Автор: Wilhelm Stekel
Издательство: Bookwire
Жанр: Медицина
Серия: gelbe Buchreihe
isbn: 9783752907711
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Mit einem sehr interessanten Traum, in dem die Umkehrung eine große Rolle spielt, setze ich diese Reihe fort. Es ist dies ein sogenannter „politischer“ Traum. Ja, dem Traumleben ist nichts heilig. Selbst die schönsten und erhabensten politischen Figuren werden im Traume als Symbole häuslich-ärmlicher Gedanken verwendet. Doch greifen wir der Traumdeutung nicht vor und erzählen wir erst unseren Traum, der beim ersten Hören einen fast logischen Eindruck macht, was bei den meisten Träumen nicht der Fall ist. Mein politischer Traum lautet:
(29.) „Ich bin in der Hofburg und sehe Bismarck. Ich schreie mit anderen Leuten: „Hoch!“ Da fängt einer die Volkshymne an. Ich stimme kräftig ein. Einige Leute fallen auf die Knie... Dann sehe ich Bismarck wieder. Wir sprechen über den Vorfall, auch über die Bücher, die er mit hat. Ich erkläre ihm, dass bei uns in der Bibliothek eine fühlbare Lücke sichtbar wird, wenn wir einige Bücher auf die Reise mitnehmen. Er meint, er habe die Empfindung nie gehabt, was ich damit erkläre, dass bei seiner ungeheuer großen Bibliothek einige Bücher mehr oder weniger nicht in Betracht kämen.“
Wie man sieht, ein politischer Traum, bei dem einige Deutschnationale Bismarck durch aufdringliches Hochschreien dadurch unangenehm werden, dass sie gewissermaßen als Reaktion die Antwort der guten Patrioten, die Volkshymne, herausfordern. Und doch! Dieser Traum hat, wie die meisten politischen Träume, mit Politik gar nichts zu tun. Ich träumte ihn in P., einer lieblichen Gartenstadt am Wörthersee. Dort hatten wir unser Sommerquartier aufgeschlagen. Leider sollte mir mein Urlaub nicht ohne schweren Kummer verstreichen. Eine Woche vor der projektierten Abreise nach P. erhielt ich beunruhigende Nachrichten von F., wo meine hochbetagte Mutter lebt. Ein Telegramm rief mich an ihr Krankenlager. Ich fand sie in einer schlimmen Situation, die meine tägliche Anwesenheit erforderte. Unter solchen Umständen war an F. nicht zu denken. Ich fasste rasch den Entschluss, meine Familie aus F. zu holen und in Abbazia einzuquartieren, von wo aus ich meine Mutter täglich besuchen konnte. Auch erhoffte ich von der Anwesenheit meiner Familie für die Kranke freudige Anregungen, die die Genesung beschleunigen konnten. (So war es in der Tat. Es gibt keinen besseren Arzt als die Freude!) Ich blieb also einige Tage in F., bis der Zustand sich etwas besserte, und fuhr dann nach F., das ich schweren Herzens verlassen sollte. In der zweiten Nacht meines dortigen Aufenthaltes träumte ich meinen „politischen“ Traum.
Und nun die Analyse: „Ich bin in der Hofburg“. Meine Sommerwohnung gefiel mir außerordentlich gut. Es war eine Villa mit großer Veranda, von der man einen entzückenden Blick auf Maria-Wörth hatte. Alles war so vornehm und komfortabel, dass meine Kleine den Ausspruch tat: „Der Kaiser kann nicht schöner wohnen.“ Hofburg drückt also das Vornehme in einer Sommerwohnung aus. Eine weitere Beziehung bildet der Name des Eigentümers. Er heißt nämlich Schweinburg. Es ist der Baumeister, der das Bürgertheater in Wien erbaut hat, das ein naheliegender Kalauer Schweinburg-Theater getauft hat. Die Hofburg des Traumes ist also meine Villa und der Anfang des Traumes lautet: Ich bin in F., in meiner vornehmen, herrlich gelegenen Sommerwohnung. ,,Und sehe Bismarck.“ Was hat Bismarck mit P. zu tun? Auch das ist leicht zu deuten. Der Bismarck des Traumes war ein auffallend großer magerer Mann mit gelblich verfallenem Teint und weißem Schnurrbart. Der Traum leistet sich hier den häufig vorkommenden Witz, durch Verkehrung in das Gegenteil den Trauminhalt zu verbergen. Der große magere Mann mit weißem Schnurrbart und gelblichem Teint ist ein kleiner dicker, blühend aussehender Herr mit einem dunklen Schnurrbart mein Kollege Dr. M., dessen Sommerwohnung in F. im Vorjahre mir so gefiel, dass ich mir die gleiche, nur einen Stock tiefer gemietet hatte. Dr. M. hatte einen unangenehmen Streit in einem Verein, dem wir beide angehörten, mit so großer diplomatischer Kunst geschlichtet, dass ich ihm damals versicherte: Bismarck hätte das nicht besser ausführen können. Außerdem hatte mir ein zweiter Kollege über Dr. M. gesagt, er wäre sehr klug und erfahren, ein zweiter Bismarck in seinem Beruf. Er sollte sich auch diesmal als Bismarck bewähren und mir behilflich sein, meinen Kontrakt bezüglich der Sommerwohnung ohne allzu großen Schaden zu lösen, damit ich rasch zu meiner Mutter zurückkehren könnte.
