Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer. Andree Richard
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СКАЧАТЬ eine ehrwürdige Baumgruppe die grasreichen Ufer desselben. Ueber der ganzen Landschaft aber schwebte das herrliche, ganz reine Lasurgewölbe des Himmels tropischer Hochgebirgsregionen. Kurz, alles vergegenwärtigt hier den Charakter der Hochalpen Europa’s, und es fehlten nur die malerisch gelegenen Sennhütten.“

      Der Ataba ist ein sehr wasserreicher, dem Takazzié zuströmender Gebirgsfluß, dessen Bett mit Felsblöcken gleichsam durchsäet ist. An seinem Ufer erhebt sich der 11,500 Fuß hohe Dschinufra, dessen trachytische, mit Mandelsteinen und Basalten durchsetzte Gebirgsmassen hier 3000 Fuß jäh abfallen und namentlich in seinem Woikall genannten Zweige von Süden her einen imposanten Anblick gewähren. Ueberreich ist Semién an ähnlichen grotesken Fels- und Berggestaltungen, sodaß es schwer hält, aus der großen Zahl der herrlichen Partien nur einige der schönsten auszuwählen, um sie dem Leser vorzuführen. Da ist der Awirr, der sich nach Norden zu mit dem hohen Selki verbindet und der nach Osten zu ins Takazziéthal abfällt, während sich sein Westabhang ins Appenathal senkt; ferner treffen wir hier auf die malerische Felspartie Teiit, ein Theil des Totscha.

      Unsere schwindelerregenden Alpenpässe mit ihren grausigen Schlünden, sie reichen in ihrer Gefährlichkeit nicht an die Berge Semiéns hinan. Der Weg windet sich oft an einer senkrechten Felswand neben furchtbaren Abgründen hin, sodaß auf ihm kaum ein unbeladenes Maulthier sicher hindurchkommen kann. An mehreren Stellen würde es sogar für Menschen unmöglich sein, vorbeizuklettern, wenn nicht an der ganz lothrechten Felsmasse auf künstlich angelegten Baumstämmen ein Pfad geschaffen wäre; aber auch dies ist mit so wenig Geschick gemacht, daß man oft in großer Lebensgefahr schwebt. Dazu gesellt sich das dornige Gesträuch, welches aus jedem Felsspalt dieser vulkanischen Massen wildwuchernd hervorstarrt und das Beschwerliche des Marsches im hohen Grade vermehrt. Diese Gefahren werden besonders von Heuglin in seiner Ueberschreitung des Amba-Ras in anschaulicher Weise geschildert. „Der Pfad, den kein Maulthier zu erklimmen im Stande ist, führt über zwei sehr enge, tiefe Schluchten hinweg von einem Felsgrat zum andern, übrigens häufig durch üppigen Baumschlag und grünes Gebüsch, an Quellen mit moosigem Gestein und blumigen Rasenplätzen hin, steiler und immer steiler aufwärts. Ueber schwindelnder Kluft liegt ein halbmorscher Baumstamm als Brücke, links erhebt sich eine starre Felswand; rechts herabzublicken in den Abgrund wagt keiner, ehe er die verhängnißvolle Passage hinter sich hat. An steilen Geländen windet man sich immer höher, zuweilen über weite Eisstrecken weg. Da scheint der höchste senkrechte Abfall des Amba-Ras wirklich jedes weitere Vordringen unmöglich zu machen, doch es öffnet sich eine Felsspalte von nur zwei bis drei Fuß Weite, wie in einem Schornstein klettert man vorsichtig, damit kein Stein lose wird, in alle möglichen Situationen übergehend, von Vorsprung zu Vorsprung und kommt zuletzt mit wunden Köpfen, Händen und Füßen auf der Plattform zwischen Bachit und Amba-Ras wieder zu Tage.“ So sind die Wege in Semién beschaffen und doch haben sie Armeen, aber abessinische Armeen, durchzogen und entscheidende Schlachten auf den Eisfeldern des Landes geliefert. Die meisten der angeführten Bergriesen Semiéns, außer denen wir hier noch den Walia-Kant, den Jotes-Saret, Barotschuha, Taffalesser und Ras-Tetschen nennen, erreichen eine Höhe von mehr als 14,000 Fuß über dem Meere und werden nur noch durch das Kollogebirge in den Galaländern übertroffen.

      Südwestlich von Semién setzen sich die Gebirge in der Hochfläche von Woggera fort, einer Art von gestaffelter Terrasse, die in ihrer höchsten Ebene bis zu 9500 Fuß emporragt, sich allmälig aber nach Südosten verflacht, unfern von Gondar aber immer noch ziemlich steil nach dem kesselförmig von Höhen umgebenen großen Becken des Tanasees abfällt. Woggera und alle Bergzüge in der Umgebung dieses großen Binnensees bestehen ganz aus vulkanischen Felsmassen und der durch ihre Zersetzung höchst fruchtbar gewordene Boden bildet eine herrliche Weidelandschaft. Von Gondar aus wendet sich, an die Abfälle Woggera’s anschließend, ein schmaler Gebirgszug ohne Unterbrechung nach Südosten, der die Verbindung mit dem Hochlande Begemeder herstellt und bei Derita seine größte Höhe zwischen 9000 und 10,000 Fuß erreicht. In Begemeder selbst treffen wir auf das hohe, von Heuglin erstiegene Gunagebirge (13,000 Fuß). Die Gipfel bestehen aus kahlen Trachytmassen, die ein milchweißes, feldspathartiges Gestein einschließen; an einzelnen Stellen der Gehänge sieht man Wacken und Thone und der ganze Gebirgsstock hat einen ansehnlichen Umfang. Nach Süden und Osten fällt er steiler ab und verläuft nach Westen nach und nach gegen den Blauen Nil und den Tanasee. Nach Osten zu schließen sich wieder, zum Theil mit dem Beschlostrome parallel laufend, hohe Gebirge an die Guna an, deren eines sich unmittelbar mit den Hochebenen der Länder Woadla, Talanta, Daunt, Jedschu und Lasta verbindet.

