Erwin Rosenberger: In indischen Liebesgassen - Prostitution in Bombay - Aus dem Tagebuch eines Schiffsarztes. Erwin Rosenberger
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СКАЧАТЬ sie nicht durch die Straßen europäischer Städte gehen könnten, – sie sind ausgiebig dekolletiert, – doch auf europäischen Bällen könnten sie erscheinen, ohne Aufsehen zu erregen, auf europäischen Tanz- und anderen Unterhaltungen, bei Festtafeln, auf den Brettern und bei sonstigen öffentlichen Gelegenheiten, wo die Dame der guten europäischen Gesellschaft ihrem Dekolleté auch keine größeren und keine kleineren Raumüberschreitungen gestattet als die europäischen öffentlichen Mädchen hier in der Freudengasse von Bombay.

      Hier in der Suklajistreet haben manche der europäischen Freudenmädchen zudem ziemlich kurze Röcke; ziemlich „unziemlich“.

      An der Tracht der Japanerinnen merkt der europäische Besucher der Suklajistreet keinerlei erotische Intentionen. Die Europäerin sucht durch ein Manko ihrer Bekleidung, durch ein Minus der Verhüllung auf den Mann Eindruck zu machen, die Japanerin hingegen durch eine Reichlichkeit der Gewandung, durch eine Vollständigkeit der Bedeckung mit einem sichtlichen Willen zur Prunkhaftigkeit. Wenn die japanischen Mädchen regungslos, ohne zu winken und zu rufen, vom Fenster niederblicken, hat man eigentlich kein rechtes Anzeichen, ihren Beruf zu ersehen.

      Die Inderinnen der Suklajistreet, unserer Freudengasse, sind nicht mehr entblößt als die ehrbaren Hindu-Mädchen, die man in den belebtesten Straßen von Bombay sieht.

      – Die Freudengasse, in der wir gestern waren, gibt uns reichlich Anregung, über das Kapitel „Schamhaftigkeit und Ungeniertheit“ Betrachtungen anzustellen. An einzelnen Stellen der Gasse geht's recht ungezwungen zu, man sieht manchmal Situationen, welche dartun, dass Männlein und Weiblein, europäische und asiatische, hier unter Umständen keine übermäßige Scheu vor dem Auge allfälliger Beobachter haben.

      Hinter den Gitterstäben einer Hütte sitzt in zärtlicher Umarmung mit einer Inderin ein Weißer, der, seinem Habitus nach, einer unteren Seefahrerklasse angehören mag. Er liebkost mit heiterer – oder angeheiterter – Gemütlichkeit sein schwarzbraunes Mädchen und schert sich nicht im Geringsten um sämtliche Zeugen, weiße und dunklen, die draußen vor dem Gitter vorbeispazieren.

       Eine andere Hütte birgt – vielmehr zeigt – einen Europäer (dem Anschein nach ebenfalls ein Seemann), der gerade dabei ist, in kompletter Straßentoilette das Lager einer Inderin aufzusuchen; er schlägt einen der vier Vorhänge zurück, die eine Art Zelt über dem Bett bilden, und verschwindet im Innern des Vorhang-Geheges.

      Das vollzieht sich nahezu in der Öffentlichkeit, denn jeder Vorübergehende hat direkten Einblick durch die Gittertür in die kleine stallartige Behausung, in die einzige Räumlichkeit der Hütte.

      Hm, es ist eine gewisse Logik in solcher Ungeniertheit; (von der ästhetischen Seite und vom Reinlichkeitsstandpunkt der Angelegenheit wollen wir schweigen;) wer durch derlei Schauspiele in den Zorn des Tugendhaften versetzt wird, der braucht eben nicht in die Hütten hineinzuschauen, der braucht überhaupt nicht nach Kamatipura herauszukommen. Kommt und schaut er dennoch, nun so hat er sich's selber zuzuschreiben, dass er genötigt ist, die gewisse moralische Entrüstung zu simulieren.

      Ähnlichen Erwägungen sind wohl auch die britischen Verwaltungsorgane zugänglich, die hier in Bombay, innerhalb und außerhalb des Freudenmädchen-Quartiers, dem Satz „Naturalia non sunt turpia – Natürlichkeiten sind nicht schändlich“ eine Berechtigung zugestehen, die sie ihm bekanntlich ansonsten nicht immer einzuräumen pflegen.

      Die klügliche britische Taktik! – Im Kolonialgebiet werden herkömmliche Einrichtungen, die Bräuche des Eingeborenen, Bekleidungssitten, Religion und andere Kulturerscheinungen nicht angetastet, sofern sie harmlos sind; harmlos, das heißt: wenn sie die englische Herrschaft nicht bedrohen. Zu Hause, in der englischen Heimat, hat, wie man weiß, der gewisse Mr. Cant manchmal noch andere Ansichten über Harmlos und Nicht-harmlos.

