Ratsmädelgeschichten. Böhlau Helene
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Название: Ratsmädelgeschichten

Автор: Böhlau Helene

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ ging anders wie früher, wo den Mädchen die Schule und alles, was damit zusammenhing, ein rechtes Ärgernis war. Budang hatte eine außerordentliche Lust zum Arbeiten, es ging ihm leicht von der Hand, und es machte Rösen und Marien den Eindruck, als vergnüge er sich damit. Nie war er schlechter Laune dabei und immer eigentümlich liebenswürdig. Die Ratsmädchen waren über diese Erfahrung erstaunt und sahen in Budang eine Merkwürdigkeit, von der sie nicht recht wußten, was sie davon halten sollten.

      Einmal, als die Mädchen mit Budang über dem Arbeiten saßen, betrachtete sich Röse den Freund, der sich mit seinem Lockenkopf über das Buch gebeugt hatte, ernsthaft und kaute an der Feder. Budang saß ihr gegenüber, da fuhr sie mit ihrem Finger leise in sein dickes, blondes Haar, so daß er mitten in seinem Eifer aufblickte. „Budang,“ sagte sie noch immer nachdenklich, „Du willst wohl so ein großes Tier werden, wie wir hier so viele haben?“ Damit meinte Röse, die sich mit Vorliebe schlecht auszudrücken pflegte, die weltberühmten Dichter, von denen ich im Anfang erzählt habe und die zu jener Zeit in der Stadt wohnten. Budang verstand sie, denn er war an derlei Redensarten von ihr gewöhnt und sagte ernsthaft: „Ja, wer das könnte! – So dumm zu fragen. Du fragst doch manchmal wirklich dumm. – Ich werde Arzt!“ fügte er hinzu; und er wurde es später auch. „So?“ sagten die Mädchen, und wieder einmal erschien ihnen der Freund in einem anderen Lichte und außerordentlich verständig, daß er schon mit aller Ernsthaftigkeit vorsorgte und über Dinge bestimmt hatte, die ihn heute und auch morgen noch nichts angingen.

      Budang war den Mädchen ein guter Lehrmeister, denn da er kaum älter war, als sie, trat ihnen sein Ernst, seine Güte, sein heitrer Fleiß recht nahe, und es kam ihnen vor, als wenn sich diese Dinge gut mit ihren Jahren vertrügen, denn bis jetzt hatten sie gemeint, mit ernster Arbeit und was damit zusammenhängt, habe es bei ihnen noch völlig Zeit. Von Budang hatten sie, ohne daß sie es recht wußten, mehr gelernt, als ihr lebelang vorher, und sie waren jetzt bald daran, aus zwei wilden, faulen Nichtsnutzen ein paar allerliebste Mädchen zu werden.

      So ging der Sommer hin.

      Anfang August wurde in Weimar, wie wohl auch anderwärts, ein Volksfest gefeiert, das Schützenfest. Auf einer Wiese vor der Stadt da waren Schaubuden errichtet, und in jeder war etwas Merkwürdiges und Närrisches zu sehen. Schon wochenlang vorher hatten die Herrlichkeiten, die es zu betrachten geben würde, die Gedanken der Ratsmädchen beschäftigt. Als endlich der Tag herankam, da holten sie die frisch gewaschenen weißen Kleider aus dem Schrank, die Mutter half ihnen bei dem Anziehen, und statt ihrer schwarzen Lederschuhe setzte sie ihnen grüne nagelneue Stiefelchen auf den Tisch und flocht ihnen in die langen Zöpfe grüne seidene Bänder.

      So aufgeputzt stolzierten sie miteinander über den Markt, zunächst der Gassenmühle zu, mit der sie sich längst ausgesöhnt hatten. Budang guckte schon zum Fenster heraus und rief ihnen entgegen: „Kommt rasch herauf zur Tante Concordia, rasch! – Und Ihr habt ja grüne Bänder und habt auch grüne Schuhe!“ Da lachten die beiden über das ganze Gesicht, denn sie wußten gar wohl, weshalb die gute Mutter sie mit dem schönen Schuhwerk überrascht hatte. Es war ihnen sehr wohl und fröhlich ums Herz, und sie sprangen die Treppe hinauf. Oben stand Concordia und hielt zwei Kränze in die Höhe, die waren prächtig voll gebunden aus schönen rosa Malven.

