Название: Handbuch des Aktienrechts
Автор: Hans-Peter Schwintowski
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811443150
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In der Praxis stellt die Inhaberaktie mittlerweile wohl nicht mehr den Regelfall dar,[27] da namentlich eine Vielzahl der börsennotierten AG in den letzten Jahren ihre Aktien auf Namensaktien umgestellt haben. Im Zeitraum von 1999 bis 2001 wandelten ein Drittel der DAX-30 Unternehmen ihre Inhaberaktien in Namensaktien um.[28] In den Jahren 2008 bis 2011 waren es weitere fünf Unternehmen.[29] Mittlerweile geben 16 der DAX-30 Unternehmen Namensaktien aus (Stand November 2015).
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Die Gründe für eine solche Umstellung bzw. die Wahl von Namensaktien sind vielfältiger Natur. Nachdem die Handelbarkeit der Namensaktien durch den technischen Fortschritt und die Änderungen durch das NaStraG[30] derjenigen der Inhaberaktie rein tatsächlich weitgehend entspricht,[31] ist der Nachteil, der viele AG in der Vergangenheit von der Namensaktie abhielt, entfallen. Da mithin die Namensaktie zur echten Alternative zur Inhaberaktie wurde, motiviert vor allem der Umstand viele Unternehmen zur Umstellung der Aktien, dass bei der Namensaktie die Aktionäre der AG namentlich bekannt sind. Hierdurch kann die AG die sog. Investor Relations verbessern und – so jedenfalls die entsprechenden Überlegungen – die Aktionäre besser an sich binden. Zudem kann die Gesellschaft durch Beobachtung der Zusammensetzung ihres Aktionärskreises feindliche Übernahmen besser antizipieren[32] und die Aktionäre schneller erreichen, wenn es darum geht, diese über die Nachteile eines feindlichen Übernahmeangebots zu informieren. Schließlich ist vielfach eine angestrebte Notierung an der New York Stock Exchange Anlass für die Umstellung von Inhaber- auf Namensaktien, da dort keine Inhaberaktien gelistet werden können. Damit entfällt das umständliche und kostspielige American Depositary Receipts-Programm, welches auch Unternehmen mit Inhaberaktien den Zugang zum U.S.-Aktienmarkt ermöglicht.[33] Ein weiterer Grund für die Umstellung auf Namensaktien liegt in der Möglichkeit der Vinkulierung.[34] Der Gesetzgeber selbst etablierte mit der Aktienrechtsnovelle 2016 die Ausgabe von Namensaktien als Grundsatz, indem er die Wahl von Inhaberaktien einschränkte (§ 10 Abs. 1 AktG n.F., s.o.). Hierdurch versuchte er, transparentere Beteiligungsverhältnisse und eine effektivere Geldwäschebekämpfung zu erreichen; zuvor hatte die Financial Action Task Force mangelnde Beteiligungstransparenz und unzureichende Informationsmöglichkeiten für Behörden bei deutschen nicht börsennotierten Gesellschaften mit Inhaberaktien gerügt.[35]
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Wenn den Gründern ein Wahlrecht zwischen Namens- und Inhaberaktien zusteht – Voraussetzung ist, dass die neu zu gründende AG die Anforderungen des § 10 Abs. 1 S. 2 AktG erfüllt (siehe oben) – werden sie sich bei der Neugründung häufig dann für Namensaktien entscheiden, wenn die Einlagepflicht (noch) nicht direkt vollständig erfüllt werden soll (§ 10 Abs. 2 S. 1 AktG).[36] Aber diese Konstellation zwingt nicht unbedingt zum Einsatz von Namensaktien, denn auch hier können in der Satzung Inhaberaktien vorgesehen und bis zur vollständigen Einlageleistung Zwischenscheine ausgegeben werden.[37] Zum anderen bieten sich Namensaktien dann an, wenn der Aktionärskreis überschaubar ist und bleiben soll. In diesem Fall, wie beispielsweise bei Familien-AG,[38] werden die Namensaktien zudem häufig mit einer Vinkulierung nach § 68 Abs. 2 S. 1 AktG versehen, können also nur übertragen werden, wenn die AG zustimmt. Auch wenn Entsenderechte in den Aufsichtsrat nach § 101 Abs. 2 S. 2 AktG gewährt werden sollen, kommt nur die Ausgabe von Namensaktien in Betracht.
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Streitig ist in diesem Zusammenhang, ob – gerade im Fall der nicht vollständigen Einlageleistung – die Satzung nach § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG auch ausschließlich Inhaberaktien vorsehen kann, obwohl – bis zur Einlageleistung – Namensaktien ausgegeben werden.[39] Bereits aus Vorsichtsgründen, aber auch weil die Gegenansicht jedenfalls zeitweilig zu einer unrichtigen Satzung führen würde, sollte die Satzung in diesem Fall auch die Ausgabe von Namensaktien vorsehen.
