Siebenkäs. Jean Paul
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Название: Siebenkäs

Автор: Jean Paul

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754175224

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СКАЧАТЬ Sturmglocke – mir ist, als wenn die Nacht mit ihrem schwarzen Bezug meine Lärmtrommel recht sanft zu einer Leichenmusik dämpfte; und mit Vergnügen spür' ich mich nach so langem Gekeife etwas betrübt.«

      »Wär's nur nicht meinetwegen gewesen, alter Heinrich«, versetzte Siebenkäs, »dein lustiges Ergrimmen über den abgeschabten Sünder!« – »Du hättest«, sagte Leibgeber, »ob du gleich sonst eine Satire den Leuten nicht so leicht ins Gesicht wirfst wie ich, an meiner Stelle noch ärger getobt; man kann wohl an sich, besonders wenn man sanft ist wie ich, Mißhandlungen ausstehen, aber nicht am Freunde; und leider bist du ja der Märterer meines Namens, heutiger Augen- und Blutzeuge der Sache zugleich. Sonst darf ich dir überhaupt melden, wenn mich einmal der Teufel des Zorns reitet, oder eigentlich wenn ich ihn reite: so jag' ich gern die Mähre halbtot, bis sie umfällt, damit ich sie in einem Vierteljahre nicht wieder beschreiten kann. Aber dir hab' ich eine hübsche schwarze Suppe eingebrockt und lasse dich mit dem Löffel sitzen.« Siebenkäs stand schon lange in der Angst, er werde auf die 1200 Gulden Taufgelder seines Umtaufens, gleichsam auf das Abzuggeld seines Namens, kommen; er sagte daher so heiter und leicht, als es sein von der beschleunigten nächtlichen Trennung gepreßter Busen erlaubte: »Ich und meine Frau haben in unsrer Königsteinischen Festung noch Proviant genug, und wir können darin säen und ernten. – Gott gebe nur, daß wir manchmal eine harte Nuß aufzureißen haben; nach solchen Nüssen schmeckt der Tischwein des verrauchten Lebens wieder besonders. – Morgen setz' ich meine Klagschrift auf.« Die Erweichung vor der bald ausschlagenden Abschiedstunde versteckten beide in komische Wendungen. Da die DoppeltgängerSo heißen Leute, die sich selber sehen. vor eine Säule kamen, womit die aus England kommende **sche Fürstin die Stätte ihres Zusammentreffens mit ihrer von den Alpen steigenden Schwester bezeichnen lassen; und da dieses frohe Denkmal des Wiederfindens heute zu einem ganz anderen werden sollte: so sagte Leibgeber: »Jetzo marsch, zurück! Deine Frau ängstigt sich ab, es ist über 11 Uhr. – Dort ist schon euer Weichbild, der Rabenstein, eure Grenzfestung. Ich geh' ins Baireuthische und Sächsische vorderhand und schneide meinen Roggen, nämlich fremde Gesichter und zuweilen meine eigenen närrischen dazu. – Aus Spaß seh' ich dich vielleicht nach einem Jahre und einem Tage wieder, wenn die Verbalinjurien ordentlich verjährt sind. – – Im Vorbeigehen! (setzte er schnell hinzu) gib mir dein Ehrenwort, mir nur einen schwachen Gefallen zu tun.« – Er gabs voreilig. »Schicke mir mein DepositumEs bestand meistens in Schatzgelde, in fünf Vikariatdukaten u.s.w. nicht nach – ein Kläger braucht Verlagkosten. – So lebe wohl, Teuerster!« das polterte er eilig heraus und lief nach einem geschwinden Kusse mir nichts dir nichts den kleinen Hügel hinab. Der bestürzte Verlassene sah dem Läufer nach, ohne seinen Abschied mit einem Laute zu begleiten. Im Tale hielt der Läufer an und bückte sich tief und – band seine Strumpfbänder weiter. »Hättest du das nicht«, rief Siebenkäs, »da oben tun können?« und lief hinab und sagte: »Wir bleiben bis zum Rabensteine beieinander.« Das Sandbad und das Reverberierfeuer eines edlen Zorns machte heute alle ihre weichen Empfindungen heißer, wie ein hitziges Klima Gifte und Gewürze verstärkt. Da der erste Abschied schon die Augen übergossen hatte: so konnten sie nichts mehr beherrschen als die Stimme und den Ausdruck. »Du bist doch gesund nach der Ärgernis?« sagte Siebenkäs. »Wenn der Tod der Haustiere den Tod des Hausherrn bedeutet, wie die Leute glauben«, sagte Leibgeber, »so leb' ich ewig; denn meine MenageriePlato malt bekanntlich unsere niedrigem Leidenschaften als einen im Unterleibe zappelnden Viehstand ab. von Tieren ist noch frisch und gesund.« – Endlich stockten sie vor dem Markthaufen des Marktfleckens, vor der Gerichtstätte: »Ei nur gar hinauf!« sagte Siebenkäs.