      Die Plateaux der zuerst genannten Länder steigen bis 9000 Fuß über das Meer an, während die höchsten Spitzen von Lasta wieder in die Eisregion hineinragen. Jenseit des Beschlo aber, im Lande der Wollo-Gala, steigt Abessiniens höchstes Gebirge, die Kollo, bis über 15,000 Fuß an, und auch in dem benachbarten, nach Westen zu gelegenen Gischem treffen wir auf 10,000 Fuß hohe Gipfel.

      Jenseit des Nil aber begegnen wir der durchschnittlich 8000 Fuß hohen Berglandschaft Godscham, die im Talbawaha mit 11,000 Fuß ihre größte Erhebung findet. Endlich im Süden steigen kühn und malerisch wie die Gebirge Semiéns die Felsmassen von Schoa auf, die in der „Mutter der Gnade“, dem Mamrat (13,000 Fuß), einen würdigen Abschluß finden.

      Flüsse. Die nach Westen und Nordwesten geneigten Hochflächen Abessiniens werden von zahlreichen Bächen und Strömen durchschnitten, die nach kurzem Laufe auf dem Plateau plötzlich in tiefeingeschnittene Thäler fallen, in welchen sie oft sehr schnell eine Tiefe von 3000 bis 4000 Fuß unter der Fläche des Tafellandes erreichen. So behauptet das Hochland von Semién in seinem ziemlich gleichförmigen Rande eine Höhe von 10,000 Fuß. Aber das Bett des Bellegas im Schoadathale liegt nur etwa 5400 Fuß, das des Takazzié an der Nordostgrenze gar nur 3000 Fuß über dem Meere. Die größeren Flußthäler, z. B. des Takazzié und des Abai im Süden, sind ziemlich weit; das letztere hat eine Breite von wenigstens fünf deutschen Meilen. Deshalb stellen die Abessinier ihr Tafelland stets als eine aus dem umgebenden Tieflande emporragende Insel dar. Die Thäler sind außerordentlich wild und unregelmäßig, im ganzen aber von ziemlich übereinstimmendem Charakter. Die obere Hälfte des Abfalls ist immer ungemein steil, oft aus vielfach zerrissenen horizontalen Bänken von Lava, Trachyt und Basalttuff gebildet; dann folgen terrassenförmig übereinander liegende Plateaux mit sanfteren Abfällen, oft aus fest zusammengebackenen Brocken vulkanischer Gesteine der Nachbarschaft und Dammerde bestehend. Auf der Thalsohle dagegen erscheinen wieder die vulkanischen Massen in ihrer Urgestalt, und die dort hausenden Hochwasser haben sich in denselben tiefe, rinnenartige Betten mit meist senkrechten Wänden eingerissen. In der trockenen Jahreszeit sind die Ströme in diesen Thälern theilweise ohne Wasser, kaum schlammigen Bächen ähnlich; in der Regenzeit überfluten sie das ganze Flachland. Da, wo die Flüsse das Flachland verlassen, bilden sie meistens Katarakte von bedeutender Höhe, und in solchen Wasserfällen und Stromschnellen senkt sich ihr Bett auf eine Strecke von wenigen Meilen um mehrere tausend Fuß.

      Prächtig hat vor allen andern Werner Munzinger dieses Anschwellen der abessinischen Ströme geschildert. Er führt uns in die tiefe Thalschlucht, in der es fast den ganzen Tag über dunkel ist, denn nur wenige Mittagsstunden dringt die Sonne in die schauerliche Tiefe. „Hier wird selbst der Vogel scheu und stumm und die am spärlichen Wasser sich labende Gazelle lauscht ängstlich auf bei jedem Geräusch in der fluchtwehrenden Enge. Da ist fast ewige Stille, nur unterbrochen von dem Murmeln des sich ins Freie drängenden Baches, selten gestört von dem Geheul der an den jähen Abgrund sich klammernden Affen.

      „Weh dem, der hier weilt in der Regenzeit! Von langer Fahrt müde bettet sich der Wanderer in dem Thal. Er ist von der Hitze so erschöpft, selbst diese finstern Gründe laden ihn zur Ruhe. Im heißesten Mittag wiegt er sich in süße Träume; seiner harret das freundliche Heim – da dröhnt es dumpf im Hochgebirge; ein Schuß, ein zweiter, dann der schreckliche, den ganzen Himmel durchrasende Donner.

      „Doch fürchtet er noch nichts, das Gewitter ist ja so fern. Er weilt und träumt, er sei schon bei den Lieben. Da erhebt sich von oben ein Rauschen, wie wenn der Wind durch die Blätter führe. Es wird lauter, gewaltiger, es zischt, es prasselt, es toset, es brüllt, als wenn die bösen Geister anführen – nun naht es, mauergleich, СКАЧАТЬ