Wahre Geschichten eines Abends. Marina Linnik
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СКАЧАТЬ den Weg zum Ausgang abschneiden. Ich bitte Sie… Wir müssen uns beeilen!» Aber er schien mir nicht zuzuhören. «Was für ein bitteres Gefühl ist es, das zu ahnen, Graf… Es ist mir wegen Russland so bange… Wenn jemand Fremder das gestohlen hätte… doch… Sogar die Treusten stehlen!»…

      In demselben Moment gerieten die Portieren des Schlafgemaches in Brand. Ohne eine einzige Sekunde zu zögern (ich muss gestehen, das war meinerseits ziemlich frech), nahm ich den Imperator, der immer noch nachdenklich da stand, an den Ellbogen und holte ihn aus dem Zimmer… Als einige Feuerwachen unserer Stadt kamen, stand der Palast größtenteils in Flammen. Das Feuer drang unaufhaltsam von Saal zu Saal, indem er die Räume schaurig rot ausleuchtete. Durch Brandgeruch und Rauch drängten wir zum Ausgang vor. Von allen Seiten war das Getöse abstürzender vergoldeter Lüster, die wegen des frechen Feuers schwarz wurden und wegen der Glut nun sich in Teile zerschlugen… Als es klar wurde, dass der Palast nicht zu retten ist, fasste der Imperator einen wichtigen Entschluss: «Holen Sie die Soldaten zurück und lassen Sie sie mindestens die Hermitage retten!». «Zu Befehl, Ihre Majestät,» – meldete ich und richtete unverzögert die Anordnung dem Leiter des höfischen Feuerwehrdienstes aus. In demselben Augenblick schloß uns Fürst Wolkonski an. Nun ähnelte sich dieser gestrobelte Mann dem pedantischen, immer funkelnagelneu gekleideten, strammen «Fürsten NEIN» (wie man ihn am Hof nannte) gar nicht. «Aber Ihre Majestät,» – seine Worte wurden vom Getöse, Krach und Geschrei gedämpft. – «Ob das vernünftig ist? Es gibt im Palast immer noch viele Gegenstände, die zu retten sind!» Der Imperator sah ihn trübe an. «Wenn wir nicht einmal die Hermitage retten, woran werden sich unsere Nachfolgen erinnern? Glauben Sie, sie werden auf unsere großen Siege besinnen? Nein, ganz im Gegenteil. Sie werden an unsere blamablen und bedauernswerten Verluste denken.» Dann sah er sich um und blickte auf die vieltausendköpfige Menschenmenge, die in einiger Entfernung stand und schweigend und mit stockendem Herzen beobachtete, wie das Höllenfeuer das einst prachtvolle Gebäude zerfrisst und wie der Teil von der russischen Geschichte für immer ins Vergessen schwindet… «Lassen Sie das Volk in den Palast hinein!» – folge der imperatorische Befehl. «Wie, bitte» – fragte Pjotr Michailowitsch und sah den Imperator erstaunt an. – Habe ich mich verhört? Wollen Sie alle diese… Leute den Palast betreten lassen? Aber wozu? Ich kann Sie nicht verstehen!» Der Imperator schwieg eine Weile, dann drehte er sich zum Fürsten um und sah ihn mit unverwandtem Blick an. «Lassen wir jeden etwas aus dem Palast holen», – folgte seine Antwort. Das Staunen vom Fürsten Wolkonski wollte kein Ende nehmen. Er nahm mich auf die Seite und begann zu überzeugen: «Mein lieber Freund, jetzt ist nur auf Ihren Einfluss auf den Imperator die Hoffnung.

      Reden Sie ihn von diesem dummen Vorhaben ab. Das ist doch Wahnsinn! Ich würde es lieber verbrennen lassen, damit dieses ganze Gesindel davon nichts kriegt.» «Pjotr Michailowitsch», – ich gab mir Mühe so laut wie möglich zu sprechen. – «Ich bin nicht berechtigt, Seiner Majestät etwas zu raten. Ich bin genauso wie Sie ein einfacher Soldat und bespreche die Befehle nicht.» «Aber Graf…» – Fürst Wolkonski machte noch einen Versuch mich zu überreden, den Imperator zu bewirken. Aber ich schüttelte ablehnend den Kopf. Als der Fürst einsah, dass seine Zureden kein Effekt haben, ging er selbst dem Imperator, der steif wie Marmorbild stand, zu und rief leidvoll aus: «Da wird man alles davon schleppen!» «Lassen wir es meinetwegen lieber so sein. Dem Feuer alles zu überlassen wäre viel schlimmer… So ist allem Ansehen nach Herren Gottes Willen,» – sagte der Imperator trübe, seufzte tief und ging vom Palast zu seiner Kutsche.

      – Hatte der Imperator jene Vandalen den Palast vernichten lassen? Unglaublich! – rief Fürst Besborodski erstaunt aus. – So ein Absurd! Der Imperator hätte das nicht tun können.

      – Schon das zweite Mal während dieses Abends erlauben Sie sich, die Richtigkeit meiner Worte in Zweifel zu ziehen, Nikifor Andrejewitsch. Möchten Sie mir vielleicht Lüge vorwerfen? – Graf Lunin sah den Fürsten herausfordernd an.

