Название: Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten
Автор: Holger Dahl
Издательство: Bookwire
Серия: Betriebs Berater-Schriftenreihe/ Arbeitsrecht
isbn: 9783800593781
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dd) Stilllegung eines wesentlichen Betriebsteils
(1) Stilllegung
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Ebenso wie die unter Rn. 22 beschriebene Betriebsstilllegung stellt auch die Stilllegung eines wesentlichen Betriebsteils eine interessenausgleichs- und sozialplanpflichtige Betriebsänderung dar. Insofern wird zur Frage, wann eine Stilllegung und nicht nur eine Unterbrechung gegeben ist, auf die obige Kommentierung verwiesen.
(2) Wesentlicher Betriebsteil – quantitative und qualitative Betrachtung
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Betroffen sein muss ein wesentlicher Betriebsteil. Zunächst ist also zu bestimmen, ob ein Betriebsteil vorliegt, um dann die Frage nach der Wesentlichkeit zu beantworten.
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Zur Bestimmung des Begriffs des Betriebsteils kann man auf § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zurückgreifen, wobei die dortigen weiteren Voraussetzungen der Verselbstständigungsfähigkeit nicht zu prüfen sind. Erforderlich ist eine betriebswirtschaftlich oder technisch abgrenzbare Organisation innerhalb der Betriebsorganisation.76 Nicht erforderlich ist, dass es sich um eine Betriebsabteilung im Sinne von § 15 Abs. 5 KSchG handelt. Liegt eine solche vor, besteht aber auf jeden Fall ein Betriebsteil.
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Ob ein Betriebsteil wesentlich im Sinne des Gesetzes ist, wird in aller Regel quantitativ bestimmt, wobei auf die Interpretation zum Begriff des „erheblichen Teils der Belegschaft“ zurückgegriffen wird (Zahlenwerte des § 17 KSchG, mindestens 5 %).
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Ob ein Betriebsteil unabhängig von der quantitativen Betrachtung allein wegen seiner qualitativen Bedeutung für den Betrieb als „wesentlich“ i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG zu qualifizieren sein kann, hat das BAG bisher stets offengelassen, da selbst bei Bejahung der grundsätzlichen Möglichkeit im konkreten Fall der Betriebsteil nicht so herausragend war, dass Erheblichkeit gegeben wäre.77 In der Entscheidung vom 7.8.1990 hat es aber bereits erklärt, dass „die wirtschaftliche oder sonstige Bedeutung eines Betriebsteils mit in die Prüfung einbezogen werden könne“.
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Angesichts dessen, dass diese Option nicht apodiktisch verneint wurde, kann und sollte man im Einzelfall sehr wohl diesbezügliche Überlegungen anstellen und entsprechend argumentieren. Hat der Betriebsteil einen hohen Stellenwert für das betriebliche Gefüge, wird die Stilllegung bereits direkte Auswirkungen haben mit der Folge, dass gegebenenfalls andere Betriebsänderungstatbestände greifen. Sind die Auswirkungen nicht als direkt kausal zu fassen, was bei modernen, komplex aufgestellten Unternehmen zunehmend der Fall ist, so bietet sich hier die Möglichkeit, jenseits des reinen Köpfe-Zählens sehr wohl eine Betriebsänderung zu begründen. Zumindest wenn die bei rein quantitativer Betrachtung geforderten Zahlenwerte fast erreicht sind, wird man mit dem Argument, dass diese nur Richtschnur seien, verbunden mit einer Argumentation über die Wichtigkeit des Betriebsteils, gute Chancen haben, dass eine Betriebsänderung bejaht wird.78 Hilfsweise sollte man die Prüfung auch unter dem Gesichtspunkt der Generalklausel des Satzes 1 vornehmen (insb. wegen Auswirkung auf den restlichen Betrieb bzw. dessen Beschäftigte).
