Nesthäkchens Jüngste. Else Ury
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Читать онлайн книгу Nesthäkchens Jüngste - Else Ury страница 13

Название: Nesthäkchens Jüngste

Автор: Else Ury

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783752937718

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СКАЧАТЬ dienstbereit nach ihren Wünschen. Ursel war plötzlich der Mittelpunkt des fremden Kreises geworden. Dies behagte ihr sehr. Ihre Eitelkeit war geschmeichelt, sie war bestrickend liebenswürdig und bezauberte alle. So unbefangen und sicher benahm sich sonst ein so junges Mädchen nicht, das war sicher Künstlerblut. Es ging recht fidel an dem langen Tisch in der Kantine zu, als ob ein Fest gefeiert würde. Mit großen Augen blickten die Damen und Herren aus den übrigen Abteilungen auf den Neuling, der solche Umwälzung in dem vornehm zurückhaltenden Ton, der sonst hier zu herrschen pflegte, gebracht hatte. Bis auch sie eingeweiht waren, daß die Bank die Ehre hatte, eine Opernsängerin unter sich zu sehen.

      »Welche Partien singen Sie, Fräulein Hartenstein? Sopran oder Altarien?« erkundigte sich eine der Damen.

      »Alles durcheinander, wie mir der Schnabel gewachsen ist.« Ursel begann in ihrer angeregten Stimmung »kommt ein schlanker Bursch gegangen« aus dem Freischütz zu trällern. Wer noch irgendeinen Zweifel an der Künstlerlaufbahn der jungen Dame gehegt hatte, war jetzt bekehrt.

      Plötzlich unterbrach sich Ursel: »Himmel, Cäsar, mein armes Hundeviech – ich lasse es mir hier wohl sein und der arme Kerl kann hungern. Jetzt muß Cäsar erst gespeist werden.« Die Mitteilung, daß Ursel ihren Hund mitgebracht und beim Pförtner abgegeben habe, erhöhte die Heiterkeit. Künstlerinnen waren stets originell. Man sammelte für Cäsar sämtliche Reste. Eine stattliche Korona zog mit ihr hinaus, um Cäsars Diner beizuwohnen.

      Der Anblick seiner Herrin löste ein wildes Freudengeheul bei dem Köter aus. Mit Ingrimm hatte er sich ebenso seiner Freiheit beraubt gefühlt, wie sie bei ihren Briefadressen. Als einer der Herren ihn jetzt losband, gebärdete er sich wie toll, er riß Ursel mit seinen Liebesbezeigungen nach der stundenlangen Vernachlässigung fast um. Bis die Mahlzeit eine noch größere Anziehungskraft als sie auf ihn ausübte. Es war ein solcher Tumult, daß einer der Direktoren, der das Vestibül gerade passierte, kopfschüttelnd meinte: »Ei – ei, hier scheint es ja recht fidel zuzugehen. Es ist Zeit, die Bureaus aufzusuchen, meine Damen und Herren.«

      Ursel fühlte sich von dem versteckten Vorwurf, der den andern recht peinlich war, durchaus nicht getroffen. Sie fand es augenblicklich ganz reizend an der Bank mit all den netten Damen und Herren. Aber als sie dann wieder bei ihren Adressen saß, ebbten die hochgehenden Wogen ihrer Begeisterung allmählich ab.

      »Hören Sie, mit der kleinen Hartenstein müssen wir uns verhalten, da kann man Freibillette zur Oper bekommen, die jetzt sonst nicht mehr zu erschwingen ist«, flüsterte eine der Damen einer Kollegin zu.

      »Ich habe sie gefragt, worin sie das nächste mal auftritt, da hat sie mich ausgelacht. Sie sei noch gar nicht ausgebildet, sagte sie, das sei doch alles nur Zukunftsmusik.«

      »Bescheidenheit, pure Bescheidenheit. Sie will ihr Inkognito gewahrt sehen. Verlassen Sie sich darauf.«

      Ursel ahnte nicht, daß Frau Fama, die geschwätzige, sie bereits in eine Primadonna verwandelt hatte. Die Anzapfungen der Kollegen betreffs ihrer Opernlaufbahn hatte sie für Scherz und Neckerei genommen und war voll Übermut darauf eingegangen.

