Die Methode Cortés. Klaus M. G. Giehl
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Название: Die Methode Cortés

Автор: Klaus M. G. Giehl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Methode Cortés

isbn: 9783748560517

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СКАЧАТЬ gesagt und auf das „zu“ zwischen „besser“ und „schnell“ verzichtet, um prophylaktisch meiner Einschätzung Ausdruck zu verleihen, dass ich sehr wohl die Schnelligkeit meines Entschlusses anerkannte, ich diesen aber nicht als „zu“ schnell ansähe. Ming Lis nervöses Augenzucken betrachtend war ich mir allerdings nicht sicher, ob sie diese Nuance meines Ausdrucks realisiert hatte, fuhr dennoch in meiner Darlegung fort:) „Ich bin hierhergekommen, um wieder in die Forschung einzusteigen. Gut. Aber ich musste – erneut mit der Materie befasst – feststellen, dass sich einiges geändert hat und mir forschen keinen Spaß mehr macht. Für mich ist diese Erkenntnis nicht lächerlich, sondern einschneidend, ebenso wie der Schluss, dass ich ihretwegen handeln muss. Wenn du sie und ihn trotzdem als ‚lächerlich‘ bezeichnest, verfehlst du den Punkt und drückst bestenfalls Frustration darüber aus, dass sich unsere Zielsetzungen nicht mehr miteinander decken. Und um auf den Zeitaspekt zurückzukommen: Stell dir vor, dieser Entschluss wäre erst in einem Jahr gefallen, nachdem alle möglichen gemeinsamen Projekte am Laufen wären und ich mich tatsächlich auf Verpflichtungen eingelassen hätte: So etwas könnte man dann als ‚unangenehm‘ bezeichnen, aber noch immer nicht als ‚lächerlich‘.“

      Wir sahen uns an. Die Luft zwischen unseren Augenpaaren schien zu oszillieren. Nach einem Moment sagte Ming Li gedrängt und sich die Brille nach oben schiebend:

      „Wir haben jetzt schon gemeinsame Projekte laufen.“

      „In deiner Vorstellung vielleicht“, schmunzelte ich, und erläuterte behutsam: „Du hast mich soeben von dem Projekt, das ich bisher bearbeitet habe, abgezogen und mir ein neues angetragen. In der Hinsicht wäre somit kein Verlust entstanden, wenn ich bald ginge. Außerdem wollte ich mich mit dir speziell darüber unterhalten, wann ich gehe, um eventuell die eine oder andere geplante Sache abschließen zu können, damit möglichst kein Schaden aus der Geschichte entstünde.“

      „Warum hast du nicht noch ein paar Monate gewartet mit irgendwelchen Entscheidungen?“

      „Der Antrag, den du mir eingangs vorgeschlagen hast, hätte eine langfristige Verpflichtung geschaffen, sobald wir ihn abgeschickt hätten. Nebenbei wäre es auch absurd, einen Antrag für ein jahrelanges Projekt zu schreiben, wenn ich ohnehin wüsste, dass ich mich verabschieden werde.“

      „Ich sehe“, rückte sie agitiert auf ihrem Stuhl hin und her, „Du wirfst mir also jetzt vor, ich hätte dich zu sehr gepusht.“

      „Nein. Ich habe dir lediglich erklärt, warum ich dir jetzt und nicht erst in einem Monat von der Angelegenheit erzählt habe. Länger hätte es sowieso nicht gebraucht, bis ich sie angesprochen hätte. Wie gesagt, ich sehe sie klar.“

      „Ich finde, du siehst gar nichts klar! Ich kann deine Entscheidung nicht ernst nehmen! In meinen Augen hast du eine Depression und brauchst dringend ärztliche Hilfe.“

      „Du gehst zu weit!“, antwortete ich, und sah sie ernst an.

      „Nein. Du hast eine Depression!“

      „Es langt!“, hob ich meine Stimme leicht, und erklärte, wieder ruhig: „Abgesehen davon, dass du als Laiin meinen psychopathologischen Befund – so interessant der auch sein möge – weder erfassen noch erheben kannst: ich habe keine Depression. Und wesentlicher: Du verletzt hier eindeutig die Grenzen des Erlaubten.“

      „Doch, du hast eine Depression“, schüttelte sie ihren Kopf, sodass ihre Brille nach unten rutschte. Sie schob sie nach oben, beugte sich leicht, doch nahezu bedrohlich, auf mich zu, und fuhr fort: „Ich sehe doch, wie du dich mit deiner Arbeit herumquälst. Früher warst du ganz anders. Da hattest du Freude an deiner Arbeit und die Ideen sind nur so aus dir herausgesprudelt.“