      – – – Um den Geschmack der Schiffsoffiziere, mit denen ich dahinspaziere, zu erkunden, frage ich, welche Spezies der Mädchen ihnen verhältnismäßig am meisten zusage. Sie antworten, am nettesten sähen die Europäerinnen aus.

       Es scheint, dass in jedem Häuschen der Japanerinnen ungefähr ein halbes Dutzend Mädchen untergebracht ist. An je einem Fenster sitzen zwei japanische Mädchen; manchmal hat nur ein einziges Mädchen ein Fenster inne. Ich glaube, dass durchschnittlich auf ein Stockwerk drei Fenster entfallen mögen. Wenn bei einem Fenster nur eine Japanerin sitzt, so ist das gelegentlich vielleicht darauf zurückzuführen, dass die andere Fensterkollegin gerade im Innern der Häuslichkeit irgendeiner Beschäftigung obliegt.

      Während wir, durch die Gasse promenierend, zu einer Wohnung japanischer Mädchen emporschauen, bemerke ich, dass sich dort oben im Zimmer zwei interessante Gäste aufhalten, interessant für mich, den Reise-Neuling: nämlich zwei regelrechte Chinesen. Sie stehen in der Nähe des Fensters und plaudern mit den Japanerinnen. Die beiden Söhne des Reiches der Mitte sind in eleganter dunkler Tracht, ein rundes schwarzes Käppchen ist die Kopfbedeckung. Glatte feiste Gesichter. Der eine ist augenscheinlich mehr vorurteilslos-zynisch veranlagt, der andere, der Jüngere, mehr schüchtern-verschämt. Der Zyniker blickt durch die Gläser seiner Brille mit breitem Lächeln aus dem Fenster zur Gasse nieder, macht einige Züge aus seiner Zigarre, wendet sich wie scherzend zu den Mädchen und scheint sich zu amüsieren, dass er der Gegenstand unserer Aufmerksamkeit ist. Der Schüchterne kommt ans Fenster, erblickt die Hinaufgaffer und tritt, als würde er sich geniert fühlen, in den Hintergrund des Zimmers zurück.

      Es ist zu vermuten, dass die beiden Chinesen auf einer Durchreise begriffen hier in Bombay Halt gemacht haben. Während sie Kamatipura, eine Sehenswürdigkeit von Bombay, besichtigten, hat sie die Lust angewandelt, mit den Vertreterinnen mongoloiden Menschentums, den Japanerinnen, Beziehungen anzuknüpfen.

      In Bombay sieht man ansonsten selten Chinesen.

      * * *

      Ajame

       Ajame

      Während ich gestern Abend nach Kamatipura hinausfuhr, da war in mir eine Ahnung, dass ich zuguterletzt im Zimmer eines Freudenmädchens landen würde.

      Wird die Ahnung recht behalten?

      Durch die Suklajistreet wandelnd stellte ich Betrachtungen an über die daselbst ansässige Damenwelt: Es sind in dieser Liebesgasse hauptsächlich drei Mädchengruppen vertreten, Europäerinnen, Inderinnen, Japanerinnen; – welche ist die wünschenswerteste?

      Die Europäerin? – Nein! Die ist mir nicht genug unbekannt! – Neu-gierig, neu-süchtig reist man aus Europa in die Ferne.

      Also eine Inderin? – Nun ja, – die Inderin selbst, die Inderin an sich ist ja sicherlich recht anziehend, sie war umhüllt vom Duft des Märchens und romantischer Träume, als wir noch daheim in Europa weilten, aber leider sitzt sie, die Inderin, im gegenwärtigen Augenblick hinter Käfigstäben in einer gar nicht anmutigen Hütte und ihre Liebeskammer samt Freudenbett ist alles eher als einladend. Gewiss, das indische Mädchen ist das Kind einer fernen, fremden Welt, im Gegensatz zur wohlvertrauten Europäerin, doch bedauerlicherweise ist die Umwelt dieser indischen Halbwelt ziemlich unerquicklich.

       Und überdies, das indische Minnebett schaut nicht nur unwohnlich aus, es ist auch mehr in die Öffentlichkeit gerückt und mehr den Blicken des Straßenpublikums ausgesetzt, als man im allgemeinen von einem trauten Liebesnest zu erwarten berechtigt ist. Wer da drinnen der Minne pflegt, tut dies nahezu auf der Gasse. Nicht unter vier Augen, sondern nachgerade unter aller Augen.

      Dort drüben, in der linken Häuschen-Reihe der Gasse, ist ein kleines Erdgeschoß-Häuschen, das von japanischen Mädchen bewohnt ist. Ja, die Japanerin! Der Japanerin kann man denn doch СКАЧАТЬ