      Augenblicklich beschäftigte sie sich damit, festzustellen, daß der kleine Goldzeiger an der Armbanduhr, die sie von der Großmama zum letzten Geburtstag erhalten, nicht von der Stelle wollte. Himmelbombenelement – kam denn nichts, um sie aus diesem Stumpfsinn zu erlösen?

      Da – ein Kratzen an der Tür – ein herzbrechendes Winseln. Ursel machte ein spitzbübisches Gesicht. Das kannte sie. Einer öffnete die Tür, zu sehen, was es gäbe. Und da kam es auch schon hereingestürmt, hellbraun und weißgefleckt, ein Riesenköter – mit lautem Freudengeheul raste er an all den Schreibpulten vorüber, riß Herrn Müller fast von seinem hohen Bock, daß seine Brille bedenklich ins Wanken kam, und stürzte sich auf den jüngsten Banklehrling. Das Tintenfass flog um und ergoß seine düsteren Fluten über Ursels in stundenlanger Pein fabrizierte Briefe. Die hielt sich die Seiten vor Lachen, während Cäsar mit tollem Gekläff die glücklich Aufgefundene umkreiste. Lachend drängten sich die Damen und Herren hinzu. Einen so fidelen Tag hatte die Bank bisher noch nicht zu verzeichnen gehabt. Herr Müller aber, der Abteilungschef, war sich der Würde seiner Stellung durchaus bewußt.

      »Ich muß doch sehr um Ruhe bitten«, sagte er höflich zu Cäsar gewandt.

      Der hatte wenig Verständnis für Herrn Müllers ausgesuchte Höflichkeit. Nur um so lauter blaffte er.

      »Fräulein Hartenstein, wenn ich bitten darf, ist das Ihr Hund?«

      »Ja, aber natürlich.«

      Nun, so natürlich fand das Herr Müller durchaus nicht, daß man solch eine Riesenbestie ins Bureau mitbrachte. Aber Künstlerinnen waren ja oft überspannt. »Fräulein Hartenstein, in Anbetracht der wiederherzustellenden Ordnung und Ruhe hier halte ich es für das Beste, wenn Sie für heute Schluß machen. Die Briefumschläge sind ja nun doch verdorben.« Er wiegte bedauernd sein Haupt. »Vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, mit Ihrem Hund nach Hause zu gehen, wenn ich bitten darf.«

      Oh, Herr Müller brauchte durchaus nicht zu bitten. Mit triumphierendem Blick auf die unerledigten Briefe erhob sich Ursel. »Mach schön, Cäsar, bedanke dich!« Ihre eigene Dankbarkeit mußte Cäsar zum Ausdruck bringen.

      »Fräulein Hartenstein – Fräulein Hartenstein –.« Herrn Müllers Stimme hielt die spornstreichs zur Tür Eilende auf. »Ich darf Sie wohl noch bitten, Ihre Siebensachen zu verwahren. Die Damen und Herren machen stets vor Schluß auf ihrem Schreibtisch Ordnung, wenn ich bitten darf.« Da erst erinnerte er sich, daß er es ja mit einer Künstlerin, die für Ordnung wohl kaum etwas übrig hatte, zu tun habe.

      Ursel aber erinnerte sich daran, daß Mutti daheim sie auch stets zum Aufräumen zurückholen mußte. So gut es bei der Tintenüberschwemmung ging, kam sie Herrn Müllers Wunsch nach.

      Und nun stand sie endlich mit dem frohlockend blaffenden Cäsar draußen. Am liebsten hätte sie in sein Freudengekläff eingestimmt. »Lohengrin zieht jetzt wieder mit seinem Schwan ab«, dachte sie lustig. Und zum Erstaunen der Berliner Spatzen sang sie laut auf der Straße: »Nun sei bedankt, mein lieber Schwan.«

      So endigte der erste Tag in Ursels Banklaufbahn.

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