Название: Die Staatsanwaltsklausur: Prüfungswissen für das Assessorexamen
Автор: Christian Jakob
Издательство: Bookwire
Серия: Referendariat
isbn: 9783811487079
isbn:
B. Der Obersatz
9
Die Formulierung des Obersatzes weist Unterschiede zum 1. Staatsexamen auf. Zum einen ist der Prüfungsgegenstand nie die Strafbarkeit einer Handlung (nicht: „A könnte sich wegen (…) strafbar gemacht haben, indem (…)“), sondern stets nur der hinreichende Tatverdacht. Fehler an dieser Stelle wiegen schwer, weil Ihnen fehlendes Systemverständnis vorgeworfen werden könnte.
Zum anderen wird in manchen Bundesländern wie in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt verlangt, dass Sie das Beweismittel nennen, das Sie zur Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts veranlasst.[6]
Formulierungsbeispiel:
„Die Aussage des Zeugen Bähre, der Beschuldigte A habe ihn geschlagen, gibt Anlass zur Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts gem. § 223 Abs. 1 StGB.“
In Bundesländern wie NRW und im Bereich des Gemeinsamen Prüfungsamtes der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig- Holstein (GPA) ist es hingegen üblich, dass Sie die zu prüfende tatsächliche Handlung benennen.
Formulierungsbeispiel:
„A könnte sich gem. § 223 Abs. 1 StGB hinreichend verdächtig gemacht haben, indem/wenn[7] er M schlug.“
10
Wenn Sie die Tathandlung näher beschreiben, benutzen Sie – wie auch bei der Bezeichnung der Abschnitte im A-Gutachten – nie Rechtsbegriffe; diese gilt es erst noch zu prüfen.
Falsch: „Die Aussage des Zeugen B, der Beschuldigte A habe ihm das Handy weggenommen, gibt Anlass zur Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts gem. § 242 Abs. 1 StGB.“
Richtig: „Die Aussage des Zeugen B, der Beschuldigte A habe Bs Handy in die eigene Jackentasche gesteckt, gibt Anlass zur Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts gem. § 242 Abs. 1 StGB.“
Nach dem Obersatz sollten Sie den hinreichenden Tatverdacht einmalig in der Klausur definieren.
C. Vorliegen von Strafverfolgungshindernissen
11
Bevor Sie in die Deliktsprüfung einsteigen, denken Sie zunächst an das Vorliegen etwaiger Strafverfolgungshindernisse bzw. -voraussetzungen, die Sie nur ansprechen, sofern hierzu Anlass besteht.
Es gibt personenbezogene (z.B. Strafunmündigkeit, § 19 StGB) und sachbezogene (z.B. anderweitige Rechtshängigkeit) Strafverfolgungshindernisse bzw. -voraussetzungen. Typischerweise sind aber lediglich drei von ihnen in der Klausur relevant:
• | der Strafklageverbrauch |
• | kein (wirksamer) Strafantrag bei absoluten Strafantragsdelikten |
• | die Verjährung |
Liegt ein Strafverfolgungshindernis vor bzw. fehlt eine Strafverfolgungsvoraussetzung, ist der hinreichende Tatverdacht aus Rechtsgründen zu verneinen. Jede weitere Prüfung der Strafvorschrift verbietet sich sodann in der Klausur. Vertiefendes hierzu in Abschnitt 2.
D. Prüfung des Delikts
12
Ist die Straftat verfolgbar, sind im nächsten Schritt die Voraussetzungen der Strafvorschrift zu prüfen. Das kennen Sie aus dem 1. Staatsexamen.
13
Im Tatbestand prüfen Sie wie gewohnt die Tatbestandsmerkmale des Delikts unter Auswertung des ermittelten Sachverhalts. Liegen Tatbestandsmerkmale unproblematisch vor (z.B. das Polizeiauto ist eine „fremde bewegliche Sache“ gem. § 242 Abs. 1 StGB), sollten Sie dies im Urteilsstil feststellen. Im 2. Staatsexamen gilt es in verstärktem Maße nur die problematischen Tatbestandsmerkmale im Gutachtenstil zu prüfen. Bei der Subsumtion müssen Sie die in Betracht kommenden Beweismittel würdigen und ggf. prüfen, ob sie prozessual verwertbar sind. Hier können Schwerpunkte der Klausur liegen. Vertiefendes hierzu in Abschnitt 3.
Benannte minder schwere bzw. besonders schwere Fälle wie § 213 oder § 246 Abs. 2 StGB sowie Tatbestände mit Regelbeispielen (insb. § 243 StGB) werden –wie auch Qualifikationen und Privilegierungen – in die Deliktsprüfung integriert.[8] Die erheblich verminderte Schuldfähigkeit gem. § 21 StGB soll teilweise im A-Gutachten (z.B. im GPA-Bereich)[9] und teilweise im B-Gutachten[10] (dort unter dem Gesichtspunkt der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts) geprüft werden. Unbenannte besonders schwere oder minder schwere Fälle (z.B. § 250 Abs. 3 StGB) sollen im B-Gutachten unter dem Gesichtspunkt der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts angesprochen werden.[11]
14
Auch auf den Wertungsebenen Rechtswidrigkeit und Schuld sollten Sie sich in der Regel kurzfassen. Liegen Vorsatz, Rechtswidrigkeit und/oder Schuld unproblematisch vor, ist es in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sogar angeraten, den hinreichenden Tatverdacht direkt zu bejahen, ohne sein Vorliegen formelhaft festzustellen.[12] In anderen Bundesländern mag es ratsam sein, an der bewährten Struktur festzuhalten.
15
Auf die Schuldausschließungsgründe des § 20 StGB ist nur bei ernsthaften Zweifeln einzugehen. Während die Schuldfähigkeit bei Heranwachsenden und Erwachsenen bekanntlich kraft Gesetzes vermutet wird, dürfen Sie bei Jugendlichen nicht vergessen, die strafrechtliche Verantwortlichkeit gem. §§ 1, 3 JGG gesondert zu prüfen und ggf. positiv festzustellen.
Formulierungsbeispiel:
СКАЧАТЬ