      Da rief Röse auf den ersten Blick: „Die Malven hat der Budang stibitzt! Ich weiß auch, wo er sie her hat. Über Goethes Garten, da stehen welche.“

      „Dummes Zeug!“ sagte Jungfer Concordia. – Aber ich glaube beinahe, es war etwas Wahres daran, denn der Budang guckte so schlau. – Die Jungfer führte sie vor den Spiegel und drückte ihnen die Kränze fest in die Stirne und sagte mit ihrer glockenhellen Stimme: „Ihr seid doch prächtige Mädel, Ihr Ratsmädchen, und nun macht, daß Ihr auf das Schützenfest kommt!“

      Auf der Vogelwiese war ein Gedränge, es schnurrte, lärmte und schrie von allen Seiten und schon von weitem. Wie sie mit Budang die breite Allee hinaufgingen und noch nicht recht wußten, wo sie ihren Groschen anbringen sollten, da sahen sie zwei Männer kommen: der eine, klein und untersetzt, auf der Brust einen prächtigen Stern, der andere von mächtiger Gestalt, stattlich im langen blauen Gehrock. Und alles machte den Männern ehrerbietig Platz. Budang und die Ratsmädchen wußten gar wohl, wer ihnen da entgegenkam. Der kleine war Karl August, der gute und weise Fürst, Großherzog von Weimar; der andere Goethe, der Dichter. Budang zog die Mütze und sagte: „Da kommen sie!“

      Und da waren sie auch schon ganz nahe, und die Mädchen standen und knixten, und Budang wußte nicht, was für ein Gesicht er machen sollte, als Karl August Röse und Marie an die Hand faßte und sagte: „Ei, da seid Ihr ja auch, Ihr Mädchens. Kommt einmal mit! Und Du kannst auch mitkommen!“ wendete er sich an Budang, dem das Blut zu Gesichte stieg. Am Wege unter den Bäumen stand die kleine, grüne Jagddroschke von Karl August, die jedermann kannte. Der Großherzog rief den Kutscher und ließ die Kinder sich hineinsetzen, hob selbst die zierliche Röse in den Wagen und nickte ihr zu. „Nun zu!“ rief er. „Nun fahr Er die Bälge einmal tüchtig in die Runde und schaffe Er sie wieder hierher!“ Ganz so sagte er und nichts anders. Jetzt fuhren die dreie in der berühmten Droschke über die Vogelwiese und waren gar zufrieden mit sich und aller Welt; und die Mädchen freuten sich, daß Budang mit ihnen war; denn sie hatten ihn lieb und wußten, daß er es gut mit ihnen meinte. Und alle dreie hielten sich an den Händen, so halb aus Freude und halb, weil es sie verlegen machte, mitten durch die vielen Leute zu fahren, und sie saßen geputzt nebeneinander, und die Sonne schien, und alle schauten ihnen nach. Das war ein herrlicher Tag.

      Die dreie aber blieben in guter Freundschaft ihr lebelang und gedachten der glücklichen Jugend, als sie miteinander alt geworden waren.

      Und das alles hat mir meine Großmutter erzählt, und da ist kein Wort hinzugesetzt. Sie hat das alles miterlebt, denn das Ratsmädel, die Röse, ist meine liebe, gute Großmama.

      Zweite Geschichte

      Es geschehen Dinge, über die man sich in unsern Tagen verwundern würde

      Das war eine schöne, urwüchsige Zeit, in der man zu Weimar lebte. Von allen vier Windseiten ging Frische, die ganz Deutschland durchwehte, auch über das kleine Nest.

      Es war kurze Zeit nach Beendigung des Freiheitskrieges, kurze Zeit nach des großen Napoleons Sturz, und die Befriedigung, etwas erreicht und errungen zu haben, lag wie eine gute, gesunde Luft, die jeder zu seinem Wohl, zur Stärkung seiner Menschenwürde und Kraft einatmen konnte, über den Landen ausgebreitet. Den Gemütern, die jahrelang unter Druck und Not gelitten, die um ihr Hab und Gut und ihre Sicherheit sich geängstigt hatten, war in dieser Zeit, von der ich rede, auch der Rausch des Befreitseins und der Begeisterung geschwunden und hatte sich in das Gefühl einer allgemeinen Genesung umgewandelt. Und welche Frische, welche Hoffnungskraft erhebt sich in einem Menschen, der nach langer Trübsal, nach schwerem Drucke gesundend aufatmet! und ein ganzes Volk, das zu Leben wieder erwacht, welcher Reichtum, welche Überfülle an Freude, an Heiterkeit, an Leichtsinn entfaltet sich da!

      Der Ausdruck von Elend, von Aufruhr, der einstimmig aus den Völkern sich erhebt, ist die gewaltige Sprache, die das Menschengeschlecht mit dem Schicksale spricht. Kein Donner der Elemente ist so großartig drohend, wie die einige Stimme des murrenden und in Elend gesunkenen Volkes. Und kein Ausdruck der Freude ist so mächtig, so herzerquickend, wie das Aufleben des zu neuem Behagen erwachenden Volkes.

      Kein Sonnentag gleicht der heiteren, lebendigen Ruhe, die nach Angst und Kampf über Dörfern und Städten liegt; das Unbedeutendste ist in solcher Zeit Träger und Verkünder einer großen Errungenschaft.

      Jede frohe Scene zeigt uns das Gedeihen von Generationen, zeigt uns, daß die alte, bewährte, auf hohe Ziele deutende Kraft des Menschengeschlechts wieder siegreich durchgedrungen ist.

      In der kleinen Stadt Weimar aber hatte diese Kraft gerade in den Jahren der Bedrängnis ihre höchste Offenbarung gegeben; ungestört von den tiefgreifenden СКАЧАТЬ