      Als sie diesen Grenzhügel so manches verunglückten Daseins erstiegen hatten – und als er auf den mit Grün durchbrochnen steinernen Altar so manches schuldlosen Opfers niederblickte und sich es in der verfinsterten Minute vorstellte, welche schwere gequälte Bluttropfen, welche brennende Tränen oft von gepeinigten und vom Staat und vom Liebhaber gemordeten KindermörderinnenEr hatte gerade eine angebliche Kindermörderin zu verteidigen. auf diese ihre letzte und kürzeste Folterbank, auf diesen Blutacker gefallen waren – und als er von dieser letzten Nebelbank des Lebens über die weite Erde blickte, um deren Grenzen und über deren Bächen die Dünste der Nacht aufdampften: so nahm er weinend seines Freundes Hand und blickte in den freien gestirnten Himmel und sagte: »Dort drüben müssen sich doch die Nebel unserer Tage einmal in Gestirne zerteilen, wie die Nebel in der Milchstraße in Sonnen zerfallen. Heinrich! glaubst du noch nicht an die Unsterblichkeit der Seele?« – »Freund!« antwortete Leibgeber, »noch will es nicht gehen. Verdient Blasius doch kaum, einmal zu leben, geschweige zwei- und mehrmals – Freilich will mirs zuweilen bedünken, als müsse ein Stück von der andern Welt in diese mit hereingemalt werden, damit sie ganz und gerundet werde, wie ich oft an den Seiten der Gemälde fremde Dinge zur Hälfte angemalt gesehen, damit die Hauptvorstellung vom Rahmen abgelöset und ein Ganzes würde. – In dieser Minute aber kommen mir die Menschen wie die Krebse vor, die die Pfaffen sonst mit Windlichtern besetzet auf den Kirchhöfen kriechen ließen und sie für verstorbne Seelen ausgaben; so kriechen wir mit unsern Windlichtern von Seelen mit den Larven Unsterblicher über die Gräber hinüber. – Sie löschen vielleicht einmal aus.« – Sein Freund fiel an sein Herz und sagte heftig: »Wir verlöschen nicht – leb tausendmal wohl – wir sehen uns immerfort wieder – wir löschen bei meiner Seele nicht aus – – leb wohl, leb wohl!«

      Und sie schieden. Heinrich ging langsam und mit hängenden Armen durch die Fußpfade zwischen den Stoppeln und hob keine Hand ans überrinnende Auge, um kein Zeichen seiner Schmerzen zu geben. Den verwaiseten Geliebten aber überfiel ein großer Schmerz, weil Menschen, die selten in Tränen ausbrechen, sie desto unmäßiger vergießen; – und so kam er zurück und legte das erschöpfte aufgelöste Herz an die sorglose Brust seiner Gattin zur Ruhe, welche nicht einmal ein Traum bewegte; aber noch lange bis in den Vorhof der Träume hinein begleiteten ihn die Bilder von Lenettens künftigen Tagen und von des Freundes Nachtgange unter den Sternen, zu welchen dieser draußen einsam aufblickte, ohne die Hoffnung, ihnen jemals näher zu kommen; und grade über den Freund weinte er unter nicht mehr als zwei Augen am längsten... –

      O ihr beiden Freunde, du, der draußen, und du, der zu Hause! – Aber warum soll ich denn immerfort das alte aufquellende Gefühl zurückdrücken, das ihr in mir so stark wieder aufgeweckt und mit welchem mich sonst in meinen Jugendjahren die Freundschaft zwischen einem Swift und einem Arbuthnot und einem Pope in ihren Briefen gleichsam verstohlen, aber so stark durchdrungen und erquickt? Und werden nicht auch viele andere sich gleich mir erwärmt und ermannt haben an dem rührenden ruhigen Lieben dieser Männerherzen unter einander, welche, obschon kalt und schneidend und scharf gegen die Außenwelt, in ihrer gemeinschaftlichen Innenwelt zärtlich und feurig für einander arbeiteten und schlugen, gleichsam hohe Palmenbäume, langgestachelt gegen das gemeine Unten, aber im Gipfel voll köstlichen Palmenwein der kräftigsten Freundschaft? –

      Und wenn dies alles so ist: so darf ich wohl auf der tiefern Stufe unserer beiden Freunde etwas Ähnliches antreffen, das auch wir an ihnen nachlieben. Fragt nicht sehr, warum beide sich mit einander verbrüderten; die Liebe braucht gar keine Erklärung, nur der Haß. Aller Ursprung des Besten, vom All an bis zu Gott hinauf, bedeckt sich mit einer Nacht voll zu ferner Sterne. Beide sahen in der grünglänzenden Saftzeit der akademischen Jugend zuerst einander durch die Brust ins Herz, aber mit den ungleichnamigen Polen zogen sie sich an. Siebenkäs erfreuete sich vorzüglich an Leibgebers harter Kräftigkeit, ja sogar Zornfähigkeit, an dessen Flug und Lachen über jeden vornehmen, jeden empfindsamen, ja jeden gelehrten Schein; denn er legte ein Ei seiner Tat oder seines tiefen Worts, wie der Kuntur das seinige, ohne Nest auf den nackten Felsen und lebte am liebsten ungenannt, daher er immer einen andern Namen annahm. Der Armenadvokat pflegte ihm deshalb, um sein Ärgern darüber zu genießen, mehr als über zehnmal zwei Anekdoten zu erzählen. Die erste war, daß ein deutscher Professor in Dorpat in einer Lobrede auf den damaligen Großfürsten Alexander plötzlich sich selber eingehemmt und still geschwiegen und lange auf die Büste desselben hingeblickt und endlich gesprochen: »Das verstummende Herz hat gesprochen.« Die zweite war, daß Klopstock die Prachtausgabe seines Messias an die Schulpforte abgeschickt mit dem Wunsche, der würdigste SchulpförtnerDeutscher Merkur von 1809. möge auf das Grab seines Lehrers Stübel Lenzblumen streuen, СКАЧАТЬ