WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN. Martin Selle
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Название: WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN

Автор: Martin Selle

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783738042795

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СКАЧАТЬ Er hat für ein Restaurant den Müll rausgetragen, hat Straßen gefegt und in einem Diner Teller gespült. In seiner spärlichen Freizeit besuchte er von den ersparten Dollars Ausstellungen und kaufte sich Bücher über Archäologie. Er studierte Epochen, alte Königreiche und las viel über berühmte Ausgrabungen.

      An einem Märzfreitag besuchte er eine ägyptische Ausstellung im New York State Museum, lernte dort Chester Burns kennen, der rund um den Globus schon einige Ausgrabungen geleitet hatte. Simon erfuhr, dass Burns dringend Leute brauchte, eine Expedition in die Anden sollte auf die Beine gestellt werden. Simon, noch immer beseelt vom Entdeckerdrang, geblendet vom Ruhm großer Namen wie Howard Carter, musste ganz einfach im Team dabei sein.

      Wenige Wochen später kämpfte sich Simon mit der Machete durch den chilenischen Wald. Es galt, einen Fund vorweisen zu können, der die Sponsoren bewegen würde, ein ganzes Expeditionsteam auszustatten und vor Ort zu schicken.

      Große Entdeckungen blieben aus. Lediglich ein paar alte Steine mit Symbolen wurden gefunden. Zudem war Burns nicht gerade das, was man einen gerechten Expeditionspartner nannte. Die Kommunikation mit der Presse und den Sponsoren führte ausschließlich Burns durch. Es schien, als hätte er Angst, Simon könnte sich in den Vordergrund spielen.

      Trotzdem verließ Simon Chile nicht. Fast einen ganzen Monat wühlten sie sich auf der Suche nach einer legendären Inkastadt durch die Wildnis. Stets in der Hoffnung, den großen Fund zu landen. Dann würde Burns ein Grabungsteam leiten und Simon die Hälfte des Ruhms und des Gewinns erhalten. Dann würde er für immer ausgesorgt haben und in den Geschichtsbüchern stehen.

      An einem Sonntag, kurz vor Mittag, entdeckten sie unter dichten Lianen und Baumwurzeln mehrere sorgfältig aufgeschlichtete Steinblöcke. Anzeichen einer Stadtmauer? Simon begann zu fürchten, Burns würde alles daran setzen, um den Ruhm für sich alleine einzuheimsen. Wenn er Burns über das Satellitentelefon sprechen sah, um den Fortschritt der Grabungen an die Sponsoren weiterzugeben, dann glaubte Simon, er würde neue Konditionen aushandeln. Chester Burns würde ihn aufs Kreuz legen, wenn nötig sogar umbringen.

      In diesen Tagen reifte in Simon selbst der Gedanke an Mord. Ihn trieb die Angst.

      Simon wusste, Burns besaß eine Pistole. Als er über all die Möglichkeiten nachdachte, wie leicht Burns ihn hier im Dickicht verschwinden lassen konnte - es gab eine Menge wilder Tiere und tiefe Schluchten - war er sicher, er würde dieses Land nicht wieder lebend verlassen.

      Simons Angst nährte sich aus Ruhmsucht, Profitgier und Ungewissheit.

      Eines Nachts lag Simon wach in seinem Feldbett im Zelt und beschloss, Burns zuvorzukommen. Chester Burns schlief in seinem Zelt, als Simon sich an ihn heranschlich. Er zog den Revolver aus Burns' Holster und erschoss ihn, ohne mit der Wimper zu zucken.

      Simon warf die Leiche in eine Felsspalte, nahm die Steinfunde mit den Symbolen an sich und fuhr Richtung Stadt. Den Jeep versenkte er in einem Fluss. Anschließend versteckte er sich drei Wochen in einem abgelegenen Andendorf, wartete, bis ihm ein Vollbart gewachsen war und seine Haare länger waren. Nach diesen Tagen machte er sich auf den Weg nach Quito, wo er die Funde und eine von ihm angefertigte Skizze über die Lage der entdeckten Inkastadt, für eine Menge Geld auf dem Schwarzmarkt verkaufte.

      Zurück in New York, beschloss Simon, das Geld in ein Geschäft zu stecken. Er kaufte einer Frau namens Sarah Delaney deren Irish Pub, das ›Golden Dublin‹ ab. Sarah steckte in Geldschwierigkeiten und war Simon dankbar dafür, dass er ihr aus der Patsche geholfen hatte. Er stellte Sarah als Geschäftsführerin ein. Bald verliebten sich die beiden ineinander. Die Jahre zogen ins Land. Die beiden heirateten und bekamen einen Sohn, Justin und eine Tochter, Betty.

