Название: Bankrott und strafrechtliche Organhaftung
Автор: Jörg Habetha
Издательство: Bookwire
Серия: Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht
isbn: 9783811438484
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b) Kredit und Überschuldung
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Ein Bankkredit besitzt Fremdkapitalcharakter. Die Pflicht des Kreditnehmers, den vereinbarten Zins zu zahlen sowie das zur Verfügung gestellte Darlehen bei Fälligkeit zu tilgen (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB), ist bilanziell als Verbindlichkeit zu passivieren.[223] Mit Blick auf den Insolvenzeröffnungstatbestand der Überschuldung ist die Folge, dass gewährte Kredite nicht selten die wesentliche Ursache einer „bilanziellen Überschuldung“ (als Tatbestandsvoraussetzung von § 19 Abs. 2 InsO) darstellen. Dies gilt zunächst unabhängig davon, ob ein Darlehen in Folge Kündigung zu vorzeitiger Rückzahlung fällig ist. Der letztgenannte Umstand hat allerdings Auswirkungen auf die Beurteilung der Fortführungsprognose.[224]
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Nach aktuell geltender Rechtslage führt eine positive Fortführungsprognose ohne weiteres zum Ausschluss des Eröffnungstatbestands der Überschuldung (§ 19 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 InsO). Maßgeblich ist, wie gesehen, ob die Ertragsfähigkeit eines Unternehmens auf absehbare Zeit (mindestens bis zum Ablauf des nächsten Geschäftsjahres) gewährleistet oder wiederhergestellt werden kann, so dass die Fortführung des Geschäftsbetriebs wahrscheinlicher ist als dessen „Stilllegung“ (Liquidation).[225] Der durch eine Kreditrückführung bewirkte Liquiditätsentzug ist gerade in der Krise geeignet, eine Fortführung des Unternehmens auszuschließen, sofern dem Unternehmen, wie häufig in dieser Situation, die erforderliche Bonität fehlt, Liquidität anderweitig zu akquirieren. Regelmäßig begünstigt eine Kreditkündigung und -rückforderung in der Krise damit ebenfalls die Voraussetzungen des Eröffnungstatbestands der Überschuldung i.S.v. § 19 Abs. 2 InsO, sofern zugleich „bilanzielle Überschuldung“ eingetreten ist.
Anmerkungen
Das Bankensystem der Bundesrepublik Deutschland wird als zweistufig und marktwirtschaftlich ausgerichtet charakterisiert, wobei die kundenorientierte Ebene der Geschäftsbanken von der eigenständigen Stufe des Zentral- und Notenbankwesens auf einer funktional eigenständigen, übergeordneten zweiten Stufe überlagert wird, vgl. Tolkmitt Bankbetriebslehre, S. 33; Claussen Bank- und Börsenrecht, § 1 Rn. 26: „holzschnittartige Trennung“. Zum Geschäftsbankensystem der Bundesrepublik Deutschland gehört neben dem öffentlich-rechtlichen Kreditwesen (insbesondere Sparkassen und Landesbanken, Marktanteil insgesamt etwa 40 %) der Genossenschaftsbankensektor (Marktanteil zwischen 15-27 %) sowie der private Kreditbankensektor (Großbanken, Regionalbanken sowie Privatbankiers); zu den „drei Säulen“ des Bankwesens ausführlich Claussen Bank- und Börsenrecht, § 1 Rn. 31 ff.; Rümker/Keßeböhmer in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 124 Rn. 65 ff.
Mit dieser Charakterisierung etwa Tolkmitt Bankbetriebslehre, S. 4; R. Fischer in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einf Rn. 62.
Häuser in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 85 Rn. 22; Büschgen/Börner Bankbetriebslehre, S. 16; Tolkmitt Bankbetriebslehre, S. 2; ähnlich Schwark ZHR 151 (1987), 325 (326).
Eilenberger Bankwirtschaftslehre, S. 27 f.; hierzu auch Knierim in: Wabnitz/Janovsky, 8. Kap. Rn. 1. Zu den volkswirtschaftlichen Folgen einer Optimierung der Kapitalallokation siehe R. Fischer in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 125 Rn. 13.
Reichsjustizgesetz in der Fassung vom 20.5.1898 (RGBl., S. 169, 612).
Hahn Die gesammelten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. IV, S. 292, zitiert bei Tiedemann ZIP 1983, 513.
Levy Konkursrecht, 2. Aufl. 1926, S. 1.; zur Bedeutung des Kredits in diesem Zusammenhang bereits Cohn GA 1983, 198 (199).
Kiethe KTS 2005, 179 (183).
Aufgehoben durch Art. 1 Nr. 22 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I, S. 2026 ff.); die Regelung gilt für „Altfälle“, d.h. bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum 1.11.2008, fort; vgl. Art. 103d EGInsO sowie BGHZ 179, 249.
Inhalt der Eigenkapitalersatzvorschriften war, dass, sofern die Gesellschafter statt Eigenkapital (Gesellschafter-)Darlehen zugeführt hatten, diese einen Anspruch auf Rückgewähr der Darlehen im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nur als nachrangige Insolvenzgläubiger geltend machen konnten.
Drukarczyk/Kippes in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch § 2 Rn. 1.; zum Wortsinn Siller Kriminalistik 2010, 385.
Hierzu im Einzelnen Drukarczyk/Kippes in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch § 2 Rn. 2.
Ebbing KTS 1996, 327 (331).