Centratur I. Horst Neisser
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Название: Centratur I

Автор: Horst Neisser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783741883101

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СКАЧАТЬ liefen sie quer über die Treppe dem Wind entgegen. Akandra war schneller, und der Junge hörte ihre Schritte vor sich. Sie war nicht einzuholen.

      Er rief: „Warte auf mich! Lass mich nicht zurück!"

      Sie blieb stehen und tastete nach seiner Hand. Gemeinsam gingen sie weiter, bis ihre Füße gegen ein Hindernis stießen. Doch wie groß war ihre Enttäuschung, als sie feststellten, dass es eine neue Treppe war. Eine Treppe an der Seite, die nach oben führte. Von dort oben kam der Luftzug. Die ganze Anlage musste zumindest halbrund sein.

      „Was sollen wir nun tun?" fragte Marc. „Weiter nach unten gehen oder hier nach oben steigen? Beides will mir nicht so recht gefallen."

      „Ich glaube, unser Schicksal liegt unten und nicht oben. Die Worte von ROM gehen mir durch den Kopf. 'Ihr setzt euch großen Gefahren aus, aber ihr gewinnt vielleicht Hilfe', hat er gesagt. Im Übrigen, wenn wir jetzt einen Weg nach oben suchen würden, wäre alles, was wir bisher durchgemacht haben, umsonst gewesen."

      „Du hast Recht. Noch sind wir der Rettung des Heimlands keinen Schritt nähergekommen. Wir haben eine Aufgabe, und wir werden zu ihr stehen!"

      „Tapferer Marc!" sagte sie leise.

      „Liebe, liebe Akandra!" antwortete er.

      Wieder stiegen sie in tiefster Dunkelheit ungezählte Stufen nach unten. Ihre Füße tasteten sich inzwischen automatisch von Tritt zu Tritt. Ihre Muskeln hatten sich an die Bewegung gewöhnt und die schmerzhaften Krämpfe waren ausgeblieben. Zwar hielten sie sich noch immer an den Händen, wie es ihre Gewohnheit geworden war, aber mit lockerem Griff. Es war ihnen, als wären sie schon ihr ganzes Leben diese unheimliche, riesige Treppe hinunter geklettert, und als würden sie, so lange sie lebten, weiterhin Stufe um Stufe steigen. Ihre Gedanken schweiften nach oben zum Licht, an das sie sich nur noch vage erinnerten. Marc dachte darüber nach, wie das Belüftungs- und Kühlsystem dieser Anlage wohl beschaffen sein mochte und bewunderte die Erbauer für ihre technische Leistung. Akandra hingegen versuchte wieder und wieder, den Sinn der Treppe herauszufinden.

      Sie hatten, wer weiß zum wievielten Mal, geschlafen, sich auf vielen Treppenabsätzen gestärkt, sie waren ausgeruht. Flott und leichtfüßig sprangen sie von Tritt zu Tritt. Da geschah es! Marc stolperte, glitt aus und fiel. Er schrie auf. Akandra wollte ihn halten, aber seine Hand rutschte aus der ihren. Bei dem Versuch, den Fallenden noch zu fassen, verlor sie selbst das Gleichgewicht, und so stürzten beide in die unendliche Tiefe. Hart schlugen sie auf die Kanten der steinernen Stufen, suchten krampfhaft nach Halt und rollten weiter. Sie schrien nicht mehr, sie gaben keinen Laut von sich, sie hatten mit dem Leben abgeschlossen.

      Ihr Fall war nur kurz, denn nach wenigen Stufen schlugen sie auf einem neuen Treppenabsatz auf. Ihre Körper schmerzten. Stammelnd riefen sie und waren erleichtert, als sie die Stimme des anderen hörten. Zum Glück waren sie unverletzt geblieben. Ein gebrochenes Bein wäre in dieser Situation das Todesurteil gewesen. Keuchend und stöhnend lagen sie nebeneinander. Das Zittern ihrer Körper ließ langsam nach, und auch ihre Herzen schlugen wieder ruhiger.

      „Das war knapp“, sagte Akandra.

      „Wo bist du?" fragte Marc, und seine Hand tastete zu der ihren.

      Später tranken und wuschen sie sich im Brunnen des Treppenabsatzes. Das seltsame Wasser linderte die Schmerzen der Prellungen.

      Bei ihrem weiteren Abstieg war die Angst wieder ihr Begleiter. Ganz langsam bewegten sie sich und tasteten erst mit dem Fuß nach der nächsten Stufe, bevor sie einen Schritt endgültig wagten. So kamen sie nur mehr langsam voran, doch einen zweiten Absturz hätten sie nicht überlebt.

