Miro. Christina Hupfer
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Читать онлайн книгу Miro - Christina Hupfer страница 5

Название: Miro

Автор: Christina Hupfer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742718716

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СКАЧАТЬ solange für sie sorgen, sie in einem Hotel oder bei Freunden unterbringen. Sie kämen so schnell wie möglich zurück. Es könne allerdings etwas länger dauern. Es gäbe viel zu regeln.

      Sie hatte sich so auf ihre neue Aufgabe gefreut, hatte sich ausgemalt, wie sie sich mit den Kindern anfreunden würde, wie sie sich deren Eltern unentbehrlich machen würde. Sie hatte sich vorgenommen, an ihren freien Tagen die fremde Stadt zu erkunden und neue Freunde zu finden. Sich eine Schule zu suchen, um ihre Sprachkenntnisse aufzupolieren. Zu lernen.

      Nie im Leben hätte sie damit gerechnet an ihrem ersten Tag in der Fremde in einer zwielichtigen Pension zu landen. Um dort von einer zwar freundlichen aber viel zu grell geschminkten Dame in Empfang genommen zu werden, die sofort ihre Reisepapiere in den Tresor steckte: „Ist besser so — Berlin leider schlimme Stadt!“

      Die folgenden Tage gingen unter in einem Grauen erregenden Wirbel von Gesichtern:

      Das der schrillen Frau am Empfang, die ihre Papiere nicht wieder herausrückte, tauchte immer wieder auf.

      Dann das mit dem herablassenden Gesichtsausdruck der ein wenig zu eleganten Hausdame mit den hochgezogenen Augenbrauen, die sie durch einen langen, intim beleuchteten, etwas zu plüschigen Gang nach hinten in ein nicht gerade freundliches Zimmer geführt hatte, in dem neben zwei benutzten ein frisch gemachtes Bett stand. „Was Besseres haben wir nicht.“

      Es schoben sich die verheulten, geschwollenen Gesichter der beiden polnischen Mädchen davor, die leicht bekleidet aneinander geschmiegt auf einem der Betten saßen und bei ihrem Eintreten abrupt verstummten.

      Dazwischen blitzte das hübsche, selbstgefällige Antlitz von Karel auf, dessen Avancen immer aufdringlicher wurden, und der ihr spät abends noch wenig bedauernd mitgeteilt hatte, dass er gerade erfahren habe, dass die Familie Arsa nicht wieder zurückkäme. Dass sie leider, leider nun keinen Job habe. „Aber ich habe trotzdem eine gute Nachricht für dich. Kannst die Kosten abarbeiten. Flug, Unterkunft, alles ist teuer. Du willst doch nicht, dass deine Familie darunter leiden muss. Zeige dir bald, wie.“

      Wie in einem Kaleidoskop zogen die mitleidigen Minen weiterer Bewohnerinnen vorbei, die sie seltsam neidisch musterten.

      Und dann trafen sie, wie Hämmer, die toten Augen der jungen Frau, die aus der Gemeinschaftsdusche gewankt war, ihre dunkelblauen Flecken nur halb mit ihrem Handtuch verdeckt, und sie zutiefst erschreckt hatte. Dazu das porzellanglatte Gesicht einer rothaarigen Göre, die Kaugummi kauend höhnisch gemeint hatte: „Die ist selber schuld. Hat geglaubt sie könne abhauen. Muss sich noch anpassen. Aber den Kopf verschonen sie — immer. Gott sei Dank. Sonst bringen wir ihnen kein Geld mehr.“

      Ihr Herz zog sich zusammen, wenn die Fratze von Karel wieder vor ihren Augen auftauchte. Aus dieser war alles Joviale verschwunden, als er sie in ihre „Arbeit“ eingewiesen und sie unter den verstörten Blicken ihrer Mitbewohnerinnen aufs Bett gestoßen hatte.

      „Hättest es anders haben können.“ Sogar seine Sprache wurde grober. “Meinst wohl, bist was Besseres. Musst noch viel lernen. Willst doch nicht, dass Papas zweites Bein auch Schaden nimmt. Oder Kleine von deinem Bruder. Kinder haben schnell mal schlimmen Unfall.“

      Mit einem unverständlichen Wortschwall — wahrscheinlich russisch, aus dem die ganze Bosheit eines frustrierten Individuums sprach, warf er sich auf ihren sich hilflos windenden Körper.

      An das, was der „nette“ Karel in dieser ersten Nacht in der Fremde mit ihr angestellt hatte, konnte sie nicht denken ohne einen Weinkrampf zu bekommen. Es half auch nicht, dass sie von allen Seiten gesagt bekam, daran müsse sie sich eben gewöhnen. Je schneller, desto besser.

