Название: Handbuch des Strafrechts
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
isbn: 9783811455566
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B. Kriminologische Befunde
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Der Diebstahl ist ein Massendelikt, und die praktische Bedeutung der Diebstahlskriminalität (§§ 242–244 StGB) ist mit rund 35 % der im Jahr 2018 in Deutschland in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Straftaten (immer noch) enorm,[18] auch wenn die Anzahl der Diebstähle stetig rückläufig ist[19] und Verschiebungen hin zum Betrug erkennbar sind (die nicht zuletzt verschiedenen technischen Entwicklungen geschuldet sind[20]). Der Diebstahl ist die am häufigsten polizeilich registrierte Straftat, wenngleich Diebstahlskriminalität in manchen Bereichen eher verwaltet als im traditionellen Sinne bestraft wird.[21] Das Verhältnis von einfachem Diebstahl (19,5 %) und Diebstahl unter erschwerenden Umständen (15,5 %) ist vergleichsweise ausgewogen. Die Unterschlagung hat hingegen (auch ihrer Subsidiarität geschuldet) mit nur 2 % der gesamten registrierten Kriminalität eine deutlich geringere, aber immer noch nennenswerte, praktische Bedeutung.[22]
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Von den Diebstählen ohne erschwerende Umstände macht der einfache Ladendiebstahl etwa ein Drittel aus.[23] Bei einfachen Ladendiebstählen fällt der überwiegend sehr geringe Wert der gestohlenen Sachen auf. Zudem fällt ins Auge, dass sich beim Diebstahl ohne erschwerende Umstände, bei dem ja die eben genannten Ladendiebstähle mit ihren überwiegend geringen Schäden mit berücksichtigt sind, die Schadensfälle dennoch zu 47,4 % im Schadensbereich zwischen 50 und 500 Euro bewegen und damit sogar zu einem höheren Prozentsatz in diesem Schadensbereich vertreten sind als der Diebstahl unter erschwerenden Umständen, der hier 40,8 % ausmacht. Vergleicht man freilich den rechnerischen Durchschnittsschaden des Diebstahls ohne erschwerende Umstände mit dem der Unterschlagung, so ergibt sich, dass der Unterschlagungsschaden mit rund 2820 Euro knapp dem Sechsfachen des entsprechenden Wertes beim Diebstahl (ca. 500 Euro) entspricht.[24] Bei den erfassten Diebstählen unter erschwerenden Umständen kommt dem Einbruchsdiebstahl eine herausgehobene Rolle zu.[25] Jeweils etwa 5 % der gesamten gezählten Diebstähle entfallen auf den Diebstahl in/aus Kraftfahrzeugen und den Diebstahl von (abgeschlossenen) Fahrrädern.[26]
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Aussagen über den Umfang der „tatsächlichen“ Diebstahlskriminalität unter Einbeziehung des Dunkelfeldes sind kaum zu treffen. Sie hängen stark von der Anzeigebereitschaft der Verletzten ab, welche wiederum maßgeblich durch die Höhe des entstandenen Schadens beeinflusst sein dürfte. In die Rechtspflegestatistik gehen Diebstahlsdelikte, die nicht bereits nach §§ 153, 153a StPO eingestellt werden, sehr häufig über das Strafbefehlsverfahren ein, welches auch als Verurteilung gezählt wird. Dennoch liegt der Anteil der Verurteilungen wegen aller Diebstahlsdelikte (§§ 242–248c StGB) mit ca. 17 % aller Verurteilungen deutlich unter den entsprechenden Anzeigen.
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Diebstahlsdelikte gelten als jugendtypische Kriminalität. Laut PKS 2018[27] entfallen unter den von Jugendlichen und Heranwachsenden begangenen Taten auf Diebstahl in den Kategorien Ladendiebstahl und Diebstahl unter erschwerenden Umständen zusammen etwa 30 % aller registrierten Fälle, unter den von Heranwachsenden begangenen Taten dagegen nur noch ca. 14,5 %. Damit sind die Diebstahlsdelikte auch bei Jugendlichen die häufigsten Straftaten, während bei Heranwachsenden die Körperverletzungs- und Rauschgiftdelikte noch häufiger sind.