      „Letzterer Aussage kann ich zustimmen“, zuckte ich die Schultern, und belehrte sie: „Von meinem Desinteresse an einer bestimmten Arbeit auf Depression zu schließen, erreicht hingegen noch nicht einmal das Niveau plausibler Spekulation.“

      „Doch!“, insistierte sie, „Du bist depressiv! Ich akzeptiere deine Entscheidung nicht, solange du nicht mit einem Psychiater gesprochen hast.“

      Ich hielt einen Moment inne und führte mir vor Augen, dass sich Ming Li mit ihrer Argumentation keinen Gefallen tat. Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück, faltete die Hände hinter dem Kopf zusammen, und legte, in gewisser Hinsicht um ihr zu „helfen“, dar:

      „Ming Li! Ich möchte mich auf dieser Ebene nicht mit dir auseinandersetzen und werde jetzt beziehungsweise gleich gehen. Du kannst dir in den nächsten Tagen Gedanken machen, ob du gerne meine Kündigung zum nächstmöglichen Kündigungstermin hättest, oder ob du dich mit mir über einen nicht in allzu ferner Zukunft liegenden Kündigungszeitpunkt unterhalten möchtest, bis zu dem ich noch das ein oder andere Projekt erledigen könnte, das für dich von Interesse wäre. Du entschuldigst mich?“

      Meine Hände ließen einander los und ich stand harmonisch aus der herabgleitenden Bewegung meiner Arme heraus auf. Ming Li war sichtlich aufgebracht. Sie biss sich nervös auf der Unterlippe herum und antwortete blinzelnd, nachdem sie die Brille auf der zuckenden Nase nach oben geschoben hatte:

      „Du ziehst hier augenblicklich eine tierische Scheiße ab. Wenn du das machst, wirst du nie wieder in die Forschung zurückkommen können.“

      „Ich hatte meine Motivation bereits erläutert“, neigte ich meinen Kopf sanft zur Seite.

      „Du bist unglaublich egoistisch“, hob sie ihre Stimme auf annähernd quiekendes Niveau, „Ich hatte etliche Projekte mir dir geplant. Du kannst mich jetzt nicht einfach so sitzen lassen.“

      Trotz meines Schauderns ob des erfahrenen Missklangs erklärte ich besonnen:

      „Den meisten Kündigungen ist es eigen, dass die Erwartungen einer der beteiligten Seiten nicht erfüllt werden. Außerdem muss ich darauf achten, meinen Interessen nachzukommen. Ähnliches gilt für dich. Mir in diesem Zusammenhang ‚Egoismus‘ zu unterstellen, passt nicht, um mich zurückhaltend zu formulieren. Soll ich etwa meine Interessen ignorieren, damit sich die deinen erfüllen?“

      „Doch, du bist unglaublich egoistisch!“, erregte sich Ming Li, „Ich habe zweitausendfünfhundert Dollar in dein Visum und neunhundert Dollar in deinen Flug investiert. Und da willst du dich jetzt einfach aus dem Staub machen?“

      „Die dreitausendvierhundert Dollar kann ich dir gerne zurückzahlen, wenn’s dir damit bessergeht.“ Ich zögerte, war einen Augenblick erstaunt über mein spontanes „kalkulatorisches Geschick“, denn Rechnen gehörte normalerweise nicht zu meinen Stärken. Ich rechnete also kurz nach: zweitausendfünfhundert plus neunhundert ist gleich dreitausendvierhundert. Richtig! Ich freute mich über mich und fuhr fort: „Oder wir unterhalten uns darüber, ob ich noch die ein oder andere, zeitlich gut abgrenzbare Sache mache, auf dass sich deine Investition rentiere.“

      „Ich glaube, du gehst jetzt besser.“

      Ming Li schien zu dampfen, ihre Brillengläser zu beschlagen. Ich sagte:

      „Sehe ich auch so. Tschüssi.“

      Ich ging.

      Mich gemessen auf mein Großraumbüro zubewegend verspürte ich eine tief durchatmende Erleichterung. Welch Belebung! Ich hatte es hinter mich gebracht! Die Unterhaltung war in mehrerlei, auch klanglicher Hinsicht nicht harmonisch verlaufen, aber die Fronten waren klar. Und darauf kam es an!

      Wenig СКАЧАТЬ