Drei Dichter ihres Lebens. Stefan Zweig
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Название: Drei Dichter ihres Lebens

Автор: Stefan Zweig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783750242401

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СКАЧАТЬ fühlt, um die Welt der Frau, diese andere Unendlichkeit, als Alleinherrscher sein eigen zu wissen – der bloße Genußmensch Casanova sucht niemals so bergsteigerische Superlative, sondern nur die Kontinuität des Vergnügens. Nur nicht allein sein, nicht in diesem Frost von Leere einsam schauern, nur keine Einsamkeit! Man beobachte doch nur Casanova, wenn ihm das Spielzeug Unterhaltung fehlt, jede Art Ruhe wird dann sofort zur fürchterlichsten Unruhe. Er kommt abends in eine fremde Stadt: nicht eine Stunde hält es ihn in seinem Zimmer allein mit sich selbst oder einem Buch. Sofort schnuppert er nach allen Seiten, ob ihm nicht der Wind des Zufalls Amüsement bringt, die Magd allenfalls als Wärmflasche dienen könnte für die Nacht. Er wird unten in der Wirtsstube mit zufälligen Gästen zu plaudern beginnen, verdächtigen Falschspielern in jeder Spelunke Paroli halten, mit der erbärmlichsten Hure nächtigen, überall drängt ihn übermächtig die innere Leere dem Lebendigen, den Menschen zu, denn nur die Reibung mit andern entzündet seine Vitalität; mit sich selbst allein ist er wahrscheinlich einer der trübseligsten, gelangweiltesten Gesellen: man merkt es an seinen Schriften (mit Ausnahme der Memoiren) und weiß es von den einsamen Jahren in Dux, wo er die Langeweile »die Hölle« nannte, »die Dante zu schildern vergessen«. Wie ein Kreisel unablässig gepeitscht werden muß, sonst kollert er jämmerlich zu Boden, so braucht Casanova für seinen Schwung den spornenden Antrieb von außen: er ist (wie unzählig viele) Abenteurer aus Armut an produktiver Kraft.

      Darum wird er immer, kaum daß die natürliche Spannung des Lebens aussetzt, die künstliche einschalten: das Spiel. Denn das Spiel wiederholt in genialer Verkürzung die Lebensspannung, es schafft künstliche Gefahr und Abbreviatur des Schicksals: Asyl darum aller Augenblicksmenschen, ewige Unterhaltung aller Müßigen. Dank dem Spiel läßt sich gleichsam im Wasserglas Ebbe und Flut des Gefühls stürmisch erregen und wird so unersetzbare Beschäftigung der innerlich Unbeschäftigten. Casanova ist ihm verfallen wie keiner. Sowenig er eine Frau sehen kann, ohne sie zu begehren, vermag er Geld auf einem Spieltisch umrollen sehen, ohne daß ihm die Finger aus der Tasche zucken; und selbst, wenn er im Bankhalter einen notorischen Plünderer erkennt, einen Kollegen im Falschspiel, so wagt er, obwohl er ihn verloren weiß, seinen letzten Dukaten. Nichts zeigt seine Spielversessenheit, seine maßlose, haltlose Hasardwütigkeit offensichtlicher, als daß er, obzwar selbst Plünderer, immer wieder sich plündern läßt, weil er auch der übelsten Chance nicht widerstehen kann. Nicht einmal, sondern zwanzig-, hundertmal verliert er die Beute mühsamer Prellerei an die immer neu herausgeforderte Chance des Kartenfalls. Aber gerade dies stempelt ihn ja zum wahrhaften und urtümlichen Spieler, daß er nicht spielt, um zu gewinnen (wie langweilig wäre das), sondern um zu spielen. Niemals sucht er die endgültige Entspannung, sondern dauerndes Gespanntsein, das ewige Abenteuer in der Abbreviatur von Schwarz und Rot, Karo und As, das zuckende Auf und Ab, in dem er erst seine Nerven spürt und seine Leidenschaft als strömend empfindet – wie Systole und Diastole, wie Aus- und Einatmen des feurigen Weltstoffs braucht er diese funkelnde Gegensätzlichkeit von Gewinst und Verlust am Spieltisch, das Erobern und Wegwerfen der Frauen, den Kontrast von Armsein und Reichsein, das ins Unendliche verlängerte Abenteuer. Und da selbst ein so kinohaft buntes Leben noch Intervalle hat an Plötzlichkeiten, Überraschungen und Wetterstürzen, füllt er diese leeren Pausen mit der künstlichen Spannung des Kartenfatums, und erst dank seinen tollwütigen Hasardwürfen erreicht er die plötzlichen Kurven von oben nach unten, diese schmetternden Niederstürze ins Nichts: heute noch die Taschen voll Gold, Grandseigneur, zwei Diener hinter der Karosse, und morgen die Diamanten rasch einem Juden verkauft und die Hosen – kein Scherz dies, man hat die Quittung gefunden! – im Leihhaus in Zürich versetzt. Aber genau so und nicht anders will ja dieser Erzabenteurer sein Leben – weit auseinandergefetzt von diesen plötzlichen Explosionen des Glücks und der Verzweiflung: um ihretwillen wirft er immer wieder sein ganzes vehementes Wesen als letzten und einzigen Einsatz dem Schicksal hin. Zehnmal steht er im Duell einen Zoll breit vor dem Tod, dutzendmal vor dem Zuchthaus oder der Galeere, Millionen strömen ihm zu und wieder fort, und er biegt nicht einmal die Hand, einen Tropfen zu halten. Aber gerade weil er immer sich hingibt und immer ganz an jedes Spiel, jede Frau, jeden Augenblick, jedes Abenteuer, gerade darum gewinnt, der als erbärmlicher Bettler in fremdem Ausgedinge stirbt, schließlich das Höchste: unendliche Fülle des Lebens.

