Ratsmädelgeschichten. Böhlau Helene
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Название: Ratsmädelgeschichten

Автор: Böhlau Helene

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ war Schillers jüngster Sohn Ernst, frisch im Aussehen und Wesen, der seine freie Zeit gar zu gern in Rats behaglichem Familienzimmer verbrachte. Das erste, nachdem die Begrüßung vorüber, war, daß Budang sich zu seinen Gefährten wendete, die sogleich mit den Mädchen in ein lustiges Plaudern kommen wollten, und sagte: „Erst müssen sie zeigen, daß sie mit ihren Arbeiten fertig geworden sind.“

      Budang war seiner, von Jungfer Concordia erhaltenen Aufgabe, die Mädchen zu überwachen, treu geblieben. Röse und Marie mußten ihm ihre Arbeiten bringen. Sie thaten es auch, wie etwas, was sich von selbst versteht, mit allem Ernste.

      Nun setzte er sich, nahm die Hefte vor, und war etwas nach seiner Meinung gar zu unmöglich geraten, so mußten sich die beiden Faulpelze daran machen und unter seiner und Ernst von Schillers Leitung die Sache noch einmal schreiben.

      Unangenehm war es für alle Teile, wenn sie ihr Pensum, wie die Arbeiten der Ratsmädel gelehrt benannt wurden, schlecht gelernt hatten. Da gab es ein äußerst langweiliges Überhören ohne Ende, ehe man an die beliebte Abendunterhaltung kam, und die Mädchen wurden von Budang hart angelassen. In einer Ecke mühte sich Ernst von Schiller, abwechselnd mit Budang, an Röse ab, die das Auswendiglernen so schwer zu stande brachte, daß es ein Skandal war, wie Röses Freunde sich über diesen Mangel ausdrückten.

      Für Marie, deren Gedächtnis vorteilhafter ausgestattet sein mochte, genügte einfache Hilfe. Sie war ein für allemal Franz Horny zugewiesen, der sich seinem Amte mit Geduld und Bewunderung für das schöne Geschöpf unterzog.

      Die Ratsmädel glichen zwei Knospen von lebensvollster Frische und Kraft. An ihnen mochte nichts Angekränkeltes sein, nichts, was nicht ebenmäßig sich entfaltet hatte, und nichts, was nicht auf eine noch viel lieblichere Vollendung hindeutete. Sie schienen mehr, als man gewöhnlich unter jugendfrisch versteht. Sie waren urwüchsig, eigenartig und harmlos, wie es junge, von Menschen unbehelligte Tiere sind.

      Und unbehelligt waren sie, von aller Welt gern gesehen, die Freude der Wünschengasse; wer blickte ihnen nicht nach, wenn sie mit ihren langen, schweren Zöpfen, die noch vor kurzem so manchem Gassenbuben um die Ohren gesaust waren, die Straße hinabgingen? Sie bildeten den Stolz der Untergebenen ihres Vaters, „die Ratsmädel“, denen man allen Respekt erzeigen mußte.

      Ja, ihr Ruf war bis ins Schloß gedrungen, wie wir wissen. Überall aber fühlten sie sich gleich wohl, gleich sicher, ob auf den Gassen, ob im Schloß, ob unter den würdigen Bekannten ihres Vaters, oder unter ihren guten Freunden und steckten bis über den Kopf in Wohlbehagen. Die urgesunden Geschöpfe! Wer aber hatte auch solche Freunde, wie unsere beiden?

      Hatten sie die unumgängliche Überhörungsstunde, den Anfang der schönen Winterabende, hinter sich, und blickten Budangs Augen unter den dicken, blonden Locken nicht mehr so strenge auf Beantwortung seiner Fragen dringend, die den beiden oft sauer genug wurde, dann begannen die behaglichen, unvergeßlichen Stunden. Was aber thaten, was unternahmen sie an solch einem Abend? Sie spielten Lotto. Sie saßen eng aneinander gedrängt, die Mutter, die Brüder, die Mädchen, die Freunde und spielten Lotto um Pfeffernüsse vom Konditor Ortelli, den die Franzosen damals ausgeplündert hatten; aber mit welchem Eifer wurde gespielt, mit welchem Feuer! und wie wurde gelacht! Worüber sie wohl lachten? Über unschuldige Scherze, über eine Anekdote aus dem Leben der drei braven Jungen, über einen Ausspruch Rösens, die groß war in trocknen, vielsagenden Bemerkungen; darüber, daß Budang eine Locke über das Auge gefallen war, und er gerade durch den Ringel blickte. Dergleichen konnte Röse und Marie außer Rand und Band vor Lachen bringen, so daß die Mutter sie manchmal ermahnte, ja, sie aus dem Zimmer steckte, damit sie sich draußen in der Dunkelheit und Kälte einmal erst wieder auf sich selbst besinnen sollten. Sie kamen dann jedesmal in unverminderter Heiterkeit wieder herein und immer mit einer guten Idee, die ihnen wahrscheinlich bei der Abkühlung gekommen war.

