Der Rote Kolibri. Alexander Jordis-Lohausen
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Название: Der Rote Kolibri

Автор: Alexander Jordis-Lohausen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783748557968

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СКАЧАТЬ nicht nach einem Markttag zufällig dem Höllenwirt über den Weg gelaufen wäre.

      „Du siehst mir ja heute besonders wütend aus, junger Rebell! Aber was zur Nessel werden will, brennt halt beizeiten.“ redete er mich freundlich an. Seit unserem ersten Zusammentreffen war der Höllenwirt immer wieder durch meine Gedanken gezogen. Doch niemals hätte ich es gewagt, ihn aufzusuchen.

      „Was soll’s!“ sagte ich trotzig-hochtrabend. „Man lebt dahin, tagein, tagaus, und weiß nicht mal wohin und wozu!“

      „Hört, hört! Komm‘ mit mir und erzähl‘ mir davon!“ erwiderte er und führte mich in seiner Spelunke in einen kleinen Nebenraum, wo wir ungestört waren.

      „Also was gibt’s?“

       Ich war stolz, diesmal der alleinige Gegenstand seiner Aufmerksamkeit zu sein und schüttete ihm mit einer Offenheit mein Herz aus, wie ich es bisher noch nie getan hatte. So wie man es eben oft Menschen gegenüber zulässt, die einem nicht nahestehen.

      „Und daher möchte ich Seeräuber werden und mich rächen an diesem Verbrecher Zeck und an all denen, die da mit ihren schmutzigen Mäulern zum hohen Fenster hinausschauen!“ endete ich meine Erklärung.

      „Du bist noch sehr unerfahren, junger Freund.“, sagte der Höllenwirt ganz ernst. „Wenn du dir im Leben viele Enttäuschung ersparen willst, so merke dir gleich jetzt: es gibt keine Verbrecher! In unserer menschlichen Gesellschaft gibt es nur Gewinner und Verlierer. Der Zeck aber, den du so hasst, ist ein Gewinner. Er ist geehrt und angesehen, denn er hat Geld und er hat Einfluss. Und das zählt über alles. Wie er dazu gekommen ist, fragt heute niemand mehr! In dieser Welt gilt das Recht des Stärkeren. Und das wird sich nicht ändern.“

       Ich saß da wie ein geschnitztes Bild und bereute schon, so ehrlich gewesen zu sein. Denn vielleicht stand auch der Höllenwirt auf der Seite der Stärkeren. Doch was gesagt war, war gesagt. Und er fuhr auch gleich fort:

      „Aber versteh mich nicht falsch, mein Freund! Ich weiß genau, was du meinst und möchte dir helfen. Ich liebe sie auch nicht, jene selbstgerechten Barbaren, die rücksichtslos nur Macht und Gewinn im Sinn haben.“ Ich atmete auf. Schließlich nach einer langen Pause, als müsste er erst überlegen, ob er mir das, was er vorzuschlagen hatte, auch zutrauen könne, antwortete er:

      “Was du willst, könnte ich dir schon einrichten. Aber das Seeräuberleben ist hart. Und manch einer hat am Galgen geendet! Überdies, wirst du auf viel Gewalttätigkeit und Grausamkeit und auf wenig edle Gesinnung stoßen. Glaub mir, auch die wenigen edelgesinnten Seeräuber verrohen meist und vergessen darüber ihren Edelmut. Vielleicht gelingt es dir, deine Ideale zu verwirklichen, aber ich warne dich, du wirst damit ziemlich allein dastehen. Also überleg dir’s gut.“

       Aber er hätte genauso gut den Tauben predigen können. Seine Bedenken wollte ich nicht hören. Ich schlug sie in den Wind.

      „Ich sag dir, Höllenwirt, ich will Seeräuber werden und dabei bleibt’s!!“ Ich versuchte dabei so heldenmütig wie möglich zu klingen.

