Название: Die Pyrenäenträumer - Band 2
Автор: Wolfgang Bendick
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Zu Wasser und zu Lande
isbn: 9783750216471
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Die Freundin von Charles, der inzwischen von den Eltern die Kneipe übernommen hat, hatte von ihrem Großvater eine Sammlung von alten Gegenständen geerbt, die in dem zu einem Museum umbenannten alten Pfarrhof ausgestellt werden sollten. Nächteweise waren wir darin zu Gange, um die Sammelstücke zu analysieren, aufzuhängen und zu beschriften. Und bei so manchem Gegenstand saßen wir lange davor, um herauszufinden, wozu er mal gedient haben mochte! Es waren einige hölzerne, schneebesenartige Teile dabei, denen man ansah, dass sie aus der Spitze eines kleinen Tannenbaumes hergestellt waren, deren gestutzte Äste durch in den Siel geschnittene Kerben zu Kreisen zusammengehalten wurden. Wie Christiane uns erklärte, hatten diese zum Rühren der Käsemasse gedient. Unterhalb vom Pfarrhaus lag eine Christbaumpflanzung. Dort besorgte ich mir einen kleinen Wipfel und verwandelte ihn in so eine ‚Toudeilhe‘.
Unsere Milch wird langsam warm. Ab und zu fischen wir etwas Asche und Ruß von der Oberfläche. Ich müsste mal einen Deckel bauen! Doch dann kann man nicht mehr rühren, und nichts schmeckt übler, als angebrannte Milch! „Ein Thermometer!“ „Draußen hängt eins!“ Aber das will ich nicht wegschrauben, außerdem ist es aus Metall. Doris hat eine Idee: „Wir haben noch das alte Badethermometer der Kinder!“
Bei 32 Grad schwenken wir den Kessel aus dem Feuer und geben einen Teelöffel Lab hinzu, das wir in der Apotheke gekauft hatten. Gut verrührt, dann ein Tuch über den Kessel, damit die Milch sauber und warm bleibt. Nach einer halben Stunde stecken wir den gekrümmten Finger in die Milch und bewegen ihn leicht vorwärts. Die Milch ist irgendwie flockig, aber noch nicht so fest wie Joghurt, so wie wir es im Lehrgang gesehen hatten. Also abwarten! Nach einer Stunde ist sie zwar fester, aber immer noch nicht genügend. Wir rufen Eric an, der die Lehrgänge gibt. „Ihr habt bestimmt euer Lab in der Apotheke gekauft“, meint er, da ist es oft überlagert. Was steht drauf, welche Konzentration hat es?“ Wir schauen auf die Flasche. „Da steht nichts!“ „Typisch! Von einem Käser verlangt man alles Mögliche auf die Etiketten zu schreiben, und die schreiben noch nicht mal die Stärke und das Verfallsdatum drauf! Nehmt das nächste Mal die doppelte Menge Lab, noch besser, lasst euch eine Flasche vollfüllen in der Käsefabrik in St. Girons! Da seid ihr sicher, dass es frisch ist und ihr wisst die Konzentration! Deren Lab hat eine 10.000er Konzentration, das heißt, ihr braucht 1 Liter Lab, um 10.000 Liter Milch zum Gerinnen zu bringen, wenn ihr laktischen Käse macht, wie Camembert oder Frischkäse, - in eurem Fall, bei gepresstem Käse, braucht ihr 2,5 Liter!“ „Das ist ja kompliziert!“, ruft Doris in den Hörer. „Ganz und gar nicht!“, hallt es zurück. Schreibt auf, dann könnt ihr selber die Liste vervollständigen: Für eure Käse braucht man 25 ml, um 100 Liter Milch zum Gerinnen zu bringen, das heißt, 2,5 ml auf 10 Liter. Wieviel Liter Milch habt ihr. 20? Dann braucht ihr 5 ml! Jetzt macht erst mal so weiter, irgendwas wird schon rauskommen! Auf diese Art lernt man, durch Fehler und durch Probieren! Essbar wird es schon sein, wenn die Milch gut war! Vielleicht habt ihr gerade eine neue Käsesorte erfunden! Und denkt daran, euch einen Messbecher für das Lab zuzulegen, das vereinfacht die Sache enorm!“
Mit neuer Zuversicht schneiden wir den nun joghurtartigen Inhalt mit einem Küchenmesser in Stückchen von der Größe eines Maiskornes, den Rest macht die Toudeilhe, der Tannenbaum-Quirl, als wir den Kessel wieder über das Feuer schwenken und rühren. In den Käsereien benützt man zum Schneiden eine ‚Harfe‘, einen mit feinen (Klavier-)Drähten bespannten Rahmen, der dazu beiträgt, wenig ‚Staub‘, also Feinteile zu machen, da der entweder als Verlust mit der Molke abgeht oder die Poren im geformten Käse verstopft, und dieser schlecht trocknen kann. Und das war das nächste Utensil, das wir brauchten, denn die Brühe im Kessel war zu trüb!