      Fast noch schlimmer war es, sich selbst ins Gesicht sehen zu müssen, als sie ihr zeigten, wie sie sich gefälligst herzurichten habe.

      Am Schluss blieben nur noch Fragmente der alten Miroslava übrig. Papa, Mama, ich bin doch eure Slavenka. Aber ich kann nie wieder heim. Ich würde mich auch nie trauen. Sie würden mich finden. Sie würden euch finden. Ich wollte ich wäre tot.

      5

      Senf! Eine angebrochene, halb ausgequetschte verschmierte Tube. Sie registrierte es eher beiläufig als sie die angebissenen Reste ihres Abendbrots wieder in den Kühlschrank packte. Seit Tagen war sie wie betäubt, funktionierte nur noch. Doch diese Tube! Ihr Herz klopfte plötzlich wie verrückt. Sie schnappte sich ein Stück Wurst und etwas Brot, drückte eine ordentliche Portion Senf auf ihren Teller und verspeiste alles bis auf den letzten Krümel. Und sogar mit etwas Genuss.

      •••

      „Sieh dir an! Was ich soll mit der! Morgen kommt Kunde, dem ich habe versprochen. Fast wie neu. Lange Beine, Haare und Gesicht wie Schneewittchen!“

      Der Mann, den sie Chef nannten tobte so laut mit Karel, dass man es auch durch die gepolsterte Tür hätte hören können, wenn sie nicht nur angelehnt gewesen wäre.

      „Und wie sieht jetzt aus? Schaff weg! Und schau, wer von Mädchen kann übernehmen. Provision du kannst vergessen!“

      Befriedigt betrachtete sich Miroslava in dem kleinen Taschenspiegel während sie dem Gebrüll lauschte. Leuchtend rote Pusteln bedeckten ihr Gesicht und einige davon begannen bereits zu eitern. Sie hätte nie gedacht, dass sie einmal über diese Allergie, die sich vor langer Zeit beim Verzehr von Baba Doras Lieblingsgewürzpaste herausgestellt hatte, so froh sein würde. In diesem Zustand würden die feinen Herren sie nicht mal mit Handschuhen anfassen!

      Ihre Hand tastete dankbar nach der kleinen Senfportion in ihrer Hosentasche. Die Beutelchen hatte sie bei ihrer gründlichen Suche im Kühlschrank auch noch gefunden. Sie waren nicht ganz so auffällig wie die dicke Tube, und sie würden hoffentlich bei niemandem einen Verdacht aufkommen lassen. Bald wäre sie vielleicht schon wieder auf dem Weg nach Hause. Sie würde nie wieder weg wollen. Nie, nie wieder! Und die Männer konnten ihr alle gestohlen bleiben, auch Marek. Es tat so weh. Ob er das gewusst hatte? Ob er sie wissentlich ausgeliefert hatte?

      •••

      Der alte Bus rumpelte durch die Nacht, und die Köpfe ihrer müden Leidensgenossen schwankten in seinem Rhythmus. Regen prasselte gegen die Scheiben, und der Wind blies ihn in Schlieren davon. Im Scheinwerferlicht des Gegenverkehrs erkannte sie abgeerntete Felder und Wiesen, die dunkle Silhouette eines Waldes, eines einzelnen Baums, und ab und zu blinkte ein freundliches Licht aus einem einsam stehenden Haus. Dann wurde es hell. Menschen unter nass glänzenden Schirmen eilten durch erleuchtete Strassen ohne die bunten Auslagen in den Schaufenstern zu beachten. Drängten sich in Hauseingängen oder verschwanden mit kräftigem Schütteln in einladenden Türen.

      Ihre Wange lehnte am kühlen Glas, auf dem ihre Tränen, vermischt mit Zinksalbe, einen schmierigen Film hinterließen. Sie befühlte die juckenden Stellen und wünschte, die Senftherapie langsam beenden zu können. Aber bei der gestrigen unwürdigen abendlichen Untersuchung, um festzustellen, ob sie auch ja jeden Cent der erbettelten Beute abgeliefert hätten, hatte sie den anzüglichen Blick ihres Kolonnenführers aufgefangen, und es schauderte sie noch immer.

      Es müsste doch reichen, dass sie sich bemühte, alles andere als attraktiv auszusehen. Ungewaschene lange Haare über dem wunden Gesicht, die Kleider wie aus dem Altkleidersack gezogen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand an so etwas Gefallen finden konnte.

      Wie sollte sie dieser Hölle nur wieder entkommen? Sie hatten ihr unmissverständlich klargemacht, dass sie eine horrende Summe abzuarbeiten hätte. Der Flug, die Unterbringung, auch die in diesem СКАЧАТЬ