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Fehlen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 2 AktG für die Ausgabe von Inhaberaktien oder fallen diese nachträglich weg, gilt Folgendes:[40] Sieht die Satzung einer nicht börsennotierten Gesellschaft vor, Inhaberaktien auszugeben, ohne dass die Einzelverbriefung ausgeschlossen wird (§ 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG), ist die Satzungsbestimmung nichtig.[41] Eine neu zu gründende Gesellschaft kann infolge dieses Eintragungshindernisses nicht eingetragen werden (§§ 38 Abs. 4 Nr. 1, 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG) und damit nicht zur Entstehung gelangen.[42] Würde die Gesellschaft dennoch eingetragen werden, wäre sie in einem Verfahren nach § 399 FamFG zwangsweise aufzulösen.[43] Beschließt die Hauptversammlung einer bereits bestehenden AG nachträglich, anstelle von Namensaktien nunmehr Inhaberaktien auszugeben, ohne die Einzelverbriefung auszuschließen (§ 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG), ist dieser Beschluss nichtig (§ 241 Nr. 3 AktG).[44] Wurde die Einzelverbriefung zwar ausgeschlossen, die Sammelurkunde aber noch nicht bei den in § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. a bis c AktG genannten Stellen hinterlegt oder aber die Sammelverwahrung nachträglich aufgehoben, treten die vorgenannten Folgen nicht ein; über die Inhaberaktien muss dann aber ein Aktienregister entsprechend § 67 AktG geführt werden (§ 10 Abs. 1 S. 3 AktG).[45] Wenn eine Inhaberaktien ausgebende börsennotierte Gesellschaft (durch ein Delisting oder Downlisting in den Freiverkehr) nachträglich ihre Börsenzulassung verliert (§ 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG) und es auch an dem nach § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG erforderlichen Ausschluss des Anspruchs auf Einzelverbriefung fehlt, werden ihre Inhaberaktien unrichtig i.S.d. § 73 AktG; sie müssen daher umgetauscht, berichtigt oder mit Zustimmung des Gerichts für kraftlos erklärt werden.[46] Denn die Gesellschaft darf nach § 10 Abs. 1 S. 1, 2 AktG fortan nur noch Namensaktien ausgeben, wofür die Satzung entsprechend zu ändern ist.[47]
3.2 Weitere Ausnahmen von der eingeschränkten Wahlfreiheit – Rechtsfolgen bei Verstößen
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Die unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 2 AktG bestehende Wahlfreiheit zwischen den Aktienarten ist allerdings in einigen Fällen weiter eingeschränkt. So ist die Ausgabe von Inhaberaktien gem. § 10 Abs. 2 S. 1 AktG dann nicht möglich, wenn diese vor der vollen Leistung der (Bar- oder Sach-)[48] Einlage ausgegeben werden sollen. Hierdurch soll es der AG erleichtert werden, ihren Einlageschuldner zu identifizieren,[49] denn ihr gegenüber gilt gemäß der unwiderlegbaren Vermutung aus § 67 Abs. 2 AktG derjenige als Aktionär, der im Aktienregister eingetragen ist,[50] auch wenn die Aktie bereits dinglich übertragen wurde. Wurde trotz ausstehender Einlageleistung eine Inhaberaktie ausgegeben, ändert dies zunächst weder etwas an dem wirksamen Entstehen der Aktie[51] noch an dem Bestehen der Einlagepflicht.[52] Allerdings besteht in einem solchen Fall das Risiko, dass ein Zweiterwerber die Aktie gutgläubig lastenfrei gem. § 936 BGB erwerben kann, also ohne gleichzeitig der Verpflichtung zur Einlageleistung ausgesetzt zu sein.[53] Die Aktie ist dann endgültig zur Inhaberaktie geworden und entsprechend zu behandeln.[54] Ein gutgläubig lastenfreier Erwerb kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die Satzung auch die Ausgabe von Inhaberaktien generell zulässt.[55] Im Fall des gutgläubig lastenfreien Erwerbs bleibt der ursprüngliche Zeichner auch nach Übertragung zur Einlageleistung verpflichtet;[56] ergänzend haften zudem Vorstand und Aufsichtsrat gem. §§ 93 Abs. 3 Nr. 4, 116 AktG für den der AG entstehenden Schaden.[57] Zudem stellt der Verstoß gegen § 10 Abs. 2 S. 1 AktG eine Ordnungswidrigkeit nach СКАЧАТЬ