Название: 95 ROZ E10
Автор: Matthias Wermter
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная деловая литература
isbn: 9783742770509
isbn:
09. Kaltes Russland
Februar 2005 ... Ein helles Büro wartet mit jugendlicher Arbeitsfreude und voller Schaffenskraft. Eine Beteiligung tief in der südrussischen Tundra entstand und sollte für das nächste Jahr budgetiert werden. Natürlich benötigt niemand eine ausgedehnte Fachdiskussion der eigenständigen Geschäftseinheit im außereuropäischen Wirtschaftsraum, um ein sauberes, fundiertes und gut abgestimmtes Jahresbudget zu erstellen, doch es hilft natürlich während der Erstellung der Auftragsergebnisse, der Kostenstellenüber- und -unterdeckungen, der Marketingaktivitäten und der Verwaltungsprozesse, sowie der Finanzangelegenheiten dies zu durchdenken, damit die sauber geplanten Umsätze, Brutto- und Nettogewinne, die aber nicht mit den Marktbeobachtungen, den Investitionsgesuchen und dem Aufbaukonzept abgestimmt wurden, später lehrbuchmäßig erreicht werden. Eine bodenständige und grundehrliche Analyse eines Geschäftsmodells ist immer der strategischen Willensbildung mit ihrem begeisternden Wunschdenken und dem innerbetrieblich motivierenden Konkurrenzdruck vorzuziehen. Eine nicht vernetzte Zielbildung ohne Bezug zu seinen operativen Handlungen kann nur durch viel Glück und leichten Gewinnverschiebungen oder anhand zufälliger höherer Eingebungen erreicht werden. Seid eingeladen zu reinem Stahl, harter Arbeit und wohl durchdachter Verwaltung tief im russischen Schnee, Eis und langen Nächten.
10. Hydraulikzylinder
Mai 2017 … Es ist unglaublich, wie viele Industriestädte in Deutschland nicht am Autobahnnetz angeschlossen sind. So sehr ich beschauliche Sommerstraßen genieße, umso überraschter bin ich, wie oft man sich zum Kunden förmlich durchschlagen muss. In dem Fall fuhr ich eine angenehme und unterhaltsame Stunde von der Autobahn inmitten grün bewaldeter Berge und dünn besiedelter Täler zu einem geschichtsträchtigen Stück Hessen, hier werden Maschinenstahl und Hydrauliköl harmonisch zu einer Einheit recht motiviert und vor allem sehr modern maschinell verbunden. Einst 2.600 Mitarbeiter stark wandelte sich diese stolze Firma über die Jahrzehnte zu einem 180 Mann Trümmerhaufen. Auszüge aus dem Bundesanzeiger bestätigten nur den traurigen Anblick und doch passte etwas hier nicht zusammen. Nach meinem Eintreffen suchte ich eine Übersicht der absatzstärksten Produktvarianten. Erfreulicherweise waren diese schon als Materialien im System angelegt und mit ihren einzelnen Verkaufspreisen beziffert, was organisatorisch sehr zu loben ist. Wer es mir nicht glaubt, kann es halten, wie er will, doch eine Firma, die täglich ums Überleben kämpft, verschenkte ganze 6,0 Mio EUR an Bruttogewinn pro Jahr und das nennen wir konkret geplanter und gezielt eingesetzter Irrsinn. Sicher war das eine grobe Berechnung von mir, doch die 6.000.000 Euro Ergebnis pro Jahr geben schon eine Hausnummer vor! Die geringe Motivation der doch ausgebildeten und erfahrenen Werkern und die unnötig hyperaktive Hektik in der Verwaltung beruhte auf der sehr irrigen Annahme, dass der globale Markt seinen Tribut fordert. Eine sehr erklärungsbedürftige und eher steuerschonende, wenn nicht gar eine korruptionsverdächtige sehr variable Preispolitik zwischen den einzelnen Auslieferungen verschenkte die Unternehmensgewinne zu den wenigen Kunden. Lieferanten, Werker und fremde Dienstleister waren dem natürlichen Kostendruck ausgesetzt, aber so, wie massiv Kosten eingespart wurden, wurden diese durch unnütze Preissenkungen an den Kunden weitergegeben. Ein neutraler Gewinn wird vor interessierten Besitzern schwer erklärbar, wenn nur minimale Änderungen in der Verkaufspreiskalkulation den Nettogewinn von 50.000 EUR auf knapp über gesunden 2.000.000 EUR erhöhen würden. Dass bei schwankenden