Название: Sodom und Gomorrha
Автор: Elvira Alt
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Detektei Indiskret
isbn: 9783742736741
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„Striptease?“ Reginas Frage war mit einer Art femininer Neugier gewürzt.
„Nein. Nicht direkt. Die Künstlerinnen entkleiden sich nicht vollständig, sondern entledigten sich nur gewisser Kleidungsstücke. Das Ausziehen von Handschuhen kann dabei zur erotischen Attraktion werden. Als der Striptease nach 1930 zum wirklichen Ausziehen wurde, löste sich die Verbindung von Moderation, Tanz, Gesang und angedeutetem Striptease auf.“ Chantal besaß die Gabe, Silber als schimmerndes Gold zu verkaufen.
„Und das kann man bei Ihnen lernen?“
„Nicht nur das ...“
Regina schaute fasziniert den Damen beim Training zu. Obwohl sie es bewusst vermied, Chantal direkt anzusehen, schlossen sie dennoch gelegentlichen Blickkontakt. Und jedesmal schien ein knisternder Blitz durch Reginas Körper zu fahren. Ihre Gefühle waren so intensiv, dass sie sich sicher war, sie würden erwidert.
Im Anschluss gab es eine zehnminütige Kaffeepause zur Entspannung, damit die tägliche Manöverkritik nicht von ständigen Wutausbrüchen und dem Eigenlob der noch unter Adrenalin stehenden Tänzerinnen gestört wurde. Die Pause bot allen Gelegenheit, sich abzuregen und dann ging es weiter.
Chantal wollte Regina eine kleine Aufmerksamkeit bieten. Daher wunderte sich Regina auch nicht, als Chantal sie, noch bevor die Probe beendet war, zu bleiben bat.
Chantal zeigte Regina das < Theater der Träume >.
Sie stand auf der Bühne. Ein Hauch von Magie lag in der Luft, als sie wie gebannt auf die Stühle horchte, die im leeren Zuschauerraum von allein hochklappten, als sich die Temperatur veränderte, als warte ständig ein geisterhaftes Publikum auf den Beginn der Vorstellung.
Nach der Führung durch die Räumlichkeiten lud Chantal Regina noch auf einen Drink in ihr Séparée ein.
Regina holte tief Luft, schluckte und es gelang ihr nur ein fast unmerkliches Nicken, ein blinzeln. Enthusiastisch, wie sie hoffte und nicht panisch.
Chantal reichte Regina ein großzügig eingeschenktes Glas Weißwein. Dann ging sie zu einem großen Sofa und forderte sie, mit einer Handbewegung auf, darauf Platz zu nehmen. Sie selbst setzte sich in einen Sessel gegenüber. Regina unterdrückte das absurde Gefühl der Enttäuschung.
Sie plauderten ungezwungen über dieses und jenes. Und während sich die Flasche leerte, schien es Regina, unter Chantals beharrlichen sanften Fragen, immer selbstverständlicher, ihr persönliche Gedanken und Geheimnisse anzuvertrauen. Fragen über Fragen, die sie bis an die Wurzeln ihrer Existenz führten. Regina wich keiner aus. Sie erzählte ihr von den unzähligen Seitensprüngen ihres Mannes – und ihrer großen, unerfüllten Liebe.
… Regina war so verliebt. Ein fabrikneues Stück, jung und unerfahren. Sie tanzte in der Hotelbar des Four Seasons mit einem älteren Mann. Er presste seine elegante Gestalt immer fester an ihren Körper, ganz eindeutig auf Eroberung aus. Als nächstes fühlte sie seine Zungenspitze in ihrem Ohr und vernahm ein Flüstern. „Du bist eine wundervolle Tänzerin.“
Der Gedanke, mit einem Mann zu schlafen, kam Regina immer öfter in den Sinn. Das entsprach zum Teil einem starken Bedürfnis, das sie manchmal unvermittelt packte und schüttelte wie ein Sturm, geradezu ein physischer Schmerz, den sie nicht los wurde. Dazu kam eine kaum bezähmbare Neugier, der Drang zu wissen, was Liebe eigentlich ist. Natürlich konnte sie nicht mit dem erst besten ins Bett steigen. Es musste jemand Besonderes sein, ein Mann, den sie lieben und achten konnte.
