Der Rote Kolibri. Alexander Jordis-Lohausen
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Название: Der Rote Kolibri

Автор: Alexander Jordis-Lohausen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783748557968

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СКАЧАТЬ Köpfen herumliefen. Wir waren in Pulverdampf gehüllt. Als ich mich umblickte, sah ich nichts wie schwarze Gestalten. Mein rußiges Gesicht beim Feuermachen im Dorf meiner Kindheit hätte bleich gewirkt neben den kohlrabenschwarzen Gesichtern der Kanoniere.

       Die Schüsse ließen die Kanonen polternd zurückstoßen, bis andere Seile, die an den Bordplanken befestigt waren, sie zum Halten brachten. Die Pforten wurden sofort wieder zugeschlagen, um uns Deckung gegen Geschoße des Gegners und herumfliegende Splitter zu geben. Die erste Breitseite hatte gedonnert. Jetzt hörte man auch schon die Kanonen des anderen Schiffes und es krachte über unseren Köpfen. Als ich gerade wieder hinuntereilen wollte, brach neben mir der Kanonier zusammen, den ich eben noch hatte sprechen hören. Ich konnte ihm nicht mehr helfen, er war tot. Eine Musketen Kugel hatte ihn in den Kopf getroffen. Gleich darauf wurde sein Nachbar verwundet. Er war wie sein Kamerad durch die Verschanzung gedeckt gewesen.

      „Achtung! Die schießen ja von oben aus den Masten herunter!“ brüllte ich. Und unsere Musketiere richteten ihr Feuer nach oben. Überall schien jetzt die Hölle los, die gesamte Mannschaft, soweit sie nicht bei den Kanonen beschäftigt war, feuerte aus Musketen und Pistolen, brüllte, johlte, um den Gegner einzuschüchtern, zwei Trommler droschen auf die Felle, was die Trommeln hergaben und Caballo blies Trompete. Er spielte so falsch, dass man Kröten im Krautgarten damit hätte töten können. Der Lärm war grauenhaft und ohrenbetäubend. Derweil reinigten die Kanoniere ungerührt wieder Rohr und Zündloch30, neue Kartuschen und Kugeln wurden geladen, die Pforten wieder geöffnet, die Kanonen auf ihr Ziel gerichtet. Und noch einmal donnerten sie los, alle vierzehn Kanonen gleichzeitig. Wir waren dem anderen Schiff jetzt so nahegekommen, dass man das Weiße in den Augen der Kauffahrer sah. Die Enterdreggen31 wurden hinübergeworfen. Der Rumpf des anderen Schiffes kam immer näher. Jetzt konnte es nicht mehr entkommen. Wir überschütteten das gegnerische Deck mit Musketen- und Pistolenfeuer, mit Granados32 und Stinkbomben, die mit lautem Knall barsten. Und sobald der Widerstand der Kauffahrer nachließ, hörte ich den Capitán vom Achterdeck „Eeeeentern!“ schreien. Wie eine Welle schwappten die Seeräuber hinüber auf das Handelsschiff. Nur die Kanoniere blieben auf ihren Posten. Noch mehr Musketen- und Pistolenfeuer, Säbel, die auf einander schlugen, und noch mehr Geheule und Gejohle. Und dann langsam Ruhe. Die Handelsleute hatten sich ergeben.

       All das war mir wie ein wildes Durcheinander vorgekommen. Ob das nun wirklich so gewesen war und so sein sollte, konnte ich nicht beurteilen. Ich hütete mich, irgendetwas derartiges zu sagen. Aber ich nahm mir vor, sobald ich einmal selbst zu befehlen hätte, darüber ganz genau nachzudenken. Vielleicht könnte man auch anders vorzugehen. Der Tod des Kanoniers hatte mich nachdenklich gemacht. Er wäre vielleicht vermeidbar gewesen!

       Die beiden Schiffe lagen jetzt längsseits. Keines von beiden hatte sehr gelitten. Einige Löcher in den Segeln, die Verschanzung an ein paar Stellen zersplittert.

      „Es geht uns ja nicht darum, die Schiffe, die wir kapern wollen, zu zerstören. Ihre Ladung wollen wir übernehmen. Vielleicht auch das Schiff selbst.“ erklärte mir Nikolaus später.

       Die einen nannten ihn „Teufelskapitän“ und er war stolz auf diesen Beinamen. Er pflegte ihn, wo immer er konnte, schon um die Kauffahrer im vornhinein zu erschrecken. Seine schwarze Flagge mit dem weißen gehörnten Totenkopf33 war überall berüchtigt. Andere dagegen nannten ihn den „Kavalierpiraten.“ Denn so erbarmungslos er im Kampf war, dem unterlegenen Gegner gegenüber zeigte er sich fast immer edelmütig und großzügig. Doch es war auch Berechnung in seinem Verhalten. Die Kauffahrer wussten, dass sie sich im Kampf mit den meisten Seeräubern bis in den Tod verteidigen müssten, wenn sie nicht als Sklaven verkauft werden wollten. Wenn sie dagegen die schwarze Teufelsflagge des Capitán aufsteigen sahen, wussten sie, dass seine Devise lautete:

      „Ihr seid frei, nur Euer Schiff samt Ladung gehört uns!“ Das führte dann auch oft dazu, dass er Handelsschiffe kampflos in seinen Besitz brachte.

