Название: Mara und der Feuerbringer
Автор: Tommy Krappweis
Издательство: Автор
isbn: 9783964260420
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Vor dem hätte man sie mal warnen sollen, denn der hatte schließlich deutlich mehr Probleme gemacht als der arme Loki in seiner Höhle. Also echt!
Mara hörte auf zu schöpfen, als ihr die Suppe über den Daumen lief. Sie schimpfte leise und wischte den Tellerrand noch schnell mit einem schräg abgerissenen Fetzen Küchenrolle ab. Manchmal hatte sie fast den Eindruck, diese Perforation sollte nur zeigen, wo die Küchenrolle garantiert nicht reißen würde.
Als sie wieder ins Wohnzimmer kam, schlug ihr ein eisiger Wind entgegen.
»Alles okay?«, fragte sie leise und las die Antwort bereits an den zusammengepressten Lippen ihrer Mutter ab.
»Der Professor meint, ich leide an einer Nervenkrankheit«, flötete es aus Mamas gespitztem Mund.
Mara verdrehte die Augen. Typisch Erwachsene – da kehrt man ihnen nur kurz den Rücken, und schon …
Professor Weissinger war redlich bemüht, sich zu erklären. »Du liebes bisschen, aber nein! Ich wollte wirklich nur rein informationshalber darauf hinweisen, dass ich das Verspüren von Auren eigentlich nur im Zusammenhang mit Epilepsiekranken kenne! ›Aura‹ nennt man das Gefühl, wenn wieder ein Anfall droht. Womit ich selbstverständlich weder Sie noch die bedauernswerten Epilepsiepatienten beleidigen wollte, Frau Lorbeer.«
»Also, wie darf ich denn das nun wieder verstehen?«
»Nun ja, nicht falsch, wär’ mir recht«, antwortete der Professor und lächelte dazu entwaffnend unter seinem Professorenbart hervor.
Das half. Mama lächelte zurück. Mara und Professor Weissinger atmeten fast gleichzeitig auf.
Puh, diese Klippe wäre also umschifft. Na dann, volle Kraft voraus zum nächsten Eisberg, dachte sie und sagte stattdessen: »Hier ist Ihre Suppe, Herr Professor. Ich würd’ ja gern schon den Hauptgang vorbereiten, aber ich glaube, das mit dem Anbraten hab ich nicht so drauf …«
»Ach Gott, nein, nein, das mache ich schon selbst«, fuhr Mama dazwischen. »Wenn ich Sie kurz mit Mara alleine lassen darf, Herr Weissinger?«
»Aber gern … ich meine, kein Problem. Sie kommen doch irgendwann zurück, oder nicht?«, charmantete der Professor hinterher und hatte damit durchaus Erfolg.
»Na, selbstverständlich komme ich zurück und ich bringe sogar Saltimbocca mit. Und dann muss ich Ihnen noch etwas ganz besonders Erstaunliches erzählen«, salbte Mama und ging lächelnd hinaus.
Kaum hatte Mara das typische Klickediklack der Küchentür vernommen, sprang sie auf und schloss leise die Tür zum Flur.
»Es tut mir leid!«, zischte der Professor sofort los. »Deine Mutter ist wirklich eine tolle Frau, aber wenn sie mit diesem Esoterikzeugs anfängt, weiß ich einfach nicht, was ich sagen soll!«
Eine tolle Frau? Auf diese Aussage war Mara gar nicht vorbereitet gewesen. Musste sie darauf jetzt was sagen? Sie zwang sich schließlich dazu, den ersten Teil des Satzes zu übergehen und nur auf den zweiten zu reagieren.
»Glauben Sie mir, ich weiß auch nie, was ich sagen soll. Das Problem ist aber, dass das nur der Anfang war. Weil, jetzt gleich wird sie Ihnen wohl von unserem … Ausflug erzählen.«
»Ausflug, welcher Ausflug?«, fragte der Professor verwirrt und Mara konnte förmlich beobachten, wie er sich die schlimmstmögliche Antwort zusammenreimte. »Oder hast du etwa … du wirst doch nicht …«
Mara nickte nur, denn, oh, genau das hatte sie eben leider doch. Sie hatte nur bisher einfach nicht den Mut gefunden, es dem Professor zu beichten.
