Название: Handbuch des Strafrechts
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
isbn: 9783811455566
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IV. Romanischer Rechtskreis
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Das französische Recht unterscheidet sich teilweise erheblich vom deutschen Recht.[354] Das Verbot der gewaltsamen Erpressung (extorsion violente) findet sich bereits im Code Pénal von 1810, jedoch beschränkt auf Rechtstitel und Unterschriften.[355] Seit 1863 kann die Erpressung auch durch die Drohung, ehrenrührige oder rufschädigende Tatsachen zu enthüllen (chantage), begangen werden. Nach dem heutigen Recht bezieht sich die gewaltsame Erpressung nach Art. 312 Code Pénal auf das Erlangen im Einzelnen aufgezählter Vermögensobjekte durch Gewalt, Drohung mit Gewalt oder psychischen Zwang. Der Strafrahmen beträgt bis zu sieben Jahre Freiheitsstrafe. Daneben gibt es zahlreiche Erschwerungsgründe, u.a. bei Gewaltanwendung gegen Personen, wenn diese zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit führt. Eine ausdrückliche Regelung hat auch die „chantage“ in Art. 312-10 Code Pénal erfahren, die mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren gegenüber der einfachen Erpressung privilegiert ist. – Das italienische Recht kennt die (einfache) Erpressung in Art. 629 Abs. 1 Codice Penale („Estorsione“).[356] Dieser ist weiter als der deutsche Erpressungstatbestand, da er jede Gewaltanwendung (auch gegen Sachen) oder Drohung ausreichen lässt. Ein mit der räuberischen Erpressung vergleichbarer Tatbestand ist als Qualifikation in Art. 629 Abs. 2 Codice Penale enthalten, wonach eine Strafschärfung stattfindet, wenn bei der Erpressung zugleich Merkmale verwirklicht werden, die beim Raubtatbestand (Art. 628 Codice Penale) nach dessen Absatz 2 einen Erschwerungsgrund darstellen (z.B. bei Anwendung von Waffen, Raub durch Vermummte oder Raub durch Mitglieder einer mafiösen Organisation). Interessanterweise kann die Tat (Freiheitsstrafe bis zu 20 Jahren) in diesen Fällen schwerer bestraft werden als beim schweren Raub (Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren). – Auch das spanische Recht kennt in Art. 243 Código Penal (extorsión) einen Tatbestand der Erpressung, der die Nötigung eines anderen zur Vornahme (oder Unterlassung) einer Rechtshandlung oder eines Rechtsgeschäfts bestraft, wenn diese zum Vermögensschaden des Genötigten oder eines Dritten führt und in Gewinn- oder Vorteilsabsicht durchgeführt wird.[357] Die Tat wird mit Gefängnis von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.
8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 32 Erpressung und räuberische Erpressung › E. Bezüge zum Strafverfahrensrecht
E. Bezüge zum Strafverfahrensrecht
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Häufig benutzt der Erpresser unmoralisches oder strafbares Verhalten des Opfers als Druckmittel, um dieses zu erpressen (die bereits genannte „Chantage“ bzw. „Schweigegelderpressung“).[358] Um die Opfer zur Anzeige zu ermutigen und so des Täters habhaft zu werden, ermöglicht § 154c StPO das Absehen von der Verfolgung des Erpressungsopfers, „wenn nicht wegen der Schwere der Tat eine Sühne unerlässlich ist“. In Nr. 102 RiStBV (Einstellung zugunsten des Opfers einer Nötigung oder Erpressung) findet sich auch die Anweisung für die Staatsanwaltschaft, dass eine Einstellung nach § 154c StPO grundsätzlich nur dann erfolgen soll, wenn die Nötigung oder die Erpressung strafwürdiger ist als die Tat des Genötigten oder Erpressten (Nr. 1). Ferner findet sich hier auch die Regelung, dass die Entscheidung, ob zugesichert werden kann, dass das Verfahren eingestellt wird, dem Behördenleiter vorzubehalten ist (Nr. 2). Diese Einstellungsmöglichkeit soll allerdings für das Opfer keinen „Freibrief“ für eine zuvor begangene eigene Straftat bedeuten.[359]
8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 32 Erpressung und räuberische Erpressung › F. Fazit
F. Fazit
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Die (räuberische) Erpressung gehört zu den „klassischen“ Straftatbeständen des StGB. Die damit verbundenen Probleme, insbesondere die Frage, ob die (räuberische) Erpressung eine Vermögensverfügung des Opfers voraussetzt, werden seit langem (kontrovers) diskutiert. Größere Änderungen sind hier, auch unter kriminalpolitischen Gesichtspunkten, in nächster Zeit nicht zu erwarten.
8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 32 Erpressung und räuberische Erpressung › Ausgewählte Literatur
Ausgewählte Literatur
Amelung, Knut | Noch einmal: Notwehr gegen sog. Chantage, NStZ 1998, 70 ff. |
Arzt, Gunter | Zur Strafbarkeit des Erpressungsopfers, JZ 2001, 1052 ff. |
Biletzki, Gregor | Die Abgrenzung von Raub und Erpressung, Jura 1995, 635 ff. |
Brand, Christian | Die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung am Beispiel der Forderungserpressung, JuS 2009, 899 ff. |
Ebel, Hermann | Das Näheverhältnis beim Dreiecksbetrug und bei der Dreieckserpressung, Jura 2008, 256 ff. |
Eggert, Matthias | Chantage – Ein Fall der Beschränkung des Notwehrrechts?, NStZ 2001, 225 ff. |
Erb, Volker | Zur Bedeutung der Vermögensverfügung für den Tatbestand der Erpressung und dessen Verhältnis zu Diebstahl und Raub, FS Herzberg, 2008, S. 711 ff. |
Geppert, Klaus/Kubitza, Peter | Zur Abgrenzung von Raub (§ 249 StGB) und räuberischer Erpressung (§§ 253 und 255 StGB), Jura 1985, 276 ff. |
Grabow, Stefan | Die Sicherungserpressung, 2013. |
Günther, Hans-Ludwig | Zur Kombination von Täuschung und Drohung bei Betrug und Erpressung, ZStW 88 (1976), 960 ff. |
Hagel, Karl | Raub und Erpressung nach deutschem und englischem Recht und aus rechtsvergleichender Sicht, 1979. |
Kaspar, Johannes | Gewaltsame Verteidigung gegen den Erpresser, GA 2007, 36 ff. |
Krack, Ralf | Die Voraussetzungen der Dreieckserpressung, JuS 1996, 493 ff. |
Krause, Friedrich-Wilhelm | Gedanken zur Nötigung und Erpressung durch Rufgefährdung (Chantage), FS Spendel, 1992, S. 547 ff. |
Küper, Wilfried | Erpressung ohne Verfügung, FS Lenckner, 1998, S. 495 ff. |
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