Название: Gräfin Elisa von Ahlefeldt, die Gattin Adolphs von Lützow, die Freundin Karl Immermann's
Автор: Assing Ludmilla
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Ein seltsames Mißverständniß war es, daß, als im März 1819 Kotzebue von dem Studenten Sand ermordet worden war, ein ganzer Zug von Münsteranern, die freilich nicht zum nächsten Umgang Elisens gehörten, zu ihr kam, um ihr, die sie an allen Dichtern ein so lebhaftes Interesse nähme, wegen dieses Ereignisses ihr Beileid zu bezeigen. Elisa mußte lächeln, denn grade, weil sie die echten Dichter liebte, war ihr der rohe und gemeine Kotzebue immer zuwider gewesen! –
Im Frühjahr 1819 verließ Adele von A. mit ihrem Gatten Münster, um es gegen Königsberg zu vertauschen. Elisa trat nun mit ihr in eifrigen Briefwechsel, wie sie überhaupt mit allen ihren entfernten Freunden in beständiger Beziehung blieb. Sie vermißte Adelens vertraute Nähe; doch sollte bald darauf eine andere Erscheinung in jenen Kreis voll Empfänglichkeit für alles Schöne und Gute, voll Geist und Leben treten, und dieser schönen Geselligkeit einen neuen Reiz geben; es war dies ein junger Dichter in der ersten Frühlingsfrische seines Daseins, sich des Genius noch kaum ganz bewußt, der eben erst in ihm seine Schwingen zu regen begann. Karl Immermann, geboren 1796 zu Magdeburg, war, nachdem er bei Belle-Alliance den Kampf für das Vaterland mitgekämpft, 1817 in den Staatsdienst getreten, und nachdem er bis 1819 als Referendar in Magdeburg und Groß-Aschersleben gearbeitet, als Auditeur nach Münster versetzt worden.
Der erste Anlaß der Bekanntschaft war ein geschäftlicher. Bei den verwirrten Vermögensverhältnissen des Grafen Friedrich, erhielt Elisa weder ihr mütterliches Erbtheil, noch die ihr von ihrem Vater verheißenen Einkünfte ausgezahlt, und in diesen widrigen Angelegenheiten, die sich jahrelang schon hingezogen hatten, bedurfte Elisa des Raths und der Hülfe eines Rechtskundigen. Der junge Auditeur schien hiezu vorzüglich geeignet, und wurde ihr zugeführt.
Gleich bei dem ersten Besuche war dieser von der neuen Erscheinung, die sich ihm in der reizenden Dame zeigte, wie geblendet und berauscht. Er hatte bisher in ziemlich engen und beschränkten Verhältnissen gelebt, nie war ihm eine Frau vorgekommen, die auch nur entfernt an diese heranreichte. Alle die Eigenschaften, welche wir an ihr geschildert, mußten ihn unwiderstehlich zu ihr hinziehen; er glaubte das Ideal seiner Träume verwirklicht zu sehen. Nie hat Tasso mit mehr Bewunderung und Liebe zu der Prinzessin von Este aufgeblickt, als Karl Immermann zu Elisen. Dieser Vergleich liegt uns um so näher, da Elisens Freunde sie häufig der edlen Leonore ähnlich fanden; sie hatte dieselbe feine, vornehme Seele, den milden Ernst, die mondscheinartige Schwermuth, die sanftglühende Innigkeit wie jene, und die Hoheit ihres Wesens gebot zugleich Scheu, indem sie anzog.
Immermann hatte wohl schon auf der Universität seine ersten dichterischen Versuche gemacht, aber hier in Münster erst, in so begeisternder und fördernder Nähe, erwachte in ihm mächtig die Lust zum dichterischen Schaffen, und in rascher Folge entstanden in den vier Jahren, welche er in Münster zubrachte, unter den Augen Elisens die Gedichte »Jung Osrik« und »das Requiem,« das Lustspiel »die Prinzen von Syracus,« die Trauerspiele »das Thal von Ronceval,« »Edwin,« »Petrarca,« eine Sammlung Gedichte und der viel zu wenig bekannt gewordene Roman »die Papierfenster eines Eremiten,« in dem die Seelenzustände eines feurigen, jungen Herzens mit großer Wahrheit geschildert sind. Dann dichtete er das Trauerspiel »König Periander und sein Haus,« das Lustspiel »das Auge der Liebe« und endlich die feine und geistvolle Novelle, »der neue Pygmalion.«
Er selbst war nicht weniger als seine Freunde erstaunt über diese plötzliche Productionskraft, die wie ein neues Glück über ihn gekommen war; in zarten, lyrischen Ergüssen, die er niemand zu zeigen wagte, feierte er diejenige, welche durch ihre Anregung all diesen Reichthum in ihm geweckt hatte, und in seine entzückte Dankbarkeit mischte sich der Schmerz, daß sie ihm so unerreichbar fern stand, noch ferner als Tasso'n Leonore.