      – Nein, natürlich nicht, Graf, – erwiderte der Fürst, der wegen des unerwarteten Ausfalls von Iwan Dmitrijewitsch in Verwirrtheit geriet. – Aber die Sachen, von denen Sie uns jetzt erzählen, sind so seltsam, dass man sich den Zweifel kaum verbeißen kann. Jedenfalls bitte ich Sie ganz herzlich um Verzeihung, wenn mein ungekünsteltes Erstaunen Sie gekränkt hat.

      – Allerdings ist das pure Wahrheit, – antwortete der Graf. Er nahm sich dank Natalja Andrejewnas flehendem Blick, den sie zur rechten Zeit auf ihn warf, zusammen. – Ich verstehe Ihr Missvertrauen sehr gut, und Sie können mir glauben, Sie sind nicht die einzigen die so meinen. Aber ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass nicht das winzigste Detail meiner Erzählung erfunden ist…

      – Und was passierte dann, Graf? – fragte die junge Gräfin, die sich von ihrer Befangenheit schon erholt hatte.

      – Es verging so ziemlich viel Zeit, bis die Menschenmenge, die sich vor dem Palast versammelt hatte, begriff, was man von ihr verlangt. Aber als die Menschen begriffen, war so ein ohrenbetäubendes Gebrüll über dem Platz zu hören, dass es mir schien, das Feuer sei selbst für ein paar Sekunden vor Überraschung lahm geworden und habe die Flammen in den Palast hineingezogen. Schreiend stürzten die Menschen ins brennende Gebäude. Fürst Wolkonski war ein wahres Jammerbild. Sein verblasstes, ziemlich attraktives Gesicht mit edlen Zügen drückte den ganzen Schmerz und Zweifel aus, die seine Seele quälten. Dieser felsenfester Mann, der viele Schlachten überstanden und nie Angst aufgewiesen hatte, stand vor dem Winterpalast, seine Augen voller Tränen, und stellte sich entsetzt vor, welchen Schaden der ihm anvertraute Haushalt erlitt und mit welchem Schaden er später noch zu rechnen hatte. Während die einen nacheinander folgend in den Palast hineinliefen, sprangen die anderen im Schweiß vor unerträglicher Hitze badend heraus. Sie schnappten nach Luft und husteten sich die Seele aus dem Leib wegen des beißenden Rauchs, doch jeder hielt etwas in den Händen. Der Haufen der vom Feuer geretteten Gegenstände wuchs mit jedem Augenblick. Unter den herumlaufenden Menschen war der Palastlakei Fjodor, fuchtelte bitterlich mit seinen Händen herum und jammerte: «Auf euch ist jetzt die ganze Hoffnung, Brüder… Bloß nicht klauen, Brüder… Um Christi Willen, bloß nicht klauen… Orthodoxen!» An mir lief ein kräftiger Bauer vorbei, in seinen Händen hielt er eine riesige Vase. Er stellte sie sorgfältig auf den Schnee, wischte den Schweiß mit dem Ärmel seines Schafspelzmantels und sagte trübe: «Wieso schreist de? Sind wir halt nicht kopflos. Unseren gnädigen Herrn in Not alleine zu lassen… Is es möglich?» Als er das sagte, lief er in den Palast wieder… Gegen 6 Uhr morgens war das ganze Gebäude von Flammen gebannt…

      – Kann ich mich jetzt gut daran erinnern, – sagte der bejahrte Onkel der Gräfin nachdenklich. – Am Abend jenes Tages stieg ich in einer Station ab, um die Pferde zu wechseln. Es blieben etwa 20 Wersten bis Petersburg. Der Feuerschein von der Seite der Hauptstadt war so groß, dass es uns Sündern vorkam, die Erde habe sich aufgetan.

      – So war es leider wirklich. In seinen Lebenserinnerungen verglich Andrej Wassiljewitsch Schukowski den Brand im Winterpalast mit einem Vulkanausbruch. Eine genauere Beschreibung wäre schwer zu finden, – redete Graf Lunin dem alten Herrn nach.

      – War das trotzdem gelungen, mindestens einen Teil des Gutes zu behalten oder war alles endgültig verloren und vom Pöbel ausgeplündert? – erkundigte sich Natalja Andrejewna.

      – Ich erfreche mich nicht mehr, Sie zu quälen und mit Anspielungen zu reizen, gnädige Herrschaften, – antwortete Iwan Dmitrijewitsch lächelnd. – Obwohl das Feuer, wie ich schon gesagt habe, zwei Tage wütete, nahm Fürst Wolkonski, der immer in seiner Pedanterie unübertrefflich war, die Berichte von den ihm anvertrauten Menschen an und überprüfte aufs Penibelste jeden einzigen Buchstaben. Doch als er alle Berichte, Register und Unterlagen eines der Dienste durchsah und überprüfte, wollte sein Staunen kein Ende nehmen… Es war gelungen, aus dem brennenden Palast das GANZE dortige Gut herauszuholen und zu retten. C’est la pure vérité![17] Ohne seinen Augen zu glauben, ließ er den Hauptlakaien zu sich holen und befragte ihn mit aller Strenge: «Bist du sicher? Nichts ist also СКАЧАТЬ



<p>17</p>

C’est la pure vérité (fr.) – Das ist eine pure Wahrheit.