine unangenehme Persönlichkeit.«
»Ein Spion,« ergänzte Fräulein Heberti.
»Wo denkst du hin, Lili!« stotterte Jérôme.
»Ein Spion, sage ich. Unser Aller Interesse erfordert, daß Sie ihm schleunigst den Laufpaß geben.«
»Das ist unmöglich.«
»Unmöglich? Sind Sie nicht König …?«
»Das sagst du wohl … – aber …«
»Was ›aber‹! Es giebt kein aber!«
»Aber bedenke doch … Du weißt … Seine Majestät der Kaiser …!«
»Der Kaiser! Was hat Ihnen der Kaiser zu sagen?«
»Er hat … er ist … bedenke nur …«
»Ah, Sire!« rief das Mädchen mit einem Ausdruck des Stolzes, der ihre Züge wunderbar hob, »Sie scheinen nicht zu wissen, daß wir Frauen von dem Geliebten in erster Linie Entschlossenheit, Energie, Unabhängigkeit, Muth fordern, wenn unsere Neigung nicht wanken soll …«
Die Gäste blickten einander an, als wollten sie sich fragen, ob diese Rede der kleinen Ex-Tänzerin Scherz oder Ernst sei?
Es trat eine peinliche Pause ein. Der König war sichtlich unangenehm berührt. Niemand wollte das Schweigen brechen. Man fürchtete, den mißlichen Eindruck, den Lili's Strafpredigt hervorgebracht hatte, durch eine ungeschickte Bemerkung noch zu verschlimmern. –
»Fräulein Heberti,« sagte endlich Jérôme, nicht ohne Bitterkeit, »ich hoffe Ihnen baldigst, vielleicht schon morgen, den Beweis zu liefern, daß Ihre Vorwürfe die Adresse verfehlt haben. Wenn ich in einzelnen wichtigen Angelegenheiten auf meinen kaiserlichen Bruder Rücksicht nehme, so geschieht dies aus freien Stücken. Daß ich im rechten Augenblick unabhängig, energisch, entschlossen zu sein verstehe, sollten Sie überhaupt niemals bezweifelt haben. Da Sie indeß solchen höchst seltsamen Zweifeln Raum geben, so gereicht es mir in der That zur Genugtuung, daß ich, wie gesagt, binnen wenigen Tagen in der Lage sein werde, Sie eines Bessern zu belehren. Merken Sie sich das, Fräulein Heberti!«
Der König hatte diesen langen Discurs mit voller Würde, und so laut und deutlich vom Stapel gelassen, daß Lili fast erschreckt die Augen niederschlug. Sie mochte fühlen, daß sie zu weit gegangen.
Jérôme warf seinem Bibliothekar einen selbstbewußten, verständnisinnigen Blick zu.
Dem guten Pigault fiel die Epistel, auf welche der König anspielte, heiß auf die Seele. Jeden Tag konnte die Antwort eintreffen; der Bibliothekar verhehlte sich nicht, daß diese Aussicht einen höchst beklemmenden Einfluß auf seine Lebensgeister ausübte.
In diesem Augenblick ertönte im Vorzimmer ein lebhafter Wortwechsel.
Befremdet horchte man auf.
»Ich habe die gemessensten Befehle …« sagte einer der königlichen Hofjäger.
»Und ich habe noch gemessenere,« entgegnete eine kräftige Stimme. »Machen Sie keine Umstände! Im Namen Seiner Majestät des Kaisers der Franzosen, lassen Sie mich vor!«
Jérôme erbleichte. Pigault-Lebrun griff nach dem Glase, um seine Verwirrung zu verbergen.
»So erlauben Sie wenigstens, daß ich Seine westphälische Majestät zuvor benachrichtige,« stotterte der Kammerjäger. »Wen darf ich anmelden?«
»Den Gouverneur von Danzig!« lautete die Antwort.
Eine halbe Minute später öffnete sich die Thür des blauen Salons, und der Gouverneur, begleitet von einem Gardeofficier, betrat das Allerheiligste.
Alles war sprachlos.
Der Botschafter des Imperators verneigte sich voll ritterlicher Anmuth und wandte sich dann an den König.
»Sire,« sagte er, »ich habe mich eines höchst unangenehmen Auftrags zu entledigen.«
Jérôme ward fahl wie der Kalk an der Wand. Pigault-Lebrun saß da wie ein armer Sünder und nestelte an seinen Manschetten.
»Ich habe diesen Auftrag,« fuhr der Gouverneur fort, »von Ihrem erhabenen Bruder, dem Kaiser der Franzosen. Ich verließ Seine Majestät in einem Zustande der Erregtheit und des Zornes, den ich nicht zu schildern vermag …«
»Aber ich bitte, mein Herr,« rief Fürstenberg, indem er die Arme vor der Brust kreuzte, »dies ist weder die Zeit noch der Ort, solche Aufträge auszurichten.«
»Ich bedaure,« entgegnete der Angeredete kalt, »daß ich so unglücklich bin, Ihre geselligen Freuden zu unterbrechen, allein ich handle nach dem ausdrücklichen Befehl meines hohen Gebieters.«
Der König war so vollständig außer Fassung gerathen, daß er vergaß dem Gouverneur einen Stuhl, geschweige denn ein Glas Wein anzubieten. Statt dessen hatte er selbst den Becher СКАЧАТЬ