      Homo eroticus

      Verführt ich jemals? Nein, ich war zur Stelle.

      Wenn just mit holder Zauberei Natur

      Ihr Werk begonnen, auch verließ ich keine,

      Denn ewig jeder dankbar blieb mein Herz.

       Arthur Schnitzler, Casanova in Spa

      Er dilettiert recht und meist schlecht in allen Künsten, schreibt stolperige Verse und narkotische Philosopheme, er kratzt mittelmäßig die Geige und konversiert bestenfalls wie ein Enzyklopädist. Trefflicher schon versteht er jene Spiele, die der Teufel erfunden und so da sind: Pharao, Karten, Biribi, Würfel, Domino, Bauernfängerei, Alchimie und Diplomatie. Aber als Magier und Meister exzelliert Casanova einzig im Liebesspiel. Hier binden sich in schöpferischer Chemie seine hundert verpfuschten und stückhaften Talente zum reinen Element des vollkommenen Erotikers, hier und nur hier hat dieser zweideutige Dilettant unwidersprechlich Genie. Sein Körper schon scheint sichtlich dem Dienst der Cythere zugeschaffen. Ausnahmsweise verschwenderisch, mit voller Faust hat die sonst sparsame Natur in den Tiegel gegriffen, um alles an Saft, Sinnlichkeit, Kraft und Schönheit zusammenzuraffen, damit den Frauen zur Freude wieder einmal ein rechter Mann entstehe, eine mâle, ein Mannskerl oder Männchen, ganz wie man's übersetzen will, ein vollwichtiges und doch federndes, ein hartes und doch heißes Exemplar dieses guten Geschlechts. Denn man geht fehl, Casanova, den Eroberer, physisch nach unserem schlankschmalen, modischen Schönheitstypus zu denken: dieser bei uomo ist kein Ephebe, durchaus nicht, sondern ein rechter Mannshengst mit Schultern des Farnesischen Herkules, Muskeln eines römischen Ringers, der braunen Schönheit eines Zigeunerburschen, der Stoßkraft und Frechheit eines Kondottiere und der Brünstigkeit eines wirrhaarigen Waldgottes. Metall sein Körper, strotzend von Überschuß und Kraft: viermalige Syphilis, zwei Vergiftungen, ein Dutzend Degenstiche, die grau-gräßlichen Jahre unter den Bleidächern und in stinkenden spanischen Kerkern, die plötzlichen Reisen von sizilianischer Hitze in moskowitischen Frost erschüttern keinen Zoll seiner phallischen Bereitschaft und Kraft. Wo immer und wann immer, es genügt der Funke eines Blicks, der physische Fernkontakt weiblicher Nähe, und schon flammt und funktioniert diese unbesiegbare Sexualitas. Ein ganzes emsiges Vierteljahrhundert bewährt er den sagenhaften Messer sempre pronto, den Herrn Allzeitbereit der italienischen Schwanke, lehrt unermüdlich die Frauen höhere Mathematik als die wackersten ihrer Liebhaber, und das ärgerliche Fiasko im Bett (dem Stendhal in seinem Traktat »l'Amour« die Wichtigkeit eines eigenen Kapitels zumißt) kennt er bis zum vierzigsten Jahre nur vom Hörensagen und Gerücht. Ein Körper, der nie ermattet, wenn die Begierde ihn aufruft, eine Begierde wiederum, die nie aussetzt, die wachnervig allem Weiblichen auflauert, eine Leidenschaft, die trotz wütigster Verschwendung nicht armt, ein Spieltrieb, der keinen Einsatz scheut – tatsächlich, selten hat die Natur einem Meister ein derart vollsaitiges Körperinstrument, eine solche viola d'amore zum Spiel für ein ganzes Leben anvertraut.

      Aber Meisterschaft fordert zur rechten Bewährung noch besonderes Unterpfand: die völlige Hingabe, die restlose Konzentration. Nur der Monogam eines Triebs erreicht das Maximum in der Leidenschaft, nur völlige Zusammengefaßtheit in eine Richtung schafft vollendete Leistung; wie dem Musiker Musik, dem Dichter Gestaltung, dem Geizigen Geld, dem Sportwütigen Rekord, muß einem vollgültigen Erotiker die Frau, ihre Umwerbung, Begehrung und Besitz zum wichtigsten, nein zum einzigen Weltgut werden. Wegen der ewigen Eifersucht aller Leidenschaften widereinander darf er nur dieser einen und einzigen unter allen Passionen sich hingeben, einzig in ihr und in ihr allein Sinn und Unendlichkeit der Welt erfassen. Casanova, der ewig Untreue, bleibt sich treu in der Weibsleidenschaft. Bietet ihm den Dogenring von Venedig, die Schätze der Fuggers, Adelsbrief, Haus und Bestallung, Feldherrn- und Dichterruhm, er wird mit lockerer Hand diesen Firlefanz, diese dummen Wertlosigkeiten wegwerfen für den Duft einer neuen Haut, den unersetzbar süßen Anblick und Augenblick СКАЧАТЬ