Название: Wahre Geschichten eines Abends
Автор: Marina Linnik
Издательство: Региональное отделение продюсерского центра при Интернациональном Союзе писателей
Жанр: Современная зарубежная литература
isbn: 978-5-906857-05-7
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– Nein, – Nikifor Andrejewitsch schüttelte den Kopf. – Es war dieselbe…und trotzdem eine andere Handschrift. Anfänglich konnte man aus den Geschäftsnotizen das Bild eines selbstbewussten Menschen herausbekommen, – wohl mit einem dicken Vollbart, willensstarkem Gesicht und listigen Augen. Seine Geschäfte hatte er fest in seiner Hand; und mit jener sicheren Hand beschrieb er sie in seinem Tagebuch. Aber die letzten Seiten waren von einem Menschen gekritzelt, in dessen Seele… die Angst herrschte.
– Pourquoi vous avez decide cela[23]? – fragte die Gräfin verwundert und starrte Nikifor Andrejewitsch an.
– Seine Handschrift… Die Buchstaben wackelten tatsächlich. Es kam vor, er sei einmal aus einem herrischen, selbstsicheren Mann zu einem kraftlosen Greis mit zitternden Händen geworden… Um den Grund solcher Veränderungen herauszufinden, beschloss ich, den ganzen zweiten Teil des Tagebuches zu lesen, wozu ich zum Anfang zurückkehrte. Ich war bereit, alles Mögliche zu sehen, nur jene erste Zeile nicht: «Die Beichte eines reuigen Sünders».
– Trotzdem haben Sie alles gelesen? – erkundigte sich Graf Akussin.
– Wie konnte ich das Tagebuch danach bloß gleichgültig schließen? Natürlich habe ich das Bekenntnis des unbekannten Kaufmannes gelesen. Doch das, was ich erfahren musste, erschrak mich… Trotz der Müdigkeit und der schlaflosen Nacht, vertiefte ich mich ins Lesen der grausamen Beichte. Seit dem Tag verging schon ziemlich viel Zeit, aber ich kann mich jedes Wortes jener verzweiflungsvollen Geschichte entsinnen. Wenn Sie mir gestatten, würde ich sie lieber von der Ich-Person nacherzählen… «Wie viele Sachen fängt der Mensch an zu verstehen, wenn ihm der Schleier des Hochmuts fällt… Diese Last zu tragen ist schwer. Ich, Wassili, der Sohn von Nikolai Kuzmitsch, geboren am … Anno Domini, will euch meine schwere Sünde zugestehen, damit ihr, meine Kinder, diesen Weg nie gehen würden. Wegen dieser Sünde hat Herr Gott unsere Familie verflucht… Es geschah vor genau fünf Jahren. Damals war ich ein geschickter und erfolgreicher Kaufmann: Woran ich mich immer machte, hatte ich immer Glück. Das Gold floss in die Kästen – einen nach dem anderen, so dass ich sie nicht mehr zu zählen wusste. Aber ich hatte nie genug. Ich bin selber ein kluger und reicher Kaufmann, alle meine Frauen tragen Kleider aus lauter kostspieligen seidenen Stoffen, die Tafel biegt sich immer unter den Speisen. Doch es fiel mir ein, mich über anderen Menschen zu erheben, um noch mehr Beachtung zu genießen. Dafür kam ich allvorderst auf den Gedanken, ein Haus in Moskau zu errichten. Und zwar ein schönes Haus, damit alle jene Schönheit bewundern würden. Ich war damals, offen gestanden, ein eitler Mensch – möge Herr Gott mein Zeuge sein. Und dazu war ich ein Schürzenjäger. O weh, wie sehr habe die Weiber geliebt!.. Also ließ ich damals einen bekannten Baumeister kommen und erzählte ihm von meinem Wunsch. Also abgemacht: Für eine recht gute Gage versprach er mir, so ein Haus zu errichten, welches es in Moskau noch nie gegeben hatte. Ich scheute dafür kein Geld: Geschirr, Möbel, Ausstattung – alles kam aus fremden Ländern. Nach einem Jahr entstanden anstelle einer Hütte die prachtvollen Gemächer, die man nur mit der Zarenresidenz vergleichen könnte. Dem Haus fehlte nichts: schöner Aufgang, dicke Wände, Türmchen und Arabesken. Innen war es noch schöner: Die ganze Ausstattung aus dem Ausland, alles handgeschnitzt und beschlagen. Der Baumeister gab sich viel Mühe: Jeder Saal hatte seinen eigenen Stil. Ein Saal im Ritterstil, der andere – als Zarengemach ausgeschmückt und dann noch einer – ganz wie das Gemach eines überseeischen Königssohnes… alles überirdisch schön! Aber nur ich dachte so, den Moskauern aber kam mein Haus unbehaglich vor. Die ganze goldkuppelige Hauptstadt verhöhnte mich. Mich, der ich Wassili Nikolajewitsch heiße. Da geriet ich wegen meines Baumeisters in Wut und zahlte ihm seinen Lohn nicht. «Bedenk dich, Wassili Nikolajewitsch, – rief er im Eifer aus, – Siehst du selber etwa nicht, wie herrlich dein Haus ist! Die Neider haben mich angeschwärzt! Lass mal diese Lügen: Man zerrt mich doch wegen des Neides in Staub!» Doch ich wollte niemandem außer mir selbst zuhören. Ich sagte nur: «Hässlich ist alles, was du da errichtet hast. Und Schluss damit,» und schmiss ihn heraus. Da erzürnte er sich, sprang vom Stuhl und rief: «Ich schwöre bei Gott, dass es in diesem Haus niemandem wohl gehen wird! Ich verwünsche es!» Sobald er diese Worte fallen ließ, lief er aus dem Haus und niemand sah ihn wieder. Es kursierte aber einmal ein Geruch, er sei ertrunken oder habe sich erhängt… Ich hielt von diesen Worten nicht besonders viel. Was man von einem wütenden Menschen nicht alles hört! Inzwischen lernte ich eine Jungfrau kennen. Sie war märchenhaft schön und vollblütig! Auf diese und jene Weise bemühte
