Название: Sarah Boils Bluterbe
Автор: Nicole Laue`
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844261509
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Die fremde Gestalt schritt langsam auf mich zu. Die Konturen formten sich zu einem attraktiven und sanftmütigen Gesicht. Trotz der Dunkelheit konnte ich im Schein des Mondlichts erkennen, dass seine Augen bläulich schimmerten. Sein braunes, leicht gewelltes Haar umrahmte sein markantes und blasses Gesicht. Er blieb in annehmbarem Abstand vor mir stehen und sagte: „Nein, das bin ich nicht. Aber ich bin deswegen hier.“
Unbehagen kroch an mir hoch und ich spürte, wie ein Zittern folgte und sich eine Gänsehaut, wie eine Schlange um mich bog.
„Was soll das alles? Wer bist du? Und was willst du von mir?“
Der Fremde sah mich geduldig an und sagte dann leise: „ Ich bin Christopher, dein Vater.“
Mir verschlug es die Sprache. Ich stand fast nackt, mitten in der Nacht, im Hinterhof unseres Mietshauses vor einem fremden Mann, der behauptete mein Vater zu sein. Die anfängliche Angst verflog sofort und kaltschnäuzig erwiderte ich: „Mein Vater ist bei einem Unfall ums Leben gekommen.“
Das genutzte, persönliche „du“ verschwand aus meinem Wortschatz und das distanzschaffende `Sie` nahm seinen Platz ein.
„Und wagen Sie es sich nie wieder, mich zu beobachten. Sollte ich Sie noch einmal in der Nähe unseres Hauses sehen, rufe ich die Polizei.“
Der Fremde blickte zu Boden, dann wieder zu mir und erwiderte: „Ich begegne dir in deinem eigenen Traum. Wenn ich wieder fort bin, wirst du sofort erwachen. Aber jetzt musst du mir einfach nur zuhören. Sarah, glaube mir, ich bin dein Vater.“
Er sah erneut auf, unsere Blicke trafen sich.
„Woher kennen Sie meinen Namen", japste ich und versuchte Luft zu holen. „Und wer verdammt noch mal sind Sie?“
„Ich habe keine Zeit für lange Erklärungen. Die nächsten Tage wird dir ein Mann begegnen, sein Name ist Lionel. Du darfst ihm auf keinen Fall vertrauen. Und Sarah…ruf Christine an, sie wird dir alles Weitere erklären.“
„Christine? Meine Mutter?“ schrie ich erschrocken und sah ihn mit großen, fragenden Augen ungläubig an. Meine Stimme versagte für den Moment und wie in Trance fügte ich kaum hörbar hinzu: „Woher kennen Sie den Namen meiner Mutter?“
„Es ist Zeit, dass du die Wahrheit erfährst. Du bist nicht mehr länger sicher. Viele Dinge werden sich in deinem Leben von nun an ändern. Ich kann dir das nicht alles erklären. Ich dürfte gar nicht hier sein und muss dich nun auch wieder allein lassen.“
„Warte", rief ich ihm nach.
„Ich habe ein paar Fragen.“
Er schenkte mir ein liebevolles, fast schon fürsorgliches Lächeln, das mich auf seltsame Weise verwirrte, denn in seinen Gesichtszügen konnte ich keinerlei böse Absichten entdecken.
„Hüte dich vor Lionel!“
Seine Stimme wurde leiser und seine Gestalt verwandelte sich in eine durchsichtige, unbeschreibliche Figur, die sich langsam einfach in Nichts auflöste.
„Warte doch mal!“
Allem Anschein nach konnte er mich jedoch nicht mehr hören, er war genauso schnell verschwunden, wie er gekommen war. Im gleichen Moment öffnete ich die Augen und starrte in Martins Gesicht.
Was war das denn jetzt?
Zeitgleich fiel mir eines von Marys Büchern ein, der Titel war mir in guter Erinnerung geblieben:
Träume - der Schlüssel zum eigenen Ich.