      Das ›Golden Dublin‹ lief nach einigen Veränderungen prächtig und bald eröffneten Simon und Sarah drei weitere Filialen. In Reiseführern gelten die Pubs mittlerweile als ein Muss für Touristen.

      Simon ist jetzt neununddreißig Jahre alt, der Zeitpunkt, an dem unsere Geschichte beginnt. Simon hat sich geändert im Laufe der Zeit. Er ist nicht mehr der wild drauf losschlagende Kämpfer im Boxring. Auch sein Traum vom berühmten Archäologen hat sich als Märchenschloss entpuppt. Simon ist bemüht, ein fürsorglicher Familienvater zu sein. Er führt seine Familie mit strenger, disziplinierter Hand. In den Pubs ist er in der letzten Zeit zweimal an einen Kunden geraten, der den Service kritisierte. Simon hat ihn kurzerhand aus dem Lokal geworfen. Sarah bekommt allmählich Angst vor ihm. Diese brutale Seite an ihm kannte sie bisher nicht, aber sie spürt, dass in ihrem Mann eine bisher eher verborgen gebliebene, eine gewalttätige Seite schlummert.

      Somit wissen wir also, was sich in Simons Leben im Groben getan hat bis heute, zu jenem Tag, an dem unsere Story einsetzt, sich der Vorhang für das Theaterpublikum hebt und es sieht, teilnimmt, wie es weitergeht.

      Chester Burns wurde nie gefunden in der tiefen Schlucht. Simons Mord bleibt für immer ein Geheimnis. All diese Ereignisse spielten sich zwischen Simons Geburt und dem Beginn unserer Geschichte ab - der Vorgeschichte von Simon. Zugegeben, ich habe Simon Biografie drastisch gekürzt. Ich wollte Ihnen nur demonstrieren, wie Figuren Gestalt annehmen. Je detaillierter Sie die Vorgeschichte ausarbeiten, umso besser, desto genauer werden Sie Ihre Figuren kennen lernen.

      Jetzt gilt es, sich in Simon hineinzuversetzen, ihn reden zu lassen, damit er noch lebendiger wird und um zu erfahren, was und wie Simon denkt. Eine bewährte Technik dazu ist es, Simon zu interviewen, führen Sie als Autor ein Gespräch mit ihm. Das könnte so aussehen:

      »Nun gut, du bist eben mein geistiger Vater, mein Erfinder, hab ich recht?«, fragt Simon.

      »Ja.«

      »Meinetwegen. Ich bin bereit, dich an meiner Gedankenwelt teilhaben zu lassen. Aber nur unter einer Voraussetzung -«

      »Und die wäre?«

      »Jedes Wort bleibt unter uns - jedes! Nur dann sage ich die Wahrheit.«

      »Abgemacht.«

      »Und erwarte keine Entschuldigung von mir, für das, was ich getan und nicht getan habe.«

      »Kein Problem.«

      »Meine Erinnerung setzt ein, als ich fünf oder so war. Fishtown Philly. Kein nobles Viertel. Mein Alter war so gut wie nie Zuhause, immer mit dem scheiß LKW auf der Rolle und mit fremden Weibern rumgemacht. Meine Alte kiffte, anstatt ihm die Leviten zu lesen. Ich weiß, so geht es hinter vielen verschlossenen Wohnungstüren zu. Aber wer spricht schon gerne darüber? Ich hoffte immer, die kriegen das auf die Reihe, aber dazu haben sie sich wohl zu wenig geliebt. Oder sie waren einfach zu schwach dazu. Egal auch. Ich glaube, Fishtown hat ihnen den Nerv gezogen. Da stehen die Chancen nicht gerade gut, auf der Karriereleiter nach oben zu klettern.«

      »Verstehe.«

      »Na ja, Dad hat mir wenigstens beim Boxen geholfen. Der Mistkerl hat es wenigstens versucht, so etwas wie ein Vater zu sein, ehe ihm diese dämliche Tänzerin den Kopf verdreht hat, aber davon habe ich nichts. Er war trotzdem ein Scheißkerl. Er war lieber hinter diesen Straßenweibern her, anstatt sich um uns zu kümmern. Ich habe ihn keine Sekunde vermisst, als ich nach New York gegangen bin. Job ist eben Job, hat er immer gesagt - was für ein Megascheiß! Meiner Alten hab ich immer vorhergesagt, sie würde nicht alt werden, bei dem Kraut, das sie dauernd kifft. So war es dann auch. Sie war keine vierzig, als sie ins Gras biss.«

      »Deine Boxverletzung hat dich aus der Bahn geworfen, stimmt'?«

      »Stimmt nicht. Ich hatte nie vor, mit als Profi ein Leben lang die Visage polieren zu lassen. Aber ein paar gute Kämpfe hätten wenigstens das Geld gebracht, um studieren zu СКАЧАТЬ