      In ihr dumpfes Brüten drangen plötzlich Trommeln, so als würden Pauken langsam und pianissimo geschlagen. Sie konnten nicht ausmachen, woher der Schall kam, aber mit jeder Stufe nahmen die Paukenschläge an Stärke und an Geschwindigkeit zu. Schließlich dröhnten sie so laut in ihren Ohren, dass es schmerzte. Und mit einem Mal war da auch eine Stimme. Sie vernahmen sie nicht mit den Ohren, sondern klar und deutlich im Kopf selbst.

      Die Stimme flüsterte: „Kehrt um, ihr könnt nicht weiter. Kehrt um, dies ist ein verbotener Weg! Kehrt um, ihr dürft nicht weiter!"

      Angstvoll raunte Marc: „Was sollen wir tun?"

      „Weitergehen!" Akandra ließ keinen Widerspruch zu und zog ihn mit sich.

      Die Warnung wurde mit den gleichen Worten wiederholt, diesmal jedoch lauter und energischer. Beiden lief kalter Schweiß über den Körper. Ihre Herzen schlugen bis zum Hals. Dennoch setzten sie tapfer einen Fuß vor den anderen. Die Stimme schrie nun in ihrem Kopf, und sie krümmten sich vor Schmerzen. Aber sie quälten sich vorwärts. Und endlich sahen sie einen Lichtschimmer weit unten. Er war noch schwach, wie ein Stern am Nachthimmel, aber er war da.

      Im gleichen Augenblick, in dem sie das Licht sahen, verstummten das Trommeln und die Stimme. Es war wie eine Erlösung. So schwach die Helligkeit auch war, für ihre an absolute Dunkelheit gewöhnten Augen reichte sie aus, um alles um sie herum wahrzunehmen. Hoch über sich erkannten sie die Decke und rechts und links, weit entfernt, die Seitentreppen. Von Stunde zu Stunde wurde das Licht heller und heller. Sie wandten sich einander zu. Zwei bleiche, hohlwangige Gestalten starrten sich an und erschraken über ihren Anblick. Die Stufen der Treppe glänzten so hell, als wären sie aus Marmor, und als das Licht greller wurde, spiegelte es sich auf ihnen und blendeten die Besucher. Das Licht strahlte aus zwei nebeneinanderstehenden Säulen.

      Endlich nach Tagen, Wochen oder Jahren erreichten die Erits die letzte Stufe der langen Treppe. Das Material, auf dem sie nun standen, war das gleiche, wie das der Stufen: weiß und glänzend und unglaublich hart. Zögernd gingen sie auf die Säulen zu. Das Licht, das ihnen entgegen quoll, war so hell, dass sie die Augen zusammenkneifen und mit den Händen schützen mussten. Quer vor den Säulen sahen sie einen roten Strich auf der Erde. Das Rot leuchtete, und der weiße Boden dahinter leuchtete auch. Vorsichtig überschritten Akandra und Marc die rote Linie und zuckten sofort entsetzt zurück. Eine furchtbare Stimme hatte in ihrem Kopf gedonnert: „Weicht zurück!"

      „Hast du das gehört?" stammelte das Mädchen.

      Der Junge nickte verschüchtert.

      „Was nun? Wir müssen weiter!"

      Sie nahm ihren Begleiter an der Hand und überschritt entschlossen erneut die rote Linie. Wieder donnerte die Stimme: „Weicht zurück!"

      Gleichzeitig krampften sich ihre beiden Körper unter einem heftigen Schmerz zusammen. Es war, als würden alle Nerven gleichzeitig geschunden. Marc heulte auf, riss sich los und rannte zurück zur Treppe. Akandra folgte ihm. Auf der untersten Stufe ließen sich beide gequält nieder, bis der Schmerz nachließ. Ihre Gesichter waren tränennass.

      „Dahin gehe ich nicht mehr“, stammelte Marc. „Das halte ich nicht noch einmal aus."

      Er begann auf mit Händen und Füßen langsam und wie verloren die Treppe hinauf zu kriechen. Akandra eilte ihm nach. Sie hielt ihn fest und umarmte ihn.

      „Lieber“, sagte sie, „wir müssen dort hindurch. Wir werden auch das durchstehen. Alle Schmerzen gehen einmal vorüber, und sei es durch den Tod."

      „Nein!" antwortete er und barg sein Gesicht an ihrer Brust. „Ich bin zu feige. Lieber will ich auf der Treppe sterben."

      „Lieber“, wiederholte sie, „du bist nicht feige. Der Schmerz ist wirklich fürchterlich. Aber gemeinsam können wir ihn ertragen. Wir haben keine andere Wahl."

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