Sie hatte sich einen Mann ausgesucht, den sie nicht haben durfte. Saschas Bruder! Er stand kurz vor der Priesterweihe. Er würde in den nächsten Jahren als Kaplan, als Hilfspriester einem Pfarrer unterstellt sein und sich einem extraterritorialen Seelsorgebereich für einen bestimmten Personenkreis widmen. So sein Plan.
Um Mitternacht verließ sie mit Saschas Bruder, der nicht mehr nüchtern war, die Party und gab sich ihm hin.
Das kurze Abenteuer entpuppte sich als eine Katastrophe. Regina war so nervös und er, so betrunken, dass es eine riesige Enttäuschung wurde. Das Vorspiel erschöpfte sich darin, dass er die Hosen fallen ließ und ins Bett plumpste. Da war Regina bereits kurz davor, die Flucht zu ergreifen, aber sie bezwang sich. Also zog sie sich aus und kroch zu ihm ins Bett. Im nächsten Moment, ohne dass Zärtlichkeiten vorausgingen, drang er in sie ein. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich sie. Nicht gerade unangenehm, doch sie konnte beim besten Willen auch nicht behaupten, die Erde hätte gebebt. Der Körper des Mannes zuckte ein paarmal schnell hintereinander und Sekunden später war ein lautes Schnarchen zu hören. Da lag sie nun, von tiefer Selbstverachtung ergriffen. Das war es also, wovon die Lieder, Bücher und Geschichten handelten.
Niemand durfte je davon erfahren. Es blieb allerdings nicht bei der einen Nacht. Regina musste sich im Punkt Verführung etwas anderes einfallen lassen … und so wurde sie Saschas Ehefrau ...
Chantal kam zu Regina aufs Sofa herüber, nahm sie in die Arme und begann, sie besänftigend, wie ein Kind, zu wiegen. Regina hatte das Gefühl in eine warme Decke gehüllt zu sein. Sie brauchte kein Theater mehr zu spielen.
„Ach mein Liebling,“ tröstete sie Chantal. Sie begleitete ihre Worte mit sanften Küssen auf Reginas Schläfen und Wangen. „Du bist so verletzt und so allein ...“
Mit diesem Kurs war sie immer hart am Wind gesegelt, aber noch nie gekentert.
Die weichen warmen Lippen und die weiche Haut an der ihren lösten in Regina eine köstliche Woge der Lust aus, die sie zu überrollen drohte. Für einen kurzen Augenblick entspannte sie sich in der sinnlichen Umarmung. Als ihr die Sache zu prekär wurde, riss sie sich dann jedoch jäh los. „Das ist mir alles so neu“, flüsterte sie verstockt.
Chantal schob sie auf dem Sofa sanft von sich weg. „Wir können auch aufhören. Ich will Dir nichts aufdrängen, was Dich vielleicht unglücklich macht“, gab sie genauso leise zurück. Auf ihrer Stirn, direkt über der Nase, entstanden zwei tiefe, steile Falten. Sie lehnte sich zurück, als ob sie plötzlich erschöpft sei.
Einen Augenblick lang herrschte Stille.
Dann sprach Regina mit unvermutetem Nachdruck: „Du machst mich bestimmt nicht unglücklich“, hörte sie sich zu ihrem Erstaunen sagen.
Die Falten auf Chantals Stirn verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. Sie näherte sich ihr wieder. Langsam und zärtlich streichelte sie ihr über die Brust.
Wieder wich Regina zurück. Eine Träne lief ihr über die Wange. „Das habe ich noch nie gemacht, ich weiß nicht ...“
„Entschuldige“, murmelte Chantal und zog sofort die Hand zurück.
Es entstand eine kaum wahrnehmbare Pause, dann sagte Regina ruhig: „Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen.“ Ohne Hast öffnete sie ihre Bluse. „Es ist mir so ziemlich egal, was die anderen von mir denken“, erklärte Regina mit mühsamer Beherrschung.
„Du bist schon ein verrücktes Ding.“ Chantal küsste ihr die Träne fort. „Du schmeckst ganz salzig.“
Ihre Lippen trafen sich, und in beiden erwachte die Leidenschaft, die sie verband. Wie eine ertrinkende klammerte sich Regina an Chantal. Für Sekunden gab sie sich der Illusion hin, mit ihr zu verschmelzen, eins zu werden, ihrer Einsamkeit zu entfliehen. Ihre Träumerei kam abrupt zum Stillstand, СКАЧАТЬ