Stahlpreisen jedes Jahr genau um die 50 TEUR Gewinn vor Steuern erreicht werden, sollte nicht nur dem Controlling und der Produktionsverwaltung, sondern auch dem Finanzamt auffallen. Eine interessante Beobachtung war, dass es kaum Nachbearbeitung oder Qualitätsmängel gab. Das Produkt selbst wurde an einem Stück mit minimalen Fertigungstoleranzen gefertigt. Einen Stapel von Ausschussware neben der Taktstraße kannte man nicht. Um die Stückkosten (angeblich) weiter zu senken, wurden in China die Rohlinge vorgefertigt, die dann in Europa endveredelt wurden, die wieder nach China zum Endkunden mit dem LKW und dem Schiff zurückgebracht wurden. Die Dauer der Fertigung betrug, inklusive Stahlbestellung, Vorfertigung in China, Transport, Endfertigung in Europa und Auslieferung wieder nach China, verständliche, weil nicht zu lange 16 Wochen. Die vertraglichen Bedingungen sahen aber sehr kundenfreundlich vor, dass die Bestellungen innerhalb einer Woche ohne Grund geändert werden konnten, sodass die aktiv gelebte Hektik in der Materialverwaltung erklärbar wurde. Eine zu hohe Arbeitslosigkeit, ein Gebäude-Leerstand von 50%, kaum Industrie in der Stadt und ein Skandal an hiesiger Polizeischule, sowie eine jüngste Massenentlassung von 30% in der Firma begünstigten die sehr demotivierenden Umstände. Die moderne Fertigung mit älteren Maschinen, aber kurzen Entscheidungswegen und einem engagierten Fertigungsmanagement konnten die bedauernswerte Gewinnsituation nicht mehr erklären. Ein für gut und gerne 6,00 EUR/Kg Produkt wurde für gerade einmal 2,40 EUR/Kg verschenkt. Das ist nicht einfach zu erklären oder schönzureden. Hier hat sich jemand ganz frech und frei an der Firmenkasse über Umwegen bedient. Als Berater sollte man loyal und verschwiegen zu seinem Kunden stehen, aber nicht als der Sündenbock dienen, der unanständig Geld aus der Firma zieht. Das Produkt war ein sehr gutes Beispiel deutscher Qualitätsarbeit mit minimalen Toleranzen im besten Finish. Die Firma hingegen war ein sehr schlechtes Beispiel des ausländisch und blind fremdfinanzierten, etwas kleinadelig, wie kleingeistig und unsozial selbstsüchtig geführten erbärmlich niedergehenden Mittelstands mitten im grünen und unberührten Herzen Deutschlands.
11. Stahlmöbel
Juni 2017 ... Es ist Herbst und ich muss raus in die Natur. Mitten im Schlosspark in Bad Bentheim sitze ich auf äußerst bequemem Mobiliar im geformten Stahl direkt neben dem Ententeich. Im nicht unmodischen Dienstgrün lädt es Frieden suchende Touristen und harmoniebedürftige Einheimische ein. Ich habe mir nie Gedanken gemacht, wer diese Stahlmöbel herstellt und warum diese für Stunden wirklich bequem sind und gleichermaßen zu Entspannung und angeregter Unterhaltung einladen und verführen. „Unser Controller geht in Pension. Wäre es möglich, unsere Prozesse umfangreich zu optimieren? Der Junior ist noch auf Schulung.“ Der Hinweis auf ungehinderte Entfaltung ist ein Fest für jeden freigeistigen Berater. Eine erste Inspektion des Arbeitsplatzes nebst dicken Aktenordnern und umfangreichen EDV-Systemen offenbarte schnell die Frühverrentung. Ganze fünf elektronische Programme wurden hintereinander sowie auch parallelgeschaltet. Alles basierte streng auf einem intern sehr akzeptierten Warenwirtschaftssystem, das mit einer kleinen Buchhaltungssoftware mittels MS Excel gekoppelt, ein Konsolidierungsprogramm mit Zahlen beliefert. Das wunderschöne Berichtstool lieferte dafür wirklich eindrucksvolle und verständliche Präsentationsfolien. So wie die Zahlen im System verbucht, abgestimmt und konsolidiert waren, so erschienen sie intelligent aufbereitet auf dem Monitor der Geschäftsführung. Wer hat das schon? Trotzdem empfehle ich ein modernes Enterprise Ressource Planning System. Für die Auswahl würde ich sechs Monate empfehlen, damit alle Beteiligte eingebunden und zufrieden sind, СКАЧАТЬ