Название: Arztstrafrecht in der Praxis
Автор: Klaus Ulsenheimer
Издательство: Bookwire
Серия: Praxis der Strafverteidigung
isbn: 9783811406421
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Die Fallbeispiele machen deutlich, dass der Arzt gegenüber dem Vorwurf fehlender, unvollständiger oder verspäteter Aufklärung im Strafprozess oft in einer aussichtslosen Verteidigungsposition ist, da der Patient auf Grund seiner Zeugenstellung und der daraus resultierenden Wahrheitspflicht fast immer das „Glaubwürdigkeitsduell“ mit dem Arzt gewinnt, der als Beschuldigter bzw. Angeklagter ohne Sanktion die Unwahrheit sagen darf. Seine Beweisnot ist daher – trotz des Grundsatzes in dubio pro reo im Strafverfahren – in der Praxis kaum anders als im Zivilprozess. Deshalb ist der Arzt auf dem Feld der Aufklärung leicht „verwundbar“.
d) Der Myom-Fall und seine Folgen
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Wie sehr auch ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung infolge mangelnder Risikoaufklärung persönliche Belastungen und weitreichende Veränderungen im privaten Lebensbereich bis hin zur Existenzgefährdung mit sich bringen kann, zeigt schon der Verlauf des berühmten „Myom-Falles“.[29]
Beispiel:
„Der angeklagte Chefarzt hatte bei der Untersuchung einer 46 Jahre alten Patientin eine doppelfaustgroße Gebärmuttergeschwulst (Myom) festgestellt und zu deren operativer Entfernung geraten. Erst während der Operation ergab sich, dass die Geschwulst nicht auf der Oberfläche der Gebärmutter saß, sondern mit ihr fest verwachsen war und deshalb nur durch gleichzeitige Ausräumung der Gebärmutter beseitigt werden konnte. Mit einem so weitgehenden Eingriff war die Patientin jedoch im Nachhinein nicht einverstanden, so dass sie Strafanzeige mit der Begründung erstattete, der Angeklagte habe „aufgrund der Untersuchung und der Besprechung mit ihr“ die „Zustimmung zur Entfernung der Gebärmutter“ nicht annehmen können und dürfen“.[30]
Den Freispruch des LG hob der BGH auf die Revision der Nebenklägerin hin mit der Begründung auf, der Arzt habe nach den tatrichterlichen Feststellungen die Patientin vor der Operation nicht ausdrücklich über die möglicherweise erforderlich werdende Totalausräumung des Uterus aufgeklärt (er unterließ dies, um sie „nicht über das Notwendigste hinaus zu beunruhigen)“.[31] Deshalb hätte die Strafkammer erörtern müssen, ob der Angeklagte vor der Operation nicht an die naheliegende Möglichkeit einer eventuell notwendigen völligen Entfernung der Gebärmutter hätte denken und dann seine Patientin auf diese Möglichkeit hinweisen müssen.[32]
Dieser Pflicht sei er in der Regel auch dann nicht enthoben, wenn er durch die Aufklärung seine Patientin beunruhigen müsse. Eine falsch verstandene Rücksicht könne sich nur allzu leicht nachträglich als eine unerwünschte Verheimlichung ihres wahren Zustands herausstellen, wie die schweren Vorwürfe der Beschwerdeführerin zeigten.[33] Wie weit die Pflicht des Arztes zur Aufklärung eines Kranken reicht, ließ der BGH im vorliegenden Fall offen, vielmehr „wies er insoweit auf die nach seiner Auffassung zutreffenden Grundsätze“ des VI. Zivilsenats des BGH hin.[34]
In der neuen Hauptverhandlung wurde der Chefarzt wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt, doch hat der BGH dieses Urteil wiederum aufgehoben, weil der Tatrichter nicht geprüft habe, ob der Angeklagte „auch hätte erkennen können und müssen“, dass die Patientin im Falle ihrer vollständigen Aufklärung „einen Eingriff dieses Umfangs“ (Totalausräumung des Uterus) „endgültig verweigert“ hätte.
Leider fand die neue Hauptverhandlung jedoch nicht mehr statt, da der angeklagte Arzt zuvor verstorben war – nach den Worten Tröndles „ein Opfer, das dem Selbstbestimmungsrecht einer geheilten Patientin dargebracht worden ist“.[35] Obwohl der Eingriff absolut indiziert und lege artis durchgeführt worden war, musste der Chefarzt, nur weil er eine bestimmte Komplikation nicht vorausgesehen und darüber die Patientin nicht aufgeklärt hatte, zwei landgerichtliche Hauptverhandlungen und zwei Revisionsverfahren vor dem BGH durchstehen. Lediglich sein Tod verhinderte, dass es – nach vierjähriger Prozessdauer – noch zu einer fünften Hauptverhandlung wegen dieses Vorwurfs kam. Die psychischen und physischen Belastungen eines Strafverfahrens könnte man kaum eindrucksvoller belegen.
e) Übernahme und Einschränkung der Zivilrechtsjudikatur im Strafrecht
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Wenngleich der Ursprungsort des Problems im Strafrecht liegt,[36] wurden die maßgeblichen Richtpunkte zur ärztlichen Aufklärungspflicht СКАЧАТЬ