ich mich, sie anzulocken. Doch sie wollte auf mich so gut wie keinen Blick richten und von mir so gut wie kein Bescheid wissen. Dann habe ich ihr mein Haus geschenkt. Sie nahm das Geschenk gnädig an und begann sogar, mir gegenüber freundliches Entgegenkommen zu zeigen. Und dann… was habe ich meiner Königin nicht alles geschenkt: Schmucksteine, Zobelpelzmäntel, allerlei hochwertige Seidenstoffe – ich war bereit, die ganze Welt für sie zu gewinnen. Über kurz oder lang wurde das Herz meiner lieben Freundin nachgiebig. Nur eines betrübte mich damals: Wir sahen uns zu selten. Gewöhnlich war mein Diener Stjopka auch mein Bote: Er pflegte zu ihr vor mir zu kommen und Bescheid zu sagen, dass ich schon zu ihr unterwegs bin. Aber an dem Tag kam ich unangemeldet, denn ich brannte darauf, meiner Schönen ein Mitbringsel zu reichen. Und da erlebte ich mein blaues Wunder! Sie kam zwar in ihrer Kitschka aus, war aber ganz fusselig, und ihre Kleidung war über die Schultern geworfen. Ich stürzte in die Swetlitza und sah dort ihren Liebhaber. Ich erzürnte mich so, dass der Zorn mein Blut in Wallung brachte. Daran, was ich da tat, kann ich mich jetzt nicht einmal erinnern… Ich schmiss den halbnackt in den grimmigen Frost heraus, und was sie angeht…Ich packte sie am hellblonden Zorn und zog in den Keller hin. Ich ließ das Gesinde kommen und einen Ziegelstein bringen… Aus Geistesverwirrung ließ ich jene unanständige Dirne binden und – möge mir Herr Gott all die Sünden verzeihen – … sie bei lebendigem Leibe in die steinerne Hauswand einmauern. Bis auf den heutigen Tag höre ich ab und zu nachts ihr Klagegeschrei und Weinen, und die haben mir meine Ruhe geraubt – ich kann weder schlafen, noch essen. Egal, ob ich schlafe oder wach bin – steht mir nur eines vor den Augen: das Gesicht meiner Freundin, nass vor Tränen und dunkel vor Entsetzen. Aber damals bereute ich das, was getan wurde, nicht. Das ganze Gesinde schickte ich aus dem Haus in den Pferdestahl, damit niemandem einfallen könnte, ihren Herrn an der Nase herumzuführen, und zog selber aus dem Haus… Nach einiger Zeit kam ich auf den Gedanken, ein Gastmahl zu geben… aber auf eine neue Weise… es sollte nämlich ein Ball sein. Wegen meines Reichtums war ich ehrgeizig und wollte mich, den Wohltäter und Beschützer Wassili Nikolajewitsch, allen ins Gedächtnis einprägen. An dem Abend floßen überseeische spritzige Weine in Strömen, die Tafeln bogen sich unter den erlesensten Speisen. Tausende von Kerzen beleuchteten die Säle meines Hauses. Aber nicht nur darüber wunderten sich meine Gäste: Den Boden des Ballsaales hatte ich mit goldenen Tscherwonzen bestreuen lassen. Wer noch wusste es, sich über andere durch solche Großzügigkeit zu erheben?… Na ja, so was hatten die Moskauer Großtuer bisher nicht gesehen. Wie ein Pfau stolzierte ich von Saal zu Saal herein… Möge Herr Gott mir meinen Hochmut verzeihen. Der Ball erreichte seinen Höhepunkt, als DAS geschah. Es wehte zuerst eine leblose Kälte, und der ganze Saal schien vom Nebel gehüllt zu werden. Den Gästen fiel das nicht sofort auf, denn sie waren durch Tanz und Wein erhitzt. Mich aber überfiel eine große Aufregung. Ich sah mich beunruhigt um… In der Mitte des Saales, wo eben die Gäste auf den goldenen Tscherwonzen tanzten, entstand eine weiße Wolke. Die Gäste traten auseinander, und die Wolke begann, die menschliche Gestalt anzunehmen. Alles Lebendige, was es im Saal gab, wurde vor Entsetzen atemlos. Niemand wagte sich zu bewegen, die Angst fuhr allen in die Glieder. Von dem, was ich sah, stand ich wie gelähmt daher: In der Mitte des Saales stand … meine Schöne, weißgekleidet und ohne ihre weitgeöffneten Augen von mir abzuwenden. Dann schwebte sie langsam auf und näherte mich an. Es wurde mir bange. Ich wollte weglaufen, doch meine Füße schienen dem Boden anzuwachsen. In voller Stille stand das Mädel da und starrte mich an. Dann streckte sie sich und berührte meine Wange mit ihrer durchsichtigen Hand. Brennende Kälte hüllte mich dabei um. Ich trat rückwärts und fiel beinahe. Ein verächtliches СКАЧАТЬ
23
Pourquoi vous avez decide cela (fr.) – Warum sind Sie zu diesem Schluss gekommen?