„Ich schrie mit anderen Leuten „Hoch“. Wir sind eine Gesellschaft, die alle P. mit Recht preisen. Wir loben die liebliche Lage am See, die Reinheit der Wege. Man gehe überall wie in einem großen Garten, könne schöne Ausflüge machen; wir heben das angenehme Bad, die reizende Lage des Etablissements hervor usw.
„Da fängt einer die Volkshymne an.“ Herr S., ein Mann aus dem Volke, jetzt sehr wohlhabend, meinte, der Ort wäre sehr teuer. Er habe in einigen Wochen eine Unmenge Geldes gebraucht.
„Ich stimme kräftig ein“, das entspricht den Tatsachen. Der Mangel eines guten Gasthauses mit bürgerlichen Preisen könnte mir den Aufenthalt in P. verleiden.
„Einige Leute fallen auf die Knie“ bezieht sich auf das lächerlich demütige Benehmen, das einige Menschen vor dem Besitzer des Etablissements zeigen.
„Dann sehe ich Bismarck wieder, wir sprechen über den Vorfall.“ Vorfall ist ein wichtiges Wort. (Ein Wechsel, der den Zug auf ein anderes Geleise bringt. So lautet der Name der Krankheit, die einem mir teuren Wesen böse Stunden bereitet. Doch das würde uns in eine andere Richtung des Traumgedanken bringen. Hüten wir uns vor Abschweifungen und führen wir die Deutung in der begonnenen Richtung weiter.) Ich sprach mit Dr. M. über meine Sorgen, und er versicherte mich seiner Mithilfe bei der Lösung des Kontraktes. „Auch über die Bücher, die er mithat. Ich erkläre, dass bei mir in der Bibliothek eine fühlbare Lücke sichtbar wird, wenn wir einige Bücher auf die Reise mitnehmen. Er meint, er habe die Empfindung nicht gehabt, was ich damit erkläre, dass bei einer so ungeheuer großen Bibliothek einige Bücher mehr oder weniger nicht in Betracht kämen.“ Es handelt sich um das Sparkassenbuch, das ich vor meiner Abreise ins Depot gab. Meine Frau, die immer die zurückhaltende sparsame Kraft unseres Haushaltes darstellt, meinte, die Ausgaben des Sommers — ich wollte heuer das erste Mal sechs Wochen der Ruhe pflegen — würden eine fühlbare Lücke in unserem bescheidenen Besitzstand erzeugen. Dr. M., der ebenfalls sechs Wochen ausbleibe, sei wohlhabend und könne sich den Luxus eher erlauben. Diesen Gedankengang nimmt mein Traum auf. Tatsächlich habe ich mit Dr. M. über die Kosten des Sommerurlaubes gesprochen.
Das Sparkassabuch bedeutet hier auch das Weib. Ich habe in meiner Broschüre „Keuschheit und Gesundheit“ den Ausspruch getan: „Für die Spermatozonen gibt es keine Sparbüchse.“ Dr. M. gilt als Schätzer der Frauen. Ich imputiere ihm einen Harem, während ich nur eine Frau habe. Nach der „symbolischen Gleichung“, über die wir im nächsten Kapitel sprechen werden, bedeutet Sperma auch Geld. (Beachte die Ausdrücke „Fühlbare Lücke“ und „Ungeheuer große Bibliothek“ von diesem Gesichtspunkte aus!)
Soweit wäre der Traum bis jetzt gedeutet. Er enthüllt gewissermaßen Reuegedanken, dass ich einen so kostspieligen Sommeraufenthalt gewählt. Es ist, als ob ich Dr. M. im Traume sagen würde: „Ja, du kannst es dir leisten, in der Hofburg zu wohnen. Was liegt daran, wenn du dich auch einiger Sparkassenbücher СКАЧАТЬ