Elisa genoß mit reiner Freude diesen Verkehr mit einem jugendlich strebsamen Geiste, der sich so schön entfaltete. Ihre Gesellschaftsabende nahmen einen noch lebhafteren Aufschwung als zuvor; oft las Immermann dort mit seiner kräftigen, wohltönenden Stimme aus Goethe, Kleist, Shakespear und Calderon vor, und fesselte durch seinen ausdrucksvollen Vortrag; dazwischen las er seine eigenen Werke, in denen er die Empfindungen seines Herzens frei ausströmen ließ; die Gespräche, welche sich daran knüpften, waren für den jungen Dichter von unbeschreiblichem Werth, und besonders Elisens Urtheil entscheidend für ihn. Seine glänzenden Gaben kamen hier zur schönsten Geltung; eine eigenthümliche Mischung von scharfem Verstand und lebhafter Phantasie, eine liebenswürdige Erregtheit, gaben seiner Persönlichkeit etwas ungemein Gewinnendes.
Adolf Stahr, in seiner vortrefflichen Biographie Immermann's, schildert uns den Dichter, wie er ihn gesehen, als er bereits in den Vierzigen war, von mittler Größe, aber stark und kräftig gebaut, eine gedrungene, antike, römische Gestalt mit breiter Brust und starken Schultern, wie einer der alten Imperatoren. »Eine breite, hohe majestätische Stirn,« sagt Stahr weiter, »von dem starken, dunkeln, schon hier und da in's Graue neigenden, schlichten Haare mäßig beschattet, spiegelte eine gehaltene Hoheit und Ruhe, welche durch die kräftig geschlossenen Lippen und das scharf und tief blickende Auge zu dem Charakter strengen Ernstes und fester Entschlossenheit gesteigert wurde.« Damals jedoch, wo Elisa Immermann kennen lernte, war er dreiundzwanzig Jahre, schlank und jugendfrisch, ein poetischer Schmelz verklärte seine Züge, und aus den dunkeln, herrlichen Augen strahlte Geist und Leben.
In dem Freundeskreis, der Elisen umgab, mußte sie umsomehr Trost suchen, da die Betrachtung der allgemeinen Zustände wenig Erfreuliches hatte. Man mußte sich eingestehen, daß die Hoffnungen, welche man auf den Befreiungskrieg gesetzt, nicht in Erfüllung gegangen waren, dem Aufschwung war eine Erschlaffung gefolgt, die verheißenen Freiheiten nicht gewährt worden; die Lützower besonders waren unzufrieden, und hatten Ursache es zu sein, da man sie eher zurücksetzte, als nach Verdienst anerkannte. – Lützow war oft verstimmt, und fühlte sich gekränkt, Friedrich von Petersdorff, den die Gegenwart so wenig befriedigte, daß sein sehnlichster Wunsch dahin ging, sich einmal mit seiner Familie in die tiefste Stille auf's Land zurückziehen zu können, schrieb aus Memel klagend an Elisen: »Seit Friesen nicht mehr ist, sind Sie die Einzige, mit der ich die alten Zeiten mit den neuen vergleichen kann. Das Ideal, das uns damals vorschwebte, worauf wir mit graden Schritten loszugehn glaubten, das wir zu erreichen gewiß hoffen konnten, ist nicht allein weit entfernter von uns, sondern sogar jede Hoffnung es zu erreichen verschwunden. – Meine Idee von der Menschheit Glück ist noch dieselbe wie damals in Breslau, wo die Unterhaltung mit Ihnen darüber mir viele herrliche Stunden bereitete, doch bald nachher, noch in den ersten sechs Monaten, fand ich, daß meine Idee nur Wenige ansprach, und ich zog mich in mich selbst zurück, und ließ geschehn was ich nicht ändern konnte, ohne weiter Theil zu nehmen an dem, was geschah. – Wenn wir uns zu Zeiten einige Stunden sprechen könnten, dann wäre ich ganz glücklich, Elisa! Denn das ist, was mir hier ganz fehlt, ein Freund oder eine Freundin aus jener Zeit der glücklichen Ideenwelt. Die Zeit ist nun ganz vorüber, der schimmernde Stern verlosch schnell, so sehr schnell und bald, daß er nur ein schönes Traumgesicht gewesen, aber Sie, theuerste Elisa, sahen mit mir den Stern hell leuchten, und seine Strahlen werden unsre Herzen bis in den Tod erwärmen.« –
Elisa fühlte mit dem Freunde, daß die damaligen Zeiten verklungen waren, hatte aber doch wirksame Worte des Trostes für ihn, auf die er erwiederte: »Ihre Freundschaft macht mich unendlich glücklich, sie giebt meinem Leben einen goldenen Schein der freudigsten Phantasie, durch den ich immer in jenen Zeiten erhalten werde, wo die Hoffnungen zur Erreichung einer allgemeinen Beglückung uns beseligten. Durch das Andenken an jene Zeit, in welcher mir Ihre Freundschaft zuerst zu Theil wurde, schwindet die allgemeine Gegenwart, und jeder Brief von Ihnen überzeugt mich, daß, obgleich werthlos für's Allgemeine jene Zeit hinabgesunken, ist mir doch ein köstlicher Juwel – Ihre Freundschaft geblieben. Manchmal scheint es mir, als hätte ich in voriger Zeit geträumt, dann denke ich an Sie, an die hohe Begeisterung, die sich in Ihnen aussprach, und ich fühle mich wieder in die Wirklichkeit СКАЧАТЬ