8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 29 Diebstahl und Unterschlagung › C. Hauptteil
I. Das gemeinsame Tatobjekt von Diebstahl und Unterschlagung: fremde bewegliche Sachen
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Tatobjekt von Diebstahl und Unterschlagung ist eine fremde bewegliche Sache.[28]
1. Sachbegriff
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a) Sachen sind zunächst alle körperlichen Gegenstände, also alle Rechtsobjekte.[29] Dies entspricht zwar der Legaldefinition des § 90 BGB; der strafrechtliche Sachbegriff ist aber – ohne dass daraus zugegebenermaßen Unterschiede im Ergebnis resultieren – nach vorzugswürdiger Ansicht autonom vom Zivilrecht zu bestimmen.[30] Der Diebstahl an Tieren kann damit unproblematisch durch § 242 StGB erfasst werden, ohne dass eine (freilich zulässige!) „entsprechende“ Anwendung nach § 90a S. 3 BGB erforderlich wäre.[31]
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Körperlich ist jeder Gegenstand, der durch eigene räumliche Begrenzung oder durch ein Behältnis abgegrenzt werden kann,[32] unabhängig von seinem Aggregatzustand. Auch Gas, Dampf oder Wasser können daher körperliche Gegenstände sein,[33] solange sie abgrenzbar sind. Elektrizität ist dagegen kein körperlicher Gegenstand und wird deshalb – wie eingangs erwähnt – von § 248c StGB erfasst.
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b) Keine Körperlichkeit weisen dagegen Forderungen und sonstige Rechte auf,[34] ebenso wenig wie gespeicherte Computerdaten.[35] Im Gegensatz hierzu sind Urkunden, die eine Forderung verkörpern, wie etwa Sparbücher, Lebensmittelkarten, Schecks und Wechsel,[36] körperliche Gegenstände. Einzelne Teile eines Gegenstandes gelten ab dem Zeitpunkt, ab dem sie vom (Haupt-)Gegenstand getrennt wurden, als eigenständige Sachen. Der wirtschaftliche Wert einer Sache spielt keine Rolle.[37]
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c) Grundsätzlich keine Sachen im strafrechtlichen Sinn sind Körperteile. An ihnen kann im Regelfall kein Eigentum begründet werden;[38] sie erlangen aber Sachqualität, wenn sie vom Körper abgetrennt werden, ohne dass sie wieder in diesen integriert werden sollen.[39] Soweit die (natürlichen oder auch künstlichen) Körperteile durch Abtrennung Sachqualität erlangen, fallen sie analog § 953 BGB in das Eigentum des Trägers.[40] Bei Implantaten ist zu differenzieren: sog. Substitutiv-Implantate, wie etwa künstliche Gelenke, Zahnplomben oder Organe teilen das Schicksal natürlicher Körperteile und verlieren daher mit der Implantation ihre Sachqualität.[41] Dagegen wird vielfach davon ausgegangen, dass sog. Supportiv-Implantate (z.B. Herzschrittmacher) auch bei fester Verbindung mit dem Körper Sachen bleiben.[42]
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d) Was den lebenden Mensch selbst und auch den Embryo angeht, so können diese nicht als Sachen qualifiziert werden.[43] Dies ergibt sich schon aus der Menschenwürdegarantie.[44] Der menschliche Leichnam wird zwar – wenn auch nach durchaus nicht unbestrittener Ansicht – wohl zur Sache, jedoch kann daran grundsätzlich kein Eigentum begründet werden.[45] Eine Sacheigenschaft (und auch eine Eigentumsfähigkeit) ist aber zu bejahen, wenn der Leichnam nicht für die Bestattung, sondern für andere Zwecke (etwa Anatomien oder Museen) bestimmt ist. Entsprechendes gilt für Leichenteile.[46]
2. Beweglichkeit der Sache
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Sachen sind beweglich,[47] wenn sie nicht fest mit einem Grundstück verbunden sind, sondern tatsächlich fortbewegt werden können.[48] Der strafrechtliche Begriff der Beweglichkeit ist aber in einem natürlichen Sinne zu verstehen (und z.B. nicht von der zivilrechtlichen Einordnung als Zubehör o.Ä. abhängig).[49] Bestandteile unbeweglicher Sachen werden somit auch erfasst, wenn diese erst zum Zweck der Wegnahme beweglich gemacht werden, wie z.B. abgefressenes Gras,[50] gemähtes Getreide,[51] gestochener Torf o.Ä.[52] Es handelt sich hierbei um taugliche Diebstahlsobjekte, СКАЧАТЬ