Tja, damit wäre dann ja wohl alles gesagt.
Ich war ein verzogenes Einzelkind, das ohne Vater aufwachsen musste. Kein Wunder, dass sich das eines Tages bemerkbar machen würde. Ich presste meinen Kopf ins Kissen und fiel trotz des seltsamen Traumes, in einen tiefen und ruhigen Schlaf.
„Guten Morgen", brummte es neben mir.
„Mmmmm“ grummelte ich zurück, blinzelte verschlafen und zwang mich, die Augen zu öffnen. Keine zehn Zentimeter vor meinem Gesicht entfernt, leckte sich Martin über seine Lippen. Blitzschnell flutschte das schlabbrige Teil zurück in seine Mundhöhle und zwei feuchte Lippen näherten sich bedrohlich meinem Mund. Ich riss den Kopf zurück, sprang aus dem Bett, rannte ins Bad, rief noch schnell durch den Türrahmen „Ich muss mal dringend", und schlug die Badezimmertüre zu.
Puh, gerade noch geschafft, Schwein gehabt. Ohne Zähneputzen, ist ja ekelhaft.
Wenig später saß ich in Jeans und Sweatshirt in der Küche an meinem Bartisch und schlürfte die erste Tasse Kaffee. Als Martin aus der Dusche kam und auf mich zusteuerte, zog ich ihn näher an mich heran und gab ihm seinen lang ersehnten Kuss. Sein Blick hellte sich auf und er schenkte mir ein liebevolles Lächeln.
„Ich fahre heute zu Technico, den Laptop umtauschen, danach wollte ich die Rechnungen fertig machen. Kommst du auf der Baustelle allein zurecht?“
Martin nickte, drückte mich näher an seine kräftige Brust und antwortete: „Sicher, aber solltest du mich ablenken wollen, habe ich nichts dagegen einzuwenden.“
Ich ignorierte seinen erhöhten Testosteronspiegel und blickte über seine Schulter durch das Fenster in den Hinterhof. Eines der Eichhörnchen flitzte in Windeseile den dicken Stamm der Kastanie hoch und versteckte sich im Geäst. Sein wuscheliger Schwanz verschwand als Letztes hinter den grünen Blättern. Wie friedlich die Welt dort draußen in solchen Augenblicken schien. Bevor ich den Gedanken weiter entwickeln konnte, weiteten sich plötzlich meine Pupillen.
Da ist er ja schon wieder!
Kaum mit dem bloßen Auge erfassbar, zischte ein dunkler Schatten hinter dem dicken Baumstamm hervor. Wie ein geölter Blitz schien er die Hürde des Zaunes zum Nachbargrundstück ohne Probleme zu überwinden und verschwand irgendwo zwischen den gegenüberliegenden Häusern.
„Das gibt es doch nicht, das ist das dritte Mal, dass ich jetzt einen dunklen Schatten in unserem Hinterhof sehe. Jedes Mal wenn ich aus dem Fenster schaue, fliegt er vor meinem bloßen Auge vorbei und verschwindet irgendwo.“
Martin schob mich ein Stück von sich weg, kam mit seiner Stirn nah an mein Gesicht, blickte in meine Augen und überlegte: „Vielleicht bekommst du einen grauen Star, oder so was in der Art, geh mal gleich zum Augenarzt.“
„Ja, vielleicht", erwiderte ich unsicher und mir fiel der seltsame Traum von letzter Nacht ein. Er verschwamm jedoch vor meinem geistigen Auge und ich hatte Mühe, ihn noch einmal zu rekonstruieren. Alles was meine Erinnerung hergab, war der Anblick dieses Mannes, der mir gegenüberstand und behauptete, er sei mein Vater.
Himmel, und ich war fast nackt gewesen!
Vielleicht sollte ich mir wirklich endlich eine Therapeutin suchen. Ich seufzte und sprang auf.
„Ich fahr los, sonst СКАЧАТЬ