      „Na gut, dann unterschreib den Wisch!“

       Er schob mir ein Pergament hin, auf das er ein paar Worte gekritzelt hatte. Als er sah, dass ich weder lesen noch schreiben konnte und fügte er hinzu:

      „Hier steht nur, dass ich dich nicht gezwungen habe, etwas zu tun, was du nicht tun willst. Es steht da auch, dass du dich auf sieben Jahre verpflichtest. Wenn die Frist abgelaufen ist, komm zu mir zurück, wenn du noch am Leben bist, dann gebe ich dich wieder frei. Wenn du nicht schreiben kannst, drück den Daumen in den roten Saft.“

       Dann nahm er ein scharfes Messer, ritzte die Kuppe meines linken Daumens an, sodass ein großer Blutstropfen hervorquoll. Den zerdrückte er mit meinem Daumen auf dem Pergament.

      „An diesen Linien wird dich jeder wiedererkennen. Ich werde morgen mit dem Capitán sprechen. Komm in drei Tagen wieder und ich werde dir Weiteres sagen. Wenn ein Ding sein soll, so schickt sich alles dazu!“

       Jetzt, wo die Entscheidung gefallen, war mir plötzlich etwas bang zu Mute. Auch wusste ich nicht, wie ich es meinen Eltern beibringen sollte. Sie würden es sicherlich nicht gutheißen. Erst dachte ich daran, mich heimlich davonzustehlen, aber das brachte ich dann doch nicht übers Herz.

      „Ich werde zur See fahren!“ sagte ich einfach, als ich drei Tage später mein kleines Bündel schnürte. Mein Vater blickte mich nur ernst an und sagte nichts, auch meine Mutter schwieg, aber ich sah die Sorge auf ihrem Gesicht.

      „Ich halte es hier nicht mehr aus!“ fuhr ich fort und erzählte ihnen von meiner Entscheidung. Alles, was sich in mir angestaut hatte, stürzte jetzt aus mir heraus. Als ich geendet hatte und unruhig wartete, was jetzt geschehen würde, trat mein Vater auf mich zu und schloß mich in seine Arme, was er sonst nie getan hatte.

      „Ich glaube, du bist jetzt alt genug, über dein Leben zu bestimmen. Es wäre nicht gut für dich noch für uns, dich hier festzuhalten.“ Er holte Atem. “Geh deinen Weg, mein Sohn, und mach deine eigenen Erfahrungen. Wenn du uns brauchst, sind wir immer für dich da.“ Ich küßte meine Mutter zum Abschied. „Gott behüte dich!“ sagte sie unter Tränen. Dann lief ich davon, so schnell ich konnte.

       So wurde ich Seeräuber. Ich war dreizehn Jahre alt.

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      Die „Schiffstaufe“

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       Die Fortuna , die von nun an für einige Jahre meine neue Heimat werden sollte, lag vor der Küste unweit des Dorfes vor Anker. Ihr langgezogener, schlanker Rumpf, mit leicht überhöhtem Achterdeck2, mit ihren drei hohen Masten, hob sich als malerische Silhouette gegen den klaren Morgenhimmel ab. Sie war etwa hundertsechzig Fuß3 lang und vierzig Fuß breit. Mit ihrer eindrucksvollen Segelfläche und einem Tiefgang von nur fünfzehn Fuß entkamen ihr auch die schnellsten Schiffe nicht, wenn sie es darauf anlegte. Der Anblick ihrer achtundzwanzig 24-Pfünder4 auf dem Kanonendeck, verstärkt durch zwölf 6-Pfünder auf dem Vorder- und dem Achterdeck hatten schon manchen Kauffahrer überredet, sich kampflos zu ergeben.

       Sie war früher ein spanisches Orlogschiff 5 gewesen, bevor der „Capitán“, wie der Höllenwirt und alle anderen ihn nannten, sie einige Jahre zuvor in einer einsamen Bucht südlich von Alicante überrascht und in einem schnellen Enterangriff überrumpelt hatte. Diese unverhoffte Beute war für den Capitán und seine Seeräubergemeinschaft eine wichtige Prise6 gewesen, zumal sie in gutem Zustand und durch den kurzen Kampf nur wenig beschädigt war. Denn ihr altes Seeräuberschiff war langsam schwerfällig, sein Rumpf morsch geworden, und sie hatten es bald darauf verbrennen müssen. Das neue Schiff wurde auf den Namen „Fortuna“ umgetauft.

       Diese Fortuna hatte, als ich ankam, etwa 200 Mann an Bord unter dem Kommando des Capitán, des Steuermanns El Indio und eines Kanoniers, den sie Pulver-Max СКАЧАТЬ