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Als systematisches Argument dafür, dass der wesentliche Betriebsteil nicht rein quantitativ bestimmt werden kann, ist die Tatsache anzuführen, dass bei rein quantitativer Bestimmung in aller Regel kein Unterschied zur Betriebseinschränkung durch Personalabbau bestünde. Es blieben dann nur noch Fälle, in denen der (rein quantitativ) wesentliche Betriebsteil an sich stillgelegt wird, dabei aber zumindest ein Teil der betroffenen Mitarbeiter im Betrieb verbleibt.
ee) Einschränkung eines wesentlichen Betriebsteils
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Überträgt man die vorgenannten Überlegungen auf den Tatbestand der Einschränkung eines wesentlichen Betriebsteils, so möchte man meinen, dass es in jedem Fall genügen muss, wenn ein hinreichender Teil des Betriebsteils abgebaut wird. Weit gefehlt. Die weit herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur fordert, dass die an § 17 Abs. 1 KSchG angelehnten Schwellenwerte nicht in Relation zum Betriebsteil zu prüfen sind, sondern bezogen auf den gesamten Betrieb.79 Im Einzelfall kann das dazu führen, dass ein Betriebsteil zahlenmäßig gerade eben die Wesentlichkeitsschwelle erreicht und dann eine Einschränkung nur akzeptiert wird, wenn faktisch eine Stilllegung erfolgt. Damit besteht im Hinblick auf quantitative Anforderungen in bestimmten Fällen kein Unterschied zur Fallgestaltung der Einschränkung des Betriebs. Das ist systematisch fehlerhaft. Eine Einschränkung kann denklogisch nicht zur Auflösung bzw. Stilllegung führen. Hier wird man Signifikanz fordern können, aber nicht die gleichen Werte, die Wesentlichkeit im Verhältnis zum Betrieb als Ganzes ergeben.
ff) Ausschluss der Sozialplanpflicht gem. § 112a Abs. 1 BetrVG
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§ 112a Abs. 1 BetrVG ist nicht als Voraussetzung einer Betriebsänderung zu prüfen, sondern als Ausschlusstatbestand für die Erzwingbarkeit eines Sozialplans. Das zeigt bereits die Formulierung der Norm eindeutig, die bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen nur die Abs. 4 und 5 des § 112 BetrVG betrifft, nicht jedoch dessen Abs. 1 und 2.
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Versuche, die Zahlenwerte des § 112a BetrVG als grundsätzliche Voraussetzung der Sozialplanpflicht für Betriebsänderungen zu definieren, sind vom Gesetz nicht getragen. Die zu § 17 KSchG abweichenden höheren Schwellenwerte des § 112a Abs. 1 BetrVG kommen nur zum Tragen, wenn ausschließlich ein Tatbestand des § 111 Satz 3 Ziff. 1 BetrVG gegeben ist und darüber hinaus ausschließlich Entlassungen stattfinden.80
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Werden bei dieser Ausnahmekonstellation die höheren Schwellenwerte nicht erreicht, ist nicht etwa das Vorliegen einer Betriebsänderung zu verneinen, sondern nur die Erzwingbarkeit eines Sozialplans. Die Pflicht zur Verhandlung eines Interessenausgleichs bleibt bestehen und auch die Pflicht, über einen Sozialplan zu verhandeln, einschließlich der Möglichkeit, die Einigungsstelle anzurufen.81
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Sofern ein Betrieb an sich fortbesteht, wird man in der Praxis immer durch die Betriebsänderung resultierende Veränderungen jenseits der reinen Entlassungen finden können, sodass richtigerweise § 112a Abs. 1 BetrVG nicht einschlägig ist.82 Die Strukturen des verbliebenen Betriebs müssen in aller Regel angepasst werden, Betriebsmittel veräußert werden etc. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 112 Abs. 1 BetrVG ausnahmsweise zu bejahen wären, ist man natürlich nicht gehindert, einen freiwilligen Sozialplan abzuschließen.
c) Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen СКАЧАТЬ