Auf dem Schrottplatz fand ich drei Millimeter dicke Nirosta-Stahl-Bänder, die ich im Schraubstock zu zwei rechteckigen Rahmen bog und zusammenschweißte, mit einer Halterung daran für einen Griff aus Holz. Den einen Rahmen versah ich oben und unten im Abstand von 2,5 Zentimetern mit kleinen Löchern, den anderen auf beiden Seiten. Für den Klavierdraht musste ich bis St. Gaudens fahren, den gab es auf unserer Seite des Passes nicht. Noch schwieriger war es, die Ringschrauben zu bekommen, die schickte mir mein Bruder aus Deutschland. Bei jedem Rahmen steckte ich die Ringschräubchen von innen her in eine Reihe der Löcher und versah sie auf der anderen Seite mit Flügelmuttern. Durch jeweils zwei Löcher auf der gegenüberliegenden Seite steckte ich ein Stück Draht, dessen Enden ich am Ring zweier Schrauben auf der Gegenseite befestigte. Dazu ist es praktisch, eine Kombizange und eine Spitzzange zur Verfügung zu haben, denn der Draht erwies sich als sehr störrisch! Als alle Drähte befestigt waren, spannte ich sie, bis sie leicht wie eine Harfe klangen, oder sagen wir mal, eher wie eine ‚Teufelsgeige‘. Als Griff benutzte ich abgebrochene Axtstiele, die ich gerade schnitt. Nun hatte ich die passenden Geräte um fachmännisch Käsebruch herzustellen.
Unter langsamen Rühren erhitzen wir die Milch auf 36 Grad und nehmen den Kessel vom Feuer. Dann rühre ich mit der Hand weiter. Man spürt eigentlich keinen Temperaturunterschied mehr. Das heißst sicher, dass die Milch auf Körpertemperatur ist. Langsam bemerke ich, wie die kleinen Milchkörnchen, der Bruch, fester werden! Ich rühre insgesamt 45 Minuten weiter. Dabei gehen einem natürlich viele Dinge durch den Kopf. Und es sind so viele Dinge, die sich tun, dass man eigentlich alles aufschreiben sollte! Doris sucht einen Zettel und schreibt das Wichtige auf, wie Milchmenge, Erwärmungsdauer, Temperaturen, die Uhrzeit, Einlabzeitpunkt, Labmenge, Gerinnungszeit, Zustand der ‚Dickete‘, der geronnenen Milch, Körnchengröße, Endtemperatur, Rührzeit, und warum nicht noch das Wetter draußen, das Datum, ob frischgekalbte Kuh etc.! Denn nur so ist es möglich, gewissen Fehlern auf die Spur zu kommen und den ‚perfekten Käse‘ zu machen! Und wenn man beim nächsten Mal etwas ändert, dann nur einen der Parameter, denn sonst ist nicht klar ersichtlich, wodurch eine Verbesserung (oder auch Verschlechterung) erreicht worden ist! Am besten gleich mehrere Fabrikationszettel anfertigen und alles Wichtige darin vermerken!
Als Form haben wir einen kleinen Plastikeimer an vielen Stellen durchbohrt. Meine Eltern hatten beim letzten Besuch ein Käsetuch aus den Alpen mitgebracht. Das ist ein riesiges Jutetuch, in dem die Emmentaler Käse beim Formen eingepackt werden. Das war fast zwei mal zwei Meter groß, viel zu groß für uns! Doris zerschnitt es in neun Teile und säumte sie ein. Ein Teil hatten wir in warmem Wasser eingeweicht, damit es geschmeidig wurde. Wir lassen den Käsebruch einen Moment absinken, ich versuche, ihn in der Molke vorsichtig zu einer Kugel zusammenzudrücken, was nicht einfach ist. Nun wickle ich einen Rand des Tuches um ein Stück halbkreisförmig gebogenen Weidenzaundraht und versuche, unter der Kugel durch mit dem Tuch den Bruch einzusammeln. Anschließend stopfen wir das Ganze in das Form-Eimerchen, welches im Waschbecken steht. Durch die Löcher sprudelt Molke nach außen. Als wir den Kessel leeren wollen, merken wir, dass noch einiges an Käsemasse darin ist. Wir gießen alles durch ein Sieb, um keinen Verlust zu haben. Dabei kommt uns die Idee, das nächste Mal gleich durch ein Sieb zu schütten, um die Fischerei zu vermeiden! Unser Käsle wird schließlich nur 2 Kilo wiegen, und nicht 50, wie ein Emmentaler!
Langsam sinkt die Käsemasse in der Form zusammen. Nach 10 Minuten heben wir das Tuch heraus und öffnen es. Und welch ein Wunder! Die Masse ist schon ziemlich fest und hält zusammen, als wir das Tuch öffnen! Jetzt legen wir den Klumpen aus dem Tuch auf die andere Hand und legen das Tuch erneut darüber. Dabei reißt СКАЧАТЬ