Da kam Mama auch schon zurück und zwischen ihren Handschuhen hielt sie einen Bräter, in dem mit Speck und Salbei ummanteltes Fleisch vor sich hin brutzelte.
Sie stellte den Topf auf dem Tisch ab und bat Mara, ihr mit den Beilagen zu helfen. Mara stand auf und ließ den Professor mit offenem Mund zurück. Sie hatte den berechtigten Verdacht, dass er diesen nicht geöffnet hatte, um gefüttert zu werden …
In der Küche flüsterte Mara ihrer Mutter zu: »Mama, ich weiß, du willst ihm von unserem Ausflug in diesen Wald erzählen, aber meinst du nicht …«
»Mara, ich merke doch, dass Herr Weissinger mich für verschwurbelt hält!«
»Ach nein … bestimmt nicht …«, murmelte Mara halbgar dazwischen, aber Mama ließ sie kaum zu Wort kommen.
»Und diese Sache ist nun mal der schlagende Beweis für meine Kräfte, denn du warst dabei und wirst es bezeugen!« Und mit diesen Worten schnappte sie sich die Soßenkelle und winkte Mara zu der Schüssel mit den gerösteten Kartoffeln.
Warum nur habe ich Mama mit in diese Vision genommen?, seufzte Mara in Gedanken.
Dabei kannte sie die Antwort. Sie hatte Mama eben trösten wollen und das war ihr damit gelungen.
Aber warum habe ich es dem Professor nicht vorher gesagt?, fragte Mara sich selbst auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer. Na ja, sie kannte auch diese Antwort. Zu feige. Mist.
Kapitel 2
Und plötzlich stehe ich mit meiner Tochter in diesem wunderschönen, romantischen Wald. Die Vögel zwitschern und der Himmel strahlt, fast wie im Märchen! Es war einfach unglaublich, im wahrsten Sinne des Wortes zauberhaft!«
Mara überlegte, ob sie vielleicht unter den Tisch kriechen sollte, so wie früher als kleines Kind. Damals hatte sie eine Menge Zeit unter dem Tisch zugebracht. Wenn man das Tischtuch komplett auseinandergefaltet hatte, war man sich wie in einem Zelt vorgekommen. Am schönsten war es immer mit der weinroten Tischdecke gewesen, weil es so toll aussah, wenn das Licht da durchgeschienen hatte …
»… und dann war da noch dieser Hirsch, nicht wahr, Mara? Ich bin mir sicher, das war kein normaler Hirsch, ganz sicher nicht, oder Maraschatz? Das kann doch kein normaler Hirsch gewesen sein, so, wie der zu uns rüber geschaut hat, nicht wahr? Mara?«
Mara schreckte hoch. »Nein, nein, sicher nicht. Vermute ich mal. Ich weiß nicht.«
Mama warf ihr einen seltsamen Blick zu. Gar nicht verärgert, wie Mara erwartet hätte, sondern enttäuscht. Mara konnte allerdings schnell nachvollziehen, woher das kam. Ihre Mutter hatte zum ersten Mal etwas tatsächlich Unglaubliches erlebt – nicht nur, dass es warm wurde, wenn man jemandem die Hand auflegte, oder das Schwindelgefühl, nachdem man sich eine Stunde zum »Dönggg« einer Klangschale hin und her gewiegt hatte – nein, das war nichts gewesen, was man sich hinterher schönreden musste. Das war ein reales Erlebnis, das man sehen, fühlen, riechen und schmecken konnte. Und dazu kam noch, dass Mama nicht allein gewesen war. Sie hatte eine Zeugin: Mara. Und die sollte jetzt gefälligst aussagen und ihre Mutter freisprechen von jeglichem Blabla-Verdacht.
Dem Professor hingegen war immer noch die Überraschung ins Gesicht geschrieben wie eine Schlagzeile. Aber er blieb still.
Was hatte Mara für eine Wahl? Eben. Also sagte sie leise: »Ja, ich hab’s auch gesehen. War wirklich schön. Und der Hirsch war auch echt komisch.«
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