Название: Fulcher von Fabeln - TOD IN ELBING
Автор: Thomas Friedrich Sänze
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783737514514
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„Der große Augustinus, Bischof der Stadt Hippo und glorreicher Verfechter des Gottesstaates, sagte uns: ‘Weiber sind unrein und nicht zu mehr nütze als alleine für das fleischliche Tun. Gerade dieses abscheuliche, zutiefst verwerfliche Treiben verurteilte er jedoch aufs Schärfste …!’“
In dieser Art fuhr er vor sich hinleiernd fort. Er las sehr laut und sehr deutlich, und wenn ich mich recht entsinne, las er sogar jedes Eselsohr einzeln mit vor, als ob er sagen wolle: „Nun wissen wir es aber ganz genau.“
Für Leute wie Albertus war Wissen nicht Macht sondern Pracht! Als hässliches kleines Männlein brauchte er irgendetwas, womit er sich selbst schmücken konnte. Dieses Etwas musste er natürlich denen, die es nicht im Geringsten interessierte, unter die Nase reiben.
Ich schielte nach einem der vielen Gänsekiele, die überall herumlagen und überlegte, wie wohl die Chancen stünden, diesem Redefluss ein Ende zu setzen, indem ich ihm einen davon durchs Auge in sein Gehirn rammte.
Aus langer qualvoller Erfahrung wusste ich, dass geübte Schmierfinken wie Albertus jede Menge Phrasen kannten, die sie allzeit zum Dreschen bereithielten, wenn man ihnen nur Gelegenheit dazu bot. Die meisten Kopisten saugten das Geschriebene wie eine Art Gift in sich ein, wo es dann in ihrem Inneren wirkte und ganz langsam etwaige Reste eigenständigen Denkens, dessen sie eventuell einmal fähig gewesen waren, abtötete. Nicht aufzuhalten waren sie, wenn sie mit erhobenem Zeigefinger dumm in der Gegend herumstanden und irgendwelchen Unsinn verzapften, den sich irgendwann einmal weitere geistig umnachtete Gestalten aus den Fingern gesogen und aus Langeweile auf dem Lokus niedergekritzelt hatten.
Natürlich verfolgte Bernardus im Gegensatz zu mir die Ausführungen des alten Albertus mit einem andächtigen Glitzern in seinen braunen Augen. Er war schließlich auch ein Kopist. Die beiden lebten in ihrer ganz eigenen kleinen Welt, in der ich keinen Platz hatte. Deshalb tat ich das, was jeder tat, der keinen Platz in der Welt hatte: Ich nahm ihn mir und schlug mit der Faust auf das Pult.
„Es reicht mir jetzt! Euer glorreicher Augustinus hätte mal ein paar Weiber besteigen sollen, anstatt ständig solchen Mist zu verzapfen. Er ist ein gutes Beispiel dafür, dass man bei einem Leben ohne auskömmlich wilde und regelmäßige Fleischeslust sehr schnell überspannt und leicht schwachsinnig wird.“
Während Bernardus sichtlich pikiert blinzelte, war Albertus aufs Höchste beleidigt. Solche Gedanken schienen ihnen wohl noch nie gekommen zu sein. Albertus plusterte sich auf, warf hochmütig seinen Kopf zurück und verkündete mit stolzgeschwellter Brust.
„Unsinn! Ich lebe schließlich auch in Keuschheit!“
„Eben!“, bemerkte ich trocken.
„Kein Wunder, dass Gott Euch gestraft hat. Ihr solltet beten, Askese üben und eure unkeuschen Gedanken verbannen“, giftete der Alte zurück.
„Ich weiß, ich weiß. Mein Zustand im Diesseits ist die Strafe für ein sündhaftes Dasein in Vergangenheit und Gegenwart.“
Theatralisch hob ich die Hände zur Decke:
„Herr, gib mir Keuschheit – aber nicht jetzt!“
„Ihr spottet des Herrn!“
Albertus lief knallrot an, und ich hoffte, er würde tot umfallen. Aber den Gefallen wollte er mir nicht tun. Stattdessen wischte er sich den Schaum vom Mund, riss sich zusammen und nickte gnädig.
„Ich vergebe Euch, Bruder!“
Diese gönnerhafte Äußerung machte mich nun wirklich wütend.
„Bruder, ich bin nicht dein verdammter Bruder!“
Meine Wut beeindruckte ihn weder, noch brachte sie ihn dazu, endlich den Mund zu halten.
„Origenes von Alexandrien entkam auf genau dieselbe Art und Weise der Versuchung wie Ihr!“
„Ach?“
Das war neu.
„Ja! Er kastrierte sich selbst!“
Jetzt schrie ich:
„Ich bin nicht kastriert, nur beschädigt; und mit Freiwilligkeit hatte das Ganze schon gar nichts zu tun, sondern mit einer Horde blutrünstiger prußischer Weiber!“
„Vielleicht war es ein unbewusster Akt, um Euer sündiges Leben zu beenden!“
„Wenn du weiterhin so einen Blödsinn von dir gibst, werde ich dich kastrieren. Und glaub mir: Daran wird garantiert nichts Unbewusstes sein!“
„Ihr müsst die Weiber verachten, um sie Euch aus dem Herzen zu reißen!“
„Dir sollte man etwas rausreißen! Ich bin nicht Ordensritter geworden, um als keuscher und entsagungsfroher Heiliger zu enden.“
„Aber warum denn dann?“
Das klang erfrischend ratlos. Man merkte deutlich, dass Albertus noch nie in seinem Leben die Schreibstube verlassen hatte.
„Aus dem gleichen Grund, aus dem alle zum Orden gehen. Um Kriegsbeute zu machen und um jede Menge willige und unwillige Weiber zu haben, ohne sich deswegen gleich Sorgen um das eigene Seelenheil machen zu müssen!“
„Du bist ein Wüstling über alle Maßen!“
„Wie alle Männer erfreue und berausche ich mich gerne an der Frau – ihrem Wesen, ihrer Weiblichkeit und ihrer Schönheit!“
Man konnte Albertus deutlich ansehen, wie sehr er von meiner Schwärmerei abgestoßen und angewidert war. Ich befürchtete schon, er würde sich vor Ekel übergeben. Glücklicherweise riss er sich jedoch zusammen.
„Das ist zutiefst verwerflich“, befand er. „Als wahrer Gläubiger berauscht man sich nur an Gott!“
Pure Abscheu sprach aus seinen Worten. Aber diese empfand ich in gleichem Maße ihm gegenüber.
„Das solltest du ihm besser nicht erzählen, wenn du ihn später einmal triffst, denn solche Gelüste könnte er dir übelnehmen.“
„Wüstling! Du wirst in der Hölle schmoren!“, brüllte er lauthals und stürmte aus dem Raum. Die Tür knallte hinter ihm zu und es herrschte betretene Stille.
Bernardus vermied es, mich anzusehen und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Seine hochgezogenen Schultern zeigten deutlich, was er von mir hielt. Ich ließ meinen Kopf zwischen die Hände sinken und massierte meine Schläfen. Das schlechte Gewissen bereitete mir weniger Schmerzen als die Schritt für Schritt einsetzende Nüchternheit.
Albertus СКАЧАТЬ