      „Kaufleute ergeben sich eher, wenn sie wissen, sie kommen zumindest mit dem nackten Leben davon. Das erspart auch uns unnötiges Blutvergießen und Schaden am Schiff!“ erklärte mir Nikolaus. El Indio hatte volles Verständnis für diese Strategie, er verabscheute unnötiges Blutvergießen. Aber Pulver-Max wetterte dagegen, wann immer er konnte. Er wollte jedes Mal einen guten Kampf, sonst hätte es ja mit Seeräuberei nichts mehr zu tun. Kanonenschiessen, Dreinschlagen und Ausrauben mit Brutalität, das war seine Devise und viele in der Mannschaft dachten so wie er.

       Als ich an Bord der Mermaid gelangte, -- es war ein englisches Handelsschiff -- drehte sich mir der Magen um. Überall auf Deck zwischen Holzsplittern, Segelfetzen und abgerissenen Tauen lagen Menschen blutüberströmt, oft arg verstümmelt, manche regungslos, andere sich vor Schmerzen windend, stöhnend, wimmernd oder haltlos schreiend. So hatte ich mir meinen Rachefeldzug nicht vorgestellt. Hatte ich mir überhaupt etwas vorgestellt? Es wurde mir plötzlich der Unterschied klar, zwischen dem seelischen Leid, das man uns Fischern im Dorf zugefügt hatte, und dem körperlichen, das diesen Menschen hier zu ertragen hatten. Doch gab es eine Rangordnung des Leids? Auch darüber hatte ich nicht nachgedacht. Hatte ich mich überhaupt auf den richtigen Weg begeben? Nikolaus, der hinter mir stand und wohl meine Gewissensbisse erriet, legte mir seinen Arm um die Schulter und sagte, wie immer fröhlich: „Das erste Mal ist immer arg, aber du wirst sehen, man gewöhnt sich an das unvermeidliche Blutbad. Vor allem, vergiss nicht: Um Eierspeis’ zu machen, musst du Eier zerschlagen!!“ Dann eilte er weiter und ließ mich mit meinen Skrupeln allein. Ich stürzte an die Verschanzung und kotzte mich leer.

       Kapitän und Mannschaft des gekaperten Schiffes standen, in ihr Schicksal ergeben, auf Deck und leisteten keinen Widerstand mehr, die Unsrigen, bis an die Zähne bewaffnet, umstanden sie mit Drohgebärden. Die Kaufleute wurden entwaffnet und ausgeraubt. Schmuck, Geld, Wertsachen, alles mussten sie aushändigen. Wenn sie schöne Kleider anhatten, wurden ihnen auch diese weggenommen. Sie machten in Unterkleidern keine sehr gute Figur. Wer mit seinen Wertsachen nicht herausrücken wollte, wurde dazu sehr wirksam „überredet“. Caballo war darin ein findiger Meister. Meist genügte es, den widerspenstigen Gefangenen einen Strick immer enger um den Kopf zu drehen, bis sie willig ihre Geheimnisse preisgaben. Die Ladung ihres Schiffes, sie führten wertvolles Tuch, war für Marseille bestimmt gewesen, und wurde nun auf El Indios Befehl zu uns herüber verfrachtet. Nur er bestimmte, welche Ladung zu übernehmen sei. Aber die Mermaid war nicht mehr voll beladen, sie musste also einen Teil ihrer Ladung schon woanders verkauft haben. Es bedurfte wieder einer für den englischen Kapitän nicht sehr angenehmen, aber wirksamen „Überredungskunst“ bis er mit einer beträchtlichen Summe Bargelds herausrückte. Sie war für den Einkauf von Wein und Öl bestimmt gewesen, welche er nach England hatte zurückschiffen wollen.

       Gefangene wurden nicht gemacht. Der Capitán betrieb keinen Sklavenhandel. Und doch kam es diesmal zu einer Ausnahme. Während nämlich sonst keiner auf dem gekaperten Schiff mehr aufzumucken wagte, gab es einen, der wie ein Rohrspatz schimpfte. Er ließ uns lautstark wissen, was er von uns hielt und was wir zu erwarten hätten, wenn er erst wieder zu Hause sei. Seine Kameraden wollten ihn zum Schweigen bringen, aber vergebens. An seinen Federn sahen wir, was für einen Vogel wir da gefangen hatten. Einige unserer Seeleute rissen ihm die Perücke vom Kopf und zogen ihm seinen prunkvollen Rock aus.

      „Einen Narren muss man mit dem Kolben lausen!“ riefen sie und klopften ihm lachend das Wams aus, stießen ihn in seinen hervorquellenden Bauch, drehten ihm eine Nase, rissen Possen und machten ihn so sehr zum Narren, bis er fuchsteufelswild war.

      „Gevierteilt sollt Ihr werden! Wartet nur bis ich den Zeck verständige! Der wird euch die Sohlen versengen!“ geiferte er. Unsere Männer bogen sich vor Lachen. Ich jedoch wurde hellhörig. Hatte er nicht Zeck gesagt? СКАЧАТЬ