      Sie schlugen eine Verkleidung vor, einen Tanz. Sie kamen mit der Bitte zurück, die Freunde und Brüder sollten sie im Stuhlschlitten fahren.

      Durch solch einen lebensvollen Vorschlag entstanden die schönsten Stunden. Er schien so ganz aus dem Herzen zu kommen, aus dem innersten Verlangen heraus, und wie er von Herzen kam, so ging er zu Herzen, so wurde er ausgeführt, so wurde er auch von der Mutter gestattet, die eine liebevolle Frau war und wohl wissen mochte, wie göttlich, wie unwiederbringlich, wie leichthinschwindend die Jugend ist.

      So haben die Ratsmädel herrliche Winterfahrten gemacht, bei Sonnenuntergang, bei Mondschein; jede in einem Stuhlschlitten, Bruder und Freunde hinter sich, die sie in Windeseile durch die Straßen der Stadt fuhren. So zog das leichte, lustige, vergängliche Gesindel auch an dem Hause vorüber, in dem der lebte, der für die Ewigkeit schuf.

      Sie fuhren über die hellen Lichtscheine, die aus den Fenstern Goethes auf den Schnee fielen, und dachten sich nichts dabei, wußten wohl kaum, daß sie vorübergefahren.

      Was kümmerten sich unsere Ratsmädchen um „die großen Leute“ in Weimar. Mochten die thun und schreiben, was sie wollten, die Ratsmädchen hätten nie und nimmer mit ihnen tauschen mögen! So im Schlitten sitzen, von lieben Freunden geschoben zu werden, daß es ist, als sprühten Funken, und hinaus in den Mondenschein, unter bereiften Bäumen, auf glatter Schneebahn hinzufliegen, das ist Seligkeit, das ist Glück!

      Und welche Streiche spielten sie, über die man jetzt Ach und Weh schreien würde, steckten Budang in Mädchenkleider und gingen mit ihm spazieren. Weshalb sie das thaten? Gott weiß es! Sie wußten es jedenfalls selbst nicht, thaten es grundlos, vergnügten sich herrlich, hatten alle dreie das Bewußtsein eines wunderbaren Geheimnisses, wollten sich über jeden, der ihnen begegnete, totlachen, brachten harmlose Spaziergänger durch ihr Gelächter in Verlegenheit, kauften sich bei Ortelli Kuchen, den sie, nachdem Budang zu Hause sich wieder ausgeschält hatte bei einem Täßchen Kaffee, das ihnen warm gestellt worden, verzehrten, im süßen Bewußtsein, eine Heldenthat ausgeführt zu haben.

      In einem alten weimarischen Hause hatten sie zu jeder Zeit Zutritt, konnten dahin mitbringen, wen sie mitbringen wollten, und blieben immer willkommen, das war die Apotheke am Markte.

      Der Apotheker stand mit Rats in Verwandtschaft. Er war ein gelehrter Herr, mit dem Titel Professor, und zu der weimarischen Apotheke durch seine Heirat gekommen; die Frau war Witwe des früheren Apothekers und hatte ihrem zweiten Manne das blühende Geschäft zugebracht.

      Zu diesen Leuten gingen die Mädchen mit Vorliebe. Die Vettern und Basen im Hause paßten zu ihnen, und sie konnten immer sicher sein, dort eine wohlgemute Gesellschaft zu treffen. Die Frau Professor hatte die Genugthuung, wegen ihrer Kochkunst in der ganzen Bekanntschaft berühmt zu sein; so gab es auch für die beiden Schleckermäuler, die zu Gaste kamen, immer etwas Gutes zu schnabulieren, was ihnen zu jeder Zeit gelegen war; denn bei Rats ging es nicht hoch her.

      Und was war diese Apotheke für ein sonderbares Haus! Ein alter, reichverzierter Erker schmückte es, den ein steinernes, verzwicktes Weiblein auf seinem Nacken zu tragen schien. Das alte Weib war unsern beiden von jeher rätselhaft und unheimlich erschienen. Ein langgestrecktes Gewölbe diente zum Apothekerladen. Dies Gewölbe war außerordentlich finster. Nur soweit die niedere Glasthür und das einzige Fenster Licht einließen, machte es einen behaglichen, wohlthuenden Eindruck; nur so weit schienen die verschiedentlichen Düfte, die aus ungezählten Büchsen und Büchschen, aus unendlichen Schiebkästen aufstiegen, angenehm und zuträglich zu sein. Die Mädchen hielten es für ausnehmend gesund, in der Apotheke tief Atem zu holen; und wenn einem der Apothekerkinder etwas fehlte, setzte es sich hinunter zu den Gehilfen und atmete fleißig.

      Auch Röse und Marie hatten schon öfters solch eine Kur sich vorgeschrieben; aber sie hielten sich nur da auf, soweit das Tageslicht, unverfälscht durch Dämmerung, die sich weiter nach hinten in dem Raume ausbreitete, eindrang.

      Das Gewölbe war an seinem letzten Ende fast dunkel. Bei dem Scheine eines Lämpchens hantierte dort ein widerwärtiger